Martina Buchhauser, Einkaufschefin Volvo

Martina Buchhauser, Einkaufschefin Volvo, im Interview mit AUTOMOBIL PRODUKTON: "Wir stehen wie keine andere Automarke für Sicherheit, Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit. Da wäre es fatal, wenn wir in Verbindung mit Kinderarbeit oder Ausbeutung gebracht würden." (Bild: Chris Wood/Volvo Cars)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Frau Buchhauser, Volvo Cars hat sich im Bereich Elektromobilität frühzeitig ehrgeizige Ziele gesetzt. 2025 wollen Sie auf einen rein elektrischen Anteil von 50 Prozent kommen. Wie sehr beschäftigt Sie das Thema als Einkaufschefin schon?
Das ist natürlich ein Riesenthema. Es geht ja nicht alleine um das Sourcing für die Elektromobilität. Hinter einem deutlich höheren Anteil von Elektrofahrzeugen steht ja auch die Aufgabe, die Transformation vom Verbrenner über Mild Hybrid, Hybrid bis zu rein elektrischen Fahrzeugen zu managen. Und dazu kommt ja auch noch die aktuelle Diskussion um den Dieselmotor. Wir müssen im Einkauf antizipieren, wie sich die Volumina auf Sicht der nächsten Jahre entwickeln. Da gibt es aktuell mehr offene Fragen denn je. Unser erklärtes Ziel ist ein Anteil von 50 Prozent bei den rein elektrischen Fahrzeugen im Jahr 2025. Das, davon bin ich überzeugt, wird auch so kommen. Wie, in welcher Geschwindigkeit und in welchen Etappen sich der Wandel allerdings vollziehen wird, wissen wir heute alle nicht. Und dann haben wir ja auch noch ein paar operative Aufgaben in der Gegenwart.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was steht da derzeit oben auf Ihrer Agenda?
Unser starkes Wachstum, mit dem wir über Plan liegen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss: Wir sind stark damit befasst, die benötigten Kapazitäten bei unseren Lieferanten abzusichern. Das ist zwar gewissermaßen ein Luxusproblem, es will aber auch gelöst sein. Ein weiteres permanent aktuelles Thema gerade auch mit Blick auf den Mobilitätswandel ist zudem, dass wir deutlich mehr Flexibilität bei unseren Lieferanten benötigen. Wir kommen aus einer Welt der Pseudo-Genauigkeit, in der wir heute Volumen für einen angenommenen Fahrzeugabsatz in vier oder fünf Jahren einkaufen. Das war früher schon schwierig, in Zukunft wird dies nicht mehr funktionieren. Zum einen aufgrund des Wandels Richtung Elektromobilität, zum anderen aber auch durch die wesentlich größere Bedeutung von Software und deren Entwicklung. Deshalb müssen wir mehr Flexibilität in das Manufacturing System unserer Lieferanten hineinbringen. Wir reden darüber ganz intensiv mit unseren Partnern.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie groß ist die Bereitschaft der Lieferanten da mitzugehen?
Die ist durchaus vorhanden. Es ist ja auch für die Lieferanten kein Spaß, wenn wir andauernd neue Anforderungen nachschieben oder Volumen ändern, was dann in technische Nachrüstung, zusätzliche Schichten oder zu Umbauten führt. Da schwingt ja auch immer ein gewisses Qualitätsrisiko mit. Ich denke, grundsätzlich mehr Flexibilität ins Fertigungssystem zu bringen, würde deutlich weniger Stress für alle Beteiligten bedeuten und sogar am Ende des Tages noch günstiger werden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Gilt das Thema auch für das Batterie-Sourcing?
Das ist sogar ein Paradebeispiel, weil sich hier in der Entwicklung noch sehr viel tut.
Noch ist diese Flexibilität aber nicht da. Haben Sie denn die Kapazitäten für die Zukunft gesichert?
Ja, die Batterieversorgung ist sichergestellt. Wir sourcen gerade für die nächste Generation der SPA-Plattform, die ab 2022 mit dem nächsten XC 90 eingeführt wird und auf der die Fertigung rein elektrischer Modelle geplant ist.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das hört sich einigermaßen entspannt an aus Ihrem Mund. Herrscht angesichts des Umstands, dass viele große OEMs bis 2025 ihren Elektroanteil ganz drastisch nach oben fahren wollen, ein Hauen und Stechen um die Batterielieferanten?
Nein, das sehe ich nicht so. Mittlerweile gibt es aus meiner Sicht einen sehr gut etablierten Markt an Batterieherstellern. Es ist ja nicht mehr so, dass wir jetzt im Jahr 2008 stehen, sondern jetzt ist 2018 und die Zeiten haben sich merklich geändert. Es haben sich inzwischen viele Lieferanten etabliert. Darüber hinaus sind eine ganze Reihe neuer Vorhaben zum Bau von Batteriefabriken projektiert – auch in Europa. Hier in Schweden entsteht ja auch gerade ein sehr großes Werk. Also da habe ich keinerlei Sorge, dass wir in einen Engpass hineinlaufen. Ich sehe das eher so, dass wir die Auswahl haben und die Kunst darin besteht, den richtigen Lieferanten herauszufiltern. Es ist ja nach wie vor viel Bewegung auf der Entwicklungsseite da. Deshalb haben wir uns ja auch nicht auf einen Lieferanten festgelegt, sondern beziehen die Batterien aus verschiedenen Quellen.

Die Batteriefabriken sind ja das eine, wie aber sieht die Situation bei den Rohstoffen aus. Es gibt ja eine Reihe Wissenschaftler und Institute die vor Engpässen warnen?
Ich sehe nicht, dass wir bei der Rohstoffversorgung in Probleme hineinrennen. Nehmen sie Kobalt als Beispiel. Natürlich gibt es die kritisch zu bewertende Situation, dass etwa 60 Prozent des Kobaltvorkommens im Kongo liegen. Es gibt aber auch relevante Vorkommen in anderen Ländern. Steigt die Nachfrage, werden auch neue Minen in neuen Ländern in Betrieb gehen. Ich setze da auf längere Sicht auf die regulatorische Kraft des Marktes. Ein anderes und bereits sehr gegenwärtiges Thema ist, woher die Rohstoffe kommen und wie diese abgebaut werden.

Polestar: Wandel zur Elektromobilität
Das Drunter wird wichtiger; durch den Wandel zur Elektromobilität gewinnt die Batterie deutlich an Bedeutung und dadurch vor allem der Rohstoffeinkauf – auch bei Volvo
Polestar. (Bild: Polestar)

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie zielen auf die aufkeimende Diskussion ab, dass Rohstoffe wie Kobalt unter teils menschenverachtenden Bedingungen abgebaut werden?
Exakt. Für unsere Marke Volvo ist Nachhaltigkeit auf allen Ebenen ein hohes Gut. Das ist unser Markenkern, den wir mit der Elektromobilität noch weiter stärken wollen. Wir stehen wie keine andere Automarke für Sicherheit, Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit. Da wäre es fatal, wenn wir in Verbindung mit Kinderarbeit oder Ausbeutung gebracht würden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie wollen Sie das verhindern?
Indem wir der Thematik innerhalb unserer Sourcing-Prozesse einen extrem hohen Stellenwert einräumen. Dazu haben wir einen ganz klaren Anforderungskatalog für unsere Lieferanten erstellt. Wir führen mit diesen zum Beispiel Informationsveranstaltungen durch und bieten gezielt Workshops an. Es gibt ganz klare Richtlinien – für den Einkauf wie auch für den Supplier. Beim Sourcing stützen wir uns ausschließlich auf zertifizierte Minenbetreiber und wir sind Mitglied der Conflict Material Initiative der OECD. Wir stehen ganz klar dazu, nur Rohstoffe zu verwenden die unter strikter Achtung der Menschenrechte gewonnen werden. Damit lassen wir es aber nicht bewenden: Wir gehen mit unseren Einkaufsteams vor Ort, um uns selbst ein Bild von der jeweiligen Situation zu verschaffen. Zudem analysieren wir ganz tief die Supply Chain. So können wir sicherstellen, den Tier 1-Lieferanten nicht nur aufzuklären, sondern ihn bei der Umsetzung zu unterstützen. Intern haben wir auch ein spezielles Team gegründet, das sich um das Thema in aller Komplexität kümmert. Das ist meiner Meinung nach der einzige Weg, damit es nicht beim Lippenbekenntnis bleibt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wurden diese Maßnahmen im Rohstoffbereich alle neu initiiert?
Conflict Materials, also Rohstoffe, die aus schwierigen Regionen in der Welt oder aus fragwürdigen Quellen kommen, gab es schon immer. Mit dem Wandel zur Elektromobilität gewinnt das Thema aber eindeutig eine neue Qualität. Bislang war Rohstoff-Einkauf eher vom Preis getrieben, durch die Wichtigkeit der Batterie im Elektroauto gewinnt er definitiv strategische Dimension.

Ihr Mutterkonzern, die Zhejiang Geely Holding, investiert selbst massiv in den Bereichen Batteriezellentwicklung und Batteriefertigung. Sind Sie bei Volvo frei in der Entscheidung über das Batterie-Sourcing?
Natürlich nutzen wir das Netzwerk der Geely-Holding – und das sehr gerne. Denn das ist ja weit über das Batterie-
thema hinaus der Schlüssel für uns, um auf ein ganz neues Effizienzlevel zu kommen. In der Tat sourcen wir auch eine Batterie aus dem Geely-Netzwerk. Wenn Sie aber darauf hinaus wollen, ob wir mehr oder weniger angehalten sind, bei Geely einzukaufen: Das ist nicht der Fall.

Wie ist denn generell die Rollenaufteilung zwischen Volvo und Geely beim Einkauf? Sie haben ja inzwischen eine Vielzahl Modelle der Konzernmarken, die sich die Plattform teilen?
Grundsätzlich ist das so geregelt, dass die Marke, unter deren Hoheit die jeweilige Plattform entwickelt wurde, auch die Hoheit beim Sourcing hat. Bei der SPA-Plattform sind das wir, bei der gemeinsam von Geely und Volvo entwickelten CMA-Plattform, auf der auch der XC40 gebaut wird, ist es Geely. Das gilt natürlich nur für den Bereich der Gleichteile.

Und wie ist das mit den Compliance-Richtlinien: Gelten die Regeln, die Sie sich bei Volvo gesetzt haben, für den gesamten Konzern?
Sowohl in der Volvo Gruppe als auch bei allen Marken der Geely Gruppe gelten heute vergleichbare Richtlinien und Vorgaben. Und die hohen Richtlinien, die sich Volvo selbst gesetzt hat, gelten selbstredend auch für alle in unseren Fahrzeugen verwendeten Teile und Rohstoffe.

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