Ein chinesischer Mitarbeiter von Volkswagen bringt eine Heckapplikation an.

Volkswagen muss sein Werk in Shanghai nun doch vorübergehend schließen. (Bild: Volkswagen)

Es hatte sich seit Monaten abgezeichnet. Während die Autoindustrie mit dem Halbleitermangel, steigenden Materialpreisen und jüngst mit den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs beschäftigt war, erlebte die Coronakrise ihr „stilles“ Comeback in China. Im Sommer 2020 galt das Reich der Mitte noch als Vorbild beim Hochfahren der Produktion sowie der Erholung des Automarkts. Ein Jahr später zeigte die Deltavariante des Virus auf, wie fragil die Lieferketten aufgrund der Zero-Covid-Strategie noch immer sind. Der Containerhafen in Shenzhen musste zeitweise seinen Betrieb einstellen. Ein enormer Rückstau von Schiffen war die Folge.

Mit Omikron wandelt sich China nun vollends vom Hoffnungsschimmer zum Risikofaktor: Trotz verhältnismäßig niedriger Infektionszahlen im internationalen Vergleich erlebt das Land die schlimmste Corona-Welle seit Beginn der Pandemie. Kleinere Ausbrüche konnten lange Zeit mit Ausgangssperren, Massentests und Quarantäne bekämpft werden. Trotzdem blieben im Januar 2022 die ersten Produktionsstopps nicht aus: Toyota und Volkswagen mussten in der Millionenstadt Tianjin nahe Peking pausieren.

Dass kleinere Infektionszahlen mit rigorosen Maßnahmen bekämpft werden und Lockdowns in chinesischen Hafenstädten zur Folge haben, führte Anfang Februar auch bei der Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, zur mittlerweile begründeten Sorge.Die positive Entwicklung konnte dies zunächst nur bedingt überschatten: Trotz des verkaufsmindernden Neujahrsfestes legte der Autoabsatz laut dem Branchenverband PCA im Februar erstmals seit Mai 2021 wieder zu – um 4,7 Prozent auf rund 1,25 Millionen Einheiten. Mitte März folgte auf den Höhenflug der Fall.

Volkswagen vollzieht Kehrtwende bei Werksschließung

Zuerst traf es Volkswagen: In der nordostchinesischen Metropole Changchun musste auf Anordnung der Behörden im VW-, Audi und Komponentenwerk die Produktion gestoppt werden. Vorhergesehen war ursprünglich eine Pause von drei Tagen. Bis heute stehen die Bänder still. Das anfänglich durch eine Sprecherin verkündete Vorhaben, die Ausfälle in den drei gemeinsam mit FAW betriebenen Fabriken mit Sonderschichten nachzuholen, wird derweil immer ambitionierter. Es sollten nicht die einzigen einschneidenden Stopps bleiben.

Nachdem Volkswagen seit Mitte März stets auf die laufende Produktion in Shanghai verwiesen hatte, geht der westliche Teil der Stadt, in dem das Werk beheimatet ist, ab heute ebenfalls in den Lockdown. Nachdem zunächst Zulieferteile fehlten, wollte der Autobauer die Fertigung zumindest teilweise fortführen, indem Mitarbeiter freiwillig und durch Lohnzuschläge motiviert auf dem Werksgelände in einem „geschlossenen Kreislauf“ wohnen und arbeiten sollten. Mittlerweile erfolgte die Kehrtwende: Abgesehen vom Presswerk sowie Wartungen ruht die Arbeit. Am Dienstag sollen dann sowohl in Shanghai als auch in Changchun die Tore wieder geöffnet werden.

General Motors kann Produktion aufrechterhalten

Ein ähnliches Schicksal ereilte Tesla und Toyota: Der E-Autobauer wollte seine Gigafactoy in Shanghai ebenfalls mittels eines geschlossenen Systems am Laufen halten. Da diese im Osten der Stadt gelegen ist, wo der Lockdown bereits seit vergangenem Montag gilt, fehlte laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung jedoch die notwendige Vorbereitungszeit. Verpflegung für die Arbeiter herbeizuschaffen sei demnach „offensichtlich ein aussichtsloses Unterfangen“ gewesen. Toyota musste hingegen bereits zeitgleich mit Volkswagen die Bänder in Changchun anhalten, so Bloomberg. In Shanghai sei mit dem Lockdown mittlerweile auch das Werk der Nutzfahrzeugtochter Hino Motors betroffen.

Während in Chinas größter Stadt laut der Nachrichtenagentur Reuters zudem Zulieferer wie Aptiv, ThyssenKrupp oder Bosch unter dem Lockdown leiden, konnte General Motors immerhin einen Teilerfolg verbuchen. Dem US-Autobauer sei es dem Bericht zufolge bislang gelungen, die Produktion weiterzuführen. In dem gemeinsam mit SAIC betriebenen Werk sollen die Arbeiter demnach – isoliert von der Außenwelt – weiterhin Fahrzeuge für die Marken Buick, Chevrolet und Cadillac fertigen. Sondergenehmigungen für Lastwagen erhalten den Nachschub aufrecht – zumindest so lange die Stopps bei Firmen wie Aptiv dies nicht verhindern.

Shanghai wird zum Prüfstein für die Coronapolitik

Die große Frage bleibt somit, ob Omikron sich wie seine Vorgänger eindämmen lässt. Sollte die restriktive Coronapolitik der chinesischen Regierung in diesem Sinne weitergeführt werden, büße die weltweite Fahrzeugproduktion etwa zwei Prozent und damit 1,5 Millionen Einheiten ein, zitiert Bloomberg Joshua Cobb, Senior Autos Analyst bei Fitch Solutions.

„Shanghai wird angesichts seiner Bedeutung als Produktionsstandort für Autos und Halbleiter ein wichtiger Indikator dafür sein, wie China und seine Null-Covid-Politik vorankommen werden“, erklärt der Finanzanalyst. „Im Moment hängt alles davon ab, wie hart der Lockdown ist und wie lange er andauert.“ Sollten die Maßnahmen verlängert oder gar im ganzen Land nötig werden, stehen der Weltwirtschaft erneut schwere Zeiten bevor.

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dpa