Schuler-CEO Domenico Iacovelli

"Der Smart Press Shop ist unser Leuchtturmprojekt", sagt Schuler-CEO Domenico Iacovelli über das Gemeinschaftsunternehmen mit Porsche. (Bild: Schuler)

Schuler und Porsche haben im September 2018 ein Presswerk JV gegründet.  In welchem Stadium befindet sich das Projekt?
Albrecht Reimold: Im September haben wir, Schuler und Porsche, uns zu diesem Schritt entschieden. Nachdem im Januar die Freigaben in puncto Kartell- und Fusionskontrolle erfolgten, haben wir das Joint Venture als Smart Press Shop GmbH & Co. KG gegründet und eingetragen. Derzeit läuft die Ausplanungsphase mit den Architekten.

Ist die Standortentscheidung gefallen?
Albrecht Reimold: Die finale Standortentscheidung ist noch nicht getroffen, aber wir werden das Presswerk im Großraum Leipzig ansiedeln, um die Logistikwege ins Leipziger Werk kurz zu halten.

Wann beginnt die konkrete Umsetzungsphase?
Domenico Iacovelli: Ein gemeinsames Projektteam von Porsche und Schuler hat bereits mit dem Signing der Joint-Venture-Verträge die vorbereitenden Arbeiten am Gemeinschaftsunternehmen und dessen operativem Geschäftsauftakt vorangetrieben.
Albrecht Reimold: Wir werden uns in Kürze auf einen Standort festlegen und gegen Mitte des Jahres mit den Bauarbeiten beginnen. 

Sie haben angekündigt, dass durch das Joint Venture 100 Arbeitsplätze geschaffen werden. Sind das neue Jobs?
Albrecht Reimold: Für die Gründung und den Aufbau des Joint-Ventures tragen Mitarbeiter von Schuler und Porsche die Verantwortung. Die Mitarbeiter für den späteren Betrieb wollen wir dann aus der Region rekrutieren. Wir werden im neuen Presswerk dauerhaft Arbeitsplätze vor Ort schaffen.

Was verspricht sich Porsche von dem JV?
Albrecht Reimold: Wir freuen uns, mit Schuler einen kompetenten und innovationsfreudigen Partner gefunden zu haben. Schuler gehört zu den Spezialisten in Sachen Digitalisierung in der Umformtechnik. Das ermöglicht uns, einen weiteren bedeutenden Schritt für die Sportwagen-Produktion der Zukunft zu machen. Den ersten Schritt haben wir bereits 2015 mit der Integration des Porsche Werkzeugbaus gemacht. Das Gemeinschaftsunternehmen mit der Schuler AG ist für uns eine logische Konsequenz. So können wir Design, Entwicklung, Karosserieplanung, Werkzeugfertigung und Produktion noch enger miteinander verzahnen sowie unsere Prozesse noch effizienter gestalten. Darüber hinaus reduzieren die deutlich kürzeren Logistikwege unsere produktionsbedingten CO2-Emissionen. Damit kommen wir unserem Ziel der „Zero Impact Factory“ wieder ein Stück näher.

Neue Mobilität - neue Kooperation

Über das Presswerk-Joint-Venture zwischen Porsche und Schuler, die Intention dahinter und die geplante Umsetzung sprechen Porsche-Produktionsvorstand
Albrecht Reimold und Schuler-CEO Domenico Iacovelli beim automotive production summit, den Automobil Produktion und automotiveIT am 1. und 2. Juli in München veranstalten.

Infos unter www.automotive-production-summit.de

…und Schuler?
Domenico Iacovelli: Die enge Zusammenarbeit mit dem ebenso wichtigen wie anspruchsvollen Premium-Kunden Porsche steht für Schuler im Mittelpunkt. Darüber hinaus ist der gemeinsame Aufbau und Betrieb des Smart Press Shops unser zentrales Leuchtturmprojekt, um die Produktionseffizienz und Digitalisierung wichtiger Prozessschritte der Automobilproduktion auf ein neues Niveau zu heben. Dies leistet Schuler erstmals aus der Rolle als Mit-Eigentümer und –Betreiber. Wir erhalten damit den direkten Zugriff auf die Ergebnisse und Datenströme des Produktionsprozesses, die wir in geeigneter Form unmittelbar Porsche, aber auch weiteren Kunden unserer Technologien zu Gute kommen lassen können.

Seitens Schuler hat man angekündigt, mit dem entstehenden Presswerk neue Maßstäbe in der industriellen Fertigung und bei der digitalen Vernetzung setzen zu wollen. Bitte erläutern Sie wie Sie das erreichen wollen?
Domenico Iacovelli: Wir bringen unsere neue Servo-20-Technologie zum Einsatz. Sie steigert den maximalen Output von 18 auf 20 Hübe pro Minute und reduziert den Energieverbrauch pro Hub und Bauteil. Gleichzeitig werden alle Produktionsschritte durchgehend digital vernetzt. Maschinelles Lernen, vorausschauende Wartung, die intelligente Produktionssteuerung sowie die virtuelle Einarbeitung neuer Mitarbeiter setzen neue Maßstäbe in unserer Umsetzung der Industrie 4.0.

Ist das JV so etwas wie ein technologischer Think Tank auf der Produktionsseite aus dem beide Unternehmen neue Erkenntnisse für die Zukunft der Karosserieteilefertigung gewinnen wollen oder ist Ziel des JV das gemeinsame Presswerk zur hoch spezialisierten Fertigungsstätte für Kleinserien zu machen?Domenico Iacoveli: Das Joint Venture ist mehr als ein Think Tank oder Digital Lab. Es ist praxisgerechte, angewandte Industrie 4.0 auf einem Level, das in der Automobilindustrie bisher beispiellos ist.
Albrecht Reimold: Wir schließen unsere Prozesskette, können Zukunftstechnologien nutzen und gewinnen die Flexibilität, auch Kleinserien noch effizienter zu realisieren. Porsche setzt traditionell auf Kooperationen mit Lieferanten. Die Bündelung von Kompetenzen ist auch einer unserer Erfolgsfaktoren.

Angesichts eines extremen Investitionsdrucks durch den Mobilitätswandel ist selbst bei Premiumherstellern ein Trend erkennbar den Bereich Presswerke auszulagern. Porsche geht einen anderen Weg, hat erst den Werkzeugbau von Kuka übernommen und baut jetzt auf eigene Lösungen im Karosseriebau. War es schwierig, das Projekt im Konzernvorstand umzusetzen?
Albrecht Reimold: Für uns ist das Joint Venture ein logischer Schritt nach der Integration des Werkzeugbaus, der uns Innovationen, wie beispielsweise die Karosserieaußenhaut für den neuen Porsche 911 und den vollelektrischen Taycan ermöglicht hat; Aluminiumteile in dieser Größe und mit einer Ziehtiefe von über 300 Millimetern kann sonst niemand.

Umgekehrt die Frage an Schuler: Kleinserien sind in der Regel ja weniger wirtschaftlich. Warum das Engagement in diesem engen Geschäft?
Domenico Iacovelli: Mit dem Joint Venture brechen wir die genannte Regel ein gutes Stück weit auf. Der Schlüssel dafür ist die Optimierung der Schnittstellen zwischen Presse, Werkzeug und Automation. Die im Gemeinschaftsunternehmen zum Einsatz kommende Technologie verkürzt sowohl die zum Werkzeugwechsel notwendigen Ruhezeiten als auch den Aufwand bei der Anpassung der Steuereinheiten an die neuen Aufgaben der Presslinie.

Wollen Sie mit dem JV auch andere Unternehmen bedienen oder ist das eine Exklusivproduktion für Porsche und den VW-Konzern?
Albrecht Reimold: Natürlich bietet das Joint-Venture auch die Möglichkeit, freie Kapazitäten am Markt anzubieten.
Domenico Iacovelli: Porsche wird natürlich den ersten Zugriff haben. Teil der hohen Flexibilität der Produktionsanlagen ist aber auch, freie Kapazitäten bei Bedarf relativ kurzfristig anderen Herstellern zur Verfügung stellen zu können.

Wann wird der operative Betrieb starten?
Albrecht Reimold: Wir planen mit dem Produktionsstart Anfang 2021.

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