AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Kiefer, was ist mit Blick auf ein flächendeckendes Ausrollen der E-Mobilität die große Herausforderung?
Noch vor zwei Jahren hätte die Antwort Infrastruktur gelautet. Aktuelle Studien zeigen, dass bei Kunden das Thema Reichweite Platz eins belegt, gefolgt von der Ladeverfügbarkeit. Das Thema Reichweite haben wir zwischenzeitlich gut im Griff, denn wir stellen 400 bis 500 Kilometer sicher, was einem üblichen use case entspricht. Der Entwicklungsschritt bei der Ladeleistung geht nun von 50 hin zu 350 kW, was eine Versechsfachung bedeutet. Damit haben Kunden ein Ladeerlebnis wie bei einem herkömmlichen Tankvorgang.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Was steckt hinter dem Produkt Ladesäule und welche Rolle spielt dabei Porsche Engineering?
Sie beinhaltet in ihrem recht schmalen Footprint der Säule und eine luftgekühlte Batterie, sowie je eine Leistungselektronik auf der Eingangs- und der Ausgangsseite in einem Würfelpackage. Hinzu kommt das gekühlte Kabel am kranförmigen Arm der Säule, das mit etwa einem Kilogramm pro Meter vergleichsweise leicht ist. Diese Lösung nennen wir ChargeBox und der Vertrieb läuft über unseren Partner adstec. Weiterhin bieten wir einen Ladepark (ChargePark) an welchen wir über unseren Partner OMEXOM vertreiben.
Wir sind Entwickler der Produkte. 2015 haen wir aus der Perspektive des Automobilherstellers begonnen, uns die Infrastrukturseite näher zu betrachten. Das Projekt Mission E treibt uns dabei an, auch das Thema Infrastruktur zu bearbeiten.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie sieht Ihre Rolle innerhalb des Volkswagen-Konzerns aus?
Unsere Ladelösung ist einzigartig. Ein solches Produkt entwickeln wir jedoch nicht losgelöst von den anderen Marken, sondern holen zum Start deren Wünsche ein. Von der Entwicklung wird natürlich der gesamte Konzern profitieren. Ein Beispiel ist, dass wir nicht nur eine Ladesäule mit 350 kW, sondern eine Station mit zwei Ladesäulen anbieten, mit der man die gängigen 150 kW Ladeleistung abdeckt, die für viele heute am Markt befindliche Fahrzeuge ausreichen. Mit unserer Ladestation bieten wir genau das richtige Produkt für den urbanen Raum an. Zudem gehen wir mit Blick auf Parkplätze bei unserer Lösung von sehr geringen Baukosten aus.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Wer ist Zielgruppe für das Ladesystem?
Zum einen unsere Handelsorganisation. Eine zweite Zielgruppe sind Tankstellen; dort in einem ersten Setting als System für den Kopf eines Parkplatzes. Erst wenn sich E-Mobilität zum Massenmarkt entwickelt, werden so genannte „Durchfahrer“ im größeren Stil folgen. Wir gehen auch davon aus, dass sich Kommunen für das Ladesystem interessieren werden. Kommunen können die bidirektional ausgelegte Lösung im Übrigen auch noch für weitere Netzdienstleistungen nutzen.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Weshalb 350 kW Ladeleistung?
Dies hängt hauptsächlich mit dem Ladestandard, dem Combined Charging System, kurz CCS, der Spannungs- und Stromlagen festlegt und der Notwendigkeit kurze Standzeiten zu realisieren zusammen. In den kommenden Jahren werden diese Normen weiter überarbeitet, so dass wir dann den nächsten Leistungs-Step erleben werden.
AUTOMOBIL PRODUKTION: Weshalb 800 Volt Spannung?
800 Volt sind im Automobil neu, in der Industrie jedoch gängig. Bauteile für 800 Volt sind also in höheren Stückzahlen verfügbar, die Kosten damit überschaubar. Ein wichtiger Aspekt, weshalb wir auf diese nächste höhere Spannungslage im Fahrzeug gehen, ist zudem das Thema Gewicht. Wir können alle HV-Leitungsquerschnitte reduzieren und ermöglichen gleichzeitig kurze Ladezeiten.