Exklusiv-Interview

VW-Konzernstratege Sedran: "MEB ist epochal für Volkswagen"

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Thomas Sedran, Leiter VW-Konzernstrategie
Thomas Sedran, Leiter VW-Konzernstrategie: "Es geht in der Strategie 2025 auch stark um Kulturwandel. Es war uns besonders wichtig, eine neue Form der Bescheidenheit zu demonstrieren."

Es gibt viel zu tun – packen wir es an! Der Werbespruch könnte das Lebensmotto von Thomas Sedran sein. Wo er Probleme sieht, packt er beherzt zu. Und mit Müllers Rückendeckung hat er sich ein Netzwerk geschaffen, in dem er die Strategie 2025 vorantreibt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Herr Sedran, beschreiben Sie doch kurz mal die Anfänge der Strategie 2025?
Wir haben im Januar 2016 in einem kleinen Team von 20 Leuten begonnen zu überlegen, wie soll unsere neue Strategie aussehen? Die Frage, die wir uns stellten, war: Wo soll der Konzern in zehn Jahren stehen? Und dann ging alles relativ schnell. Bis zur Verkündung unseres Zukunftsprogramms ‚TOGETHER - Strategie 2025‘ im Juni 2016 hatten wir sechs oder sieben Klausuren, in denen wir dem Konzernvorstand jeweils Zwischenergebnisse und Ideen präsentiert haben und diese auch mit ihm diskutierten. In der alten Strategie 2018 war ein zentrales Ziel, 10 Millionen Autos zu verkaufen und der größte Automobilhersteller der Welt zu sein. Es war eine erfolgreiche, aber zugleich auch eine sehr produktlastige Strategie. Unter dem Aspekt des sich rasant verändernden Kundenverhaltens und des immer stärker werdenden Trends vom Besitzen zum Nutzen gingen unsere Überlegungen in die für uns einzig logische Richtung: Diesen großartigen Automobilhersteller bis zum Jahr 2025 zu einem der weltweit führenden Anbieter nachhaltiger Mobilität zu formen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Diskutierten Sie Alternativen?
Nein, die Richtung war in den Köpfen aller am Strategieprozess Beteiligten klar. Ein Diskussionspunkt war allerdings, ob es „der führende Anbieter nachhaltiger Mobilität“ oder nur „ein führender Anbieter nachhaltiger Mobilität“, heißen muss. Der Konzernvorstand entschied sich für „ein“. Es geht in ‚TOGETHER – Strategie 2025‘ auch stark um Kulturwandel und sonst hätte es wieder nach dem „Old Volkswagen“ geklungen. Es war uns besonders wichtig, eine neue Form von Bescheidenheit zu demonstrieren und dennoch anspruchsvoll in der Zielsetzung zu sein. Matthias Müller steht für die Überzeugung, dass wir in der Welt der autonomen, elektrischen und vernetzten Autos nicht alles selbst entwickeln können. Das heißt, wir wollen und müssen stärker als in der Vergangenheit Partnerschaften eingehen. Das ist ein zentrales Element der Strategie 2025.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Eine wirkliche Transformation des Konzerns …
Wir kommen aus einer sehr erfolgreichen Historie. Volkswagen hat mit seinen starken Marken und seinen faszinierenden Fahrzeugen seit jeher das Leben vieler Millionen Menschen überall auf der Welt geprägt. Gleichzeitig aber standen die Konzernmarken in einem sehr starken, internen Wettbewerb. Dieser Wettbewerb kann Ansporn, aber auch Hindernis sein. Unser Anspruch ist es, diese Erfolgsgeschichte – auch nach dem schweren Schlag der Diesel-Krise – fortzusetzen, in einer Branche, die sich gerade radikal verändert. Bei den zukünftigen Herausforderungen, die wir jetzt zu lösen haben, müssen wir konzernübergreifend viel stärker zusammenarbeiten als bisher und Synergien noch stärker nutzen. Wir haben ganz bewusst die erfolgreiche Strategie 2018 als Absprungbasis für unser Zukunftsprogramm ‚TOGETHER – Strategie 2025’genutzt. – auch um beispielsweise mit der Weiterverwendung der Raute als Symbol Kontinuität zu signalisieren.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Volkswagen bezeichnet sich nun als Vorbild bei Umwelt, Sicherheit und Integrität …
… das ist das Ziel, auch wenn das aus heutiger Sicht anspruchsvoll ist. Wir wollen damit die nächste Evolutionsstufe in unserem Veränderungsprozess signalisieren. Die kommenden Jahre werden ganz im Zeichen des Wandels stehen. Vorbildhaftes sowie wertebasiertes Verhalten ist dabei die Basis für das Gelingen des eingeschlagenen Veränderungsprozesses sowie für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wo und an welcher Stelle grenzen Sie sich von Herrn Jungwirth ab, dem Chief Digital Officer des Konzerns?
JJ verantwortet die Digitalisierungsstrategie für den Konzern. Insgesamt sind das aktuell 14 größere Projekte. Vier davon wurden aufgrund ihrer großen Bedeutung für das Unternehmen zu Konzerninitiativen der Strategie erhoben, um noch stärkeren Fokus darauf legen zu können. Ein Beispiel für so eine Konzerninitiative ist das Thema SDS, also das System für selbstfahrende Fahrzeuge. Auf dem Genfer Autosalon haben wir mit unserem Concept Car Sedric einen ersten Ausblick gegeben, wie wir uns als Konzern die Mobilität der Zukunft vorstellen können. Entstanden ist dies im neuen Group Future Center in Potsdam, in enger Zusammenarbeit mit der Konzernforschung.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wie teilen Sie die Projekte auf?
Unser oberstes Ziel ist es, unser automobiles Kerngeschäft zu transformieren, um den Volkswagen Konzern zukunftsfähig zu machen und unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Ein weiteres zentrales Handlungsfeld ist es, das Geschäftsfeld der Mobilitätsdienste aufzubauen. Für beides entscheidend ist, dass wir unsere Innovationskraft steigern und die Finanzierung sichern. Zum Teil haben unsere Verantwortungsbereiche schon starke Overlaps, aber JJ und ich kommen beide aus Organisationen, wo es nicht primär darauf ankommt, was wer verantwortet. Viel wichtiger ist, dass wir beide an den gemeinsamen Zielen arbeiten. So gibt es dafür beispielsweise einen Steuerkreis unterhalb des Vorstands, wo wir gemeinsam die wichtigsten Entscheidungen fällen. Beispielsweise, welche Dienste von welchem Digital Lab entwickelt werden und mit welchem Budget. Die Group Digital Services leiten wir sozusagen gemeinsam.

Fotoshow: Skodas erstes E-Auto kommt auf 500 Kilometer

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Skoda Vision E Auto China 2017.
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Skoda Vision E Auto China 2017.
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Skoda-Vorsitzender Bernard Maier.
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Skoda Vision E Auto China 2017.
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Christian Strube, Skoda Entwicklungsvorstand.
Thomas Sedran, Leiter VW-Konzernstrategie

AUTOMOBIL PRODUKTION: Können Sie die Konzernstrategie in fünf Sätzen sagen?
Unsere in ‚TOGETHER – Strategie 2025‘ definiertes Ziel ist es, mit unseren aktuell 12 Marken einer der führenden Anbieter nachhaltiger Mobilität zu werden. Wir transformieren das heutige Kerngeschäft, bauen neue Mobilitätsdienste als weitere Säule auf, stärken unsere Innovationskraft insbesondere im Bereich der Digitalisierung, und arbeiten intensiv an der Sicherung unserer Finanzierung für den Wandel. Indem wir parallel auf diesen vier Handlungsfeldern unterwegs sind, schaffen wir die Voraussetzungen, um auch in der Mobilitätswelt von morgen nachhaltig erfolgreich zu sein. Dazu haben wir insgesamt 16 Konzerninitiativen aufgesetzt, die diese Transformation vorantreiben werden. Das sind größtenteils mehrjährige Initiativen und allesamt markenübergreifend. Innerhalb unserer Konzernstrategie hat jede Marke ihre eigene Strategie definiert, wo sie in zehn Jahren stehen will. Aus Konzernsicht geben wir die Leitplanken vor, beispielsweise welche Kapitalrendite wir von jeder Marke erwarten oder welche Liquiditätsziele erreicht werden müssen. Wenn wir über das Pkw-Geschäft sprechen, geht es unter anderem auch darum, welche Kundensegmente sollen die einzelnen Marken verfolgen und mit welchen Produkten. Die Steuerung dieser verschiedenen strategischen Fragestellungen geschieht natürlich immer in enger Abstimmung mit dem Konzernvorstand, den einzelnen Marken des Konzerns sowie den jeweiligen Funktionalbereichen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welche Potenziale sehen Sie noch, die dem Konzern geldwerte Vorteile bringen?
Durch das starke Wachstum der letzten Jahre ist der Volkswagen Konzern immer komplexer geworden und die Entscheidungsprozesse komplizierter und langwieriger. Matthias Müller fordert hier immer wieder ein, Komplexität herauszunehmen, sich um die Dinge zu kümmern, die wirklich wichtig sind und Synergien zu heben. Alle unsere Marken arbeiten deshalb bereits mit Hochdruck daran, die verschiedenen Initiativen umzusetzen und zu implementieren. Wenn wir unsere finanzielle Performance mit relevanten Wettbewerbern im Volumengeschäft oder auch im Premiumgeschäft vergleichen, dann sehen wir schon erhebliche Potenziale, unser Kapital in der Entwicklung aber auch in den Sachinvestitionen besser einzusetzen. Wenn man sich auch noch anschaut, wie hoch unsere Fixkosten sind, sehe ich ebenfalls wesentliche Potenziale, effizienter zu werden. Im Rahmen unseres Zukunftsprogramms streben wir deshalb bis 2025 für den Volkswagen Konzern eine Steigerung der Operativen Rendite auf zwischen 7 bis 8 Prozent an.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Hat die Einführung der Baureihen-Organisation noch nicht den gewünschten Effekt gebracht, dass Entscheidungen schneller, zügiger und unternehmerischer kommen?
Die Einführung der Baureihenorganisation in den Marken beginnt kontinuierlich zu wirken. Man muss aber auch bedenken, dass dies eine gewaltige kulturelle Veränderung ist. Vorher war es die Entwicklung, die entschieden hat, was in das Auto reinkommt und jetzt ist es ein Baureihenchef, der Produktion, Entwicklung, Vertrieb und Einkauf unter einen Hut bringen muss.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Schaffen Sie bis 2025 auch die optimale Organisation im Volkswagen Konzern?
Wenn Sie mich so fragen, die optimale Organisation gibt es nicht. Jede Organisationsform hat ihre Stärken und Schwächen. In der Regel ist es ein Pendel, das so ein bisschen schwingt. Im Moment ist es notwendig, dass wir dezentraler werden und den Marken mehr Verantwortung für ihr operatives Geschäft übertragen. Wobei man da auch sehr unterscheiden muss, über welche Marke man spricht man. Eine Sport- und Luxusmarke wie Porsche kann man stark aus Zuffenhausen heraus führen, weil die Kundenbedürfnisse der Porsche-Kunden weltweit relativ homogen sind. Bei den Volumenmarken wie Volkswagen oder Skoda mit ihren um ein Vielfaches heterogeneren Kundenschichten, muss man schon sehr viel stärker regional denken. Wenn Sie beispielsweise Südamerika nehmen: Hier müssen Sie andere Designs nehmen, als wenn Sie ein Auto derselben Größe in Russland oder in Westeuropa verkaufen wollen. Da haben wir noch einen großen Schritt vor uns, den die Marken aber auch selbst stark vorantreiben. Der Vertriebsleiter der Marke Volkswagen für Nord- und Südamerika und sein fast 100-köpfiges Team sitzen deshalb auch nicht mehr in Wolfsburg, sondern in der Region.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie sind sozusagen als Leiter der Konzernstrategie der „Mr. VW-Transformator“?
So würde ich mich ungern bezeichnen. Ich sehe meine Hauptaufgabe darin, die Transformation des Konzerns in den strategischen Dimensionen zu steuern und zu orchestrieren. Die evolutorischen Dinge in den Marken und Märkten treiben die Kollegen in der Praxis viel besser und alleine voran. Aber da, wo wir das Gefühl haben, einspringen zu müssen, versuchen wir den Kollegen zu helfen, die richtigen Entscheidungen zu fällen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Haben Sie dafür auch ein Team - wer unterstützt Sie dabei?
Mein Team umfasst heute rund 60 Leute für alle Aufgabenbereiche. Damit sind wir um einiges schlanker aufgestellt, als dies bei einigen Mitbewerbern der Fall ist. Diese schlanke Struktur beschleunigt nicht nur den Entscheidungsprozess, sondern stärkt auch die Vernetzung zu den Marken und Funktionalbereichen, da wir diese aus Kapazitätsgründen frühzeitig in die Umsetzung einbinden müssen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wo steht der Konzern auf seinem Weg der Transformation?
Etwas mehr als ein dreiviertel Jahr nach der Vorstellung von ‚TOGETHER – Strategie 2025‘ stehen wir noch relativ am Anfang unseres Weges. Aber was sich seither an einigen Stellen getan hat, ist doch sehr beachtlich. Zum Beispiel sind wir beim Thema Elektromobilität und MEB bereits unheimlich schnell und auch sehr konsequent unterwegs. Weitere Beispiele sind MOIA, unser neues Unternehmen für Mobilitätsdienste, das wir im Dezember 2016 gelauncht haben oder in China das mit JAC angestoßene Gemeinschaftsunternehmen für preiswerte E-Autos.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Die meisten Experten loben den MEB ebenfalls als sehr konsequente Form der Elektromobilität …
Da haben Sie vollkommen Recht und das freut uns alle auch. Dieses Lob muss man an die Marke Volkswagen weitergeben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Wer ist denn der Vater des MEB – Herr Diess?
Ganz klar: Herbert Diess und Christian Senger. Der MEB (Modularer Elektrifizierungs-Baukasten) ist ein sehr mutiger Schritt und wird ebenso epochal für Volkswagen, wie jener damals vom Käfer zum Golf. Wir haben uns als Konzern zum Ziel gesetzt, dass in 2025 rund 20 bis 30% unseres Fahrzeugabsatzes auf Elektroautos entfallen. Dafür stellen wir jetzt alle nötigen Weichen und entwickeln unter der Federführung der Marke Volkswagen Pkw den MEB, auf dem wir eine ganze Reihe von unterschiedlichen E-Modellen verschiedener Marken aufsetzen können, die den Bedürfnissen und den Preiserwartungen der Kunden entsprechen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das erste MEB-Fahrzeug in Golfgröße soll 2020 für ungefähr 25.000 Euro auf den Markt kommen …
Der I.D. der Marke Volkswagen wird eine neue Ära der E-Mobilität einläuten. Er wird das erste Fahrzeug sein, das auf unserem MEB basiert, bis zu 600 Kilometer Reichweite haben und preislich auf dem Niveau eines Golf TDI liegen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Aber warum kaufen so wenig Menschen ein Elektroauto?
Aus meiner Sicht sind es aktuell drei Faktoren, die den E-Fahrzeug-Absatz noch bremsen: Preis, Reichweite und Ladeinfrastruktur. Aber in dem Maße, in dem der Preis sinken und die Reichweite, sprich Alltagstauglichkeit, steigen wird, werden mehr und mehr Menschen auf die E-Mobilität umsteigen. Eine tragende Rolle dabei spielt natürlich auch die öffentliche Ladeinfrastruktur – diese muss parallel jetzt zügig ausgebaut werden.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Fehlt dafür der Druck oder die finanziellen Mittel?
Wenn man davon ausgeht, dass in naher Zukunft 20 bis 30 Prozent der Fahrzeuge bald elektrisch unterwegs sein sollen, ist eine Ladeinfrastruktur, die den Bedürfnissen der E-Fahrzeug-Nutzer gerecht wird, das A und O. Das Thema Ladeinfrastruktur gehen wir seitens der Automobilindustrie nun aktiv und mit Nachdruck an: Porsche und Audi haben zu diesem Zweck mit anderen OEMs ein Joint Venture für Schnellladestationen entlang von Autobahnen gegründet.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ist das denn bis 2020 zu regeln?
Nein, aber es muss ja nicht alles bis dahin fertig sein.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Haben Sie sich im Konzern schon auf ein paar Standards geeinigt? Welcher Stecker in den Autos konzernweit verbaut wird oder wie das Laden dann bezahlen?
Alle Elektrofahrzeuge des Volkswagen Konzerns werden mit dem „Typ-2-Stecker“ (auch als „Mennekes-Stecker“ bezeichnet) ausgerüstet werden, der auch bei den anderen großen OEMs Einsatz findet. Vor kurzem haben wir uns an Hubject beteiligt, der führenden e-Roaming-Plattform für europaweites Laden von Elektrofahrzeugen. Dieses grenzüberschreitende Bezahlsystem werden wir in unser Ökosystem integrieren und hier können alle unserer Marken teilnehmen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie wollen, besser Sie müssen Geld verdienen. Was ist da die Rolle der Batterie bei der Rendite und wo will Volkswagen als Konzern hin?
Die Batterie ist das Herzstück der E-Mobilität. Gleichzeitig ist sie auch ein sehr großer Kostenbestandteil des Fahrzeugs und wird in hohem Maße die Leistungsfähigkeit und die Qualität des Fahrzeugs bestimmen: Reichweite, Schnellladefähigkeit aber auch Beschleunigung spielen eine Rolle. Wir machen deshalb die Batterietechnologie zu einer Kernkompetenz des Konzerns und schauen uns die gesamte Prozesskette an, um auf Augenhöhe mit den heutigen großen Batterieherstellern kommunizieren zu können. Wir haben als Volkswagen Konzern in absehbarer Zeit einen gewaltigen Batteriebedarf und diesem müssen wir sicherstellen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Gibt es dazu schon eine Entscheidung?
Das Entscheidende im ersten Schritt ist, dass wir intern das Know-how in Sachen Batterie umfassend etablieren. Deshalb haben wir nur entschieden, im Rahmen unsere „Centers of Excellence für Batterie“ eine Pilotfertigung für Lithium-Ionen-Batterien aufzubauen. Ob eine komplette Inhouse-Produktion einmal sinnvoll ist, werden wir zu einem späteren Zeitpunkt sehen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Welches Zellformat peilen Sie an – prismatisch, runde oder Pouch-Zellen ?
… welche Zelle, ist noch nicht entschieden. Parallel zur Lithium-Batterie legen wir einen starken Fokus unserer Anstrengungen auf die sogenannte Feststoffbatterie, die die nächste Batterie-Generation darstellt.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das hätte welchen Vorteil?
Heute haben wir einen gewissen Anteil an Lithium und Nickel in der Batterie. Der Nickelanteil erhöht sich über die nächsten Generationen. Das geht dann bis zu dieser 8-1-1-Zelltechnologie, das wird 2020, 2022 der Standard sein. Die Feststoffbatterie bringt dann noch einmal 20 bis 30 Prozent an Energiedichte und damit weniger Gewicht ins Fahrzeug oder mehr Reichweite. Das ist auch für die heutigen Batteriehersteller noch einmal ein Sprung in der Technologie.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Warum machen Sie das nicht zusammen mit einem großen Zulieferer oder nach dem HERE-Konzept mit mehreren Partnern zusammen?
Jeder Automobilhersteller verfolgt seine eigene Strategie in Sachen Elektromobilität – sowohl was die Batteriezelle betrifft als auch das E-Fahrzeug an sich. Die Zellchemie spielt eine große Rolle, was die Leistungsfähigkeit und die Dauerhaltbarkeit der Batterie angeht. Hinzu kommt auch noch, dass aufgrund ihrer Fahrzeugcharakteristika ein Audi oder ein Porsche eine andere Zellchemie benötigen als beispielsweise ein Volkswagen.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Inwiefern?
Ein Sportwagen von Porsche beispielsweise fährt auf einer höheren Spannung und da muss die Batterie schneller Energie liefern. Gerade dann, wenn der Porsche-Fahrer von Null auf 100 km/h in drei Sekunden beschleunigt. Für einen klassischen VW-, Skoda- oder Seat-Kunden sind für den Sprint auf 100 km/h auch sechs Sekunden zufriedenstellend. Das heißt im Umkehrschluss, da muss die Batterie nicht so schnell laden und entladen. Und diese Eigenschaften stecken in der Zellchemie.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Dann brauchen Sie ja mehrere Varianten an Batterien, vielleicht sogar auch an Zellen?
So ist es.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie wollen angeblich bis Jahresende entscheiden, was Sie zum Thema Batterien machen. Korrekt?
Wir werden in diesem Jahr auch damit beginnen, unseren Stufenplan „Batterie“ auszurollen. Unser „Center of Excellence“ unter Führung der Leadmarke VW soll im zweiten Quartal 2017 seine Arbeit aufnehmen.
Es übernimmt die Verantwortung für die Entwicklung, Beschaffung und Qualitätssicherung aller Batteriezellen und -module im Konzern. Ebenso bauen wir innerhalb des „Centers auf Excellence“ schrittweise Verfahrenskompetenz auf. Ab 2018 über eine Laborlinie und voraussichtlich ab 2020 über eine eigene Pilotlinie. Parallel dazu befinden wir uns in fortgeschrittenen Gesprächen über den Aufbau von Partnerschaften zum Thema Batteriezellen. Wir gehen davon aus, dass wir die Gespräche noch in diesem Jahr abschließen können.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Sie wollen das Knowhow aber in Deutschland belassen, als zukünftige Kernkompetenz?
Wie bereits schon erwähnt, ich bin der festen Überzeugung, wir brauchen die Spezifikationskompetenz für die Chemie und die Fertigungsverfahren. Wenn wir auch in Sachen Elektromobilität eine führende Rolle einnehmen wollen, müssen wir als Konzern hier Gas geben. Die Batteriefertigung ist nicht nur Know-how- und kapitalintensiv, sie ist natürlich auch sehr energieintensiv. Bei den heute üblichen Energiekosten ist Deutschland hier im Vergleich zu anderen Ländern aktuell klar im Nachteil. Wir versuchen natürlich eine Lösung zu finden, schließlich tragen wir auch Verantwortung für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

VW Strategie
Infokasten Serdran

AUTOMOBIL PRODUKTION: Was ist Ihr Lieblingsprojekt?
Mir sind alle Projekte, die wir derzeit am Start haben extrem wichtig. Aber es gibt doch eine Fragestellung, die mir besonders am Herzen liegt, da diese für die Zukunft des Volkswagen Konzerns von richtungsweisender Bedeutung ist. Wie sollen unsere Pkw-Marken künftig positioniert sein?

AUTOMOBIL PRODUKTION: Das hört sich nach einem anstrengenden Thema an …
Ja klar (lacht), das bringt der Job so mit sich. Dazu gehört es auch kritische und kontroverse Themen anzusprechen. Es macht aber auch Freude, Neues anzustoßen und zu sehen, hier geht etwas voran. Mein Ziel ist nicht, dass alle sagen, der Sedran ist ein netter Typ. Dann hätte ich meinen Job nicht richtig gemacht.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Ein Thema, das polarisiert, ist Ihre neue Partnerschaft mit Tata Motors in Indien?
Wenn Sie über den Genfer Autosalon gehen und sich Fahrzeuge von Wettbewerbern auf preissensiblen Märkten ansehen, dann finden Sie einfache technische Lösungen, die auch für den Volkswagen Konzern interessant sein können. Es gibt viele Märkte mit Kunden, die nur ein Budget von 8.000, 9.000, 10.000 Euro haben, aber gleichzeitig auch ein schönes Auto wollen und dafür gerne bereit sind, auf bestimmte Dinge zu verzichten. Solche Angebote für unsere Kunden zu finden und zu entwickeln, finde ich unheimlich wichtig und spannend. Da machen wir mit der geplanten strategischen Allianz mit Tata Motors und dem JAC Joint Venture erste Schritte in die richtige Richtung.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Hat Volkswagen die Partnerschaften für sich neu entdeckt – vielleicht auch, weil VW nicht mehr ganz so selbstbewusst auftritt?
Wir sind weiterhin selbstbewusst, aber ich hoffe, dass wir bescheidener auftreten als früher.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Und das hilft?
Es ist eine zwingende Voraussetzung. Partnerschaften funktionieren nur, wenn man zuhört und die Position des Partners respektiert. Dies ist uns in China ja auch über viele Jahre hinweg gelungen. Wir sind in China aus meiner Sicht so erfolgreich, weil wir da sehr eng mit zwei Partnern in Joint Ventures zusammenarbeiten und die eben auch, sage ich mal, uns erklären, was der chinesische Kunden braucht oder auch nicht braucht.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Bezüglich der Rendite holt der Konzern aber erst ab 2020 richtig Schwung ...
Nicht nur wir, die gesamte Automobilindustrie, die zwischen 2017 und 2022 oder 2023 eine unfassbare parallele Entwicklung nehmen wird, steht vor großen Herausforderungen. Wir müssen die ganze Verbrennungstechnologie auf die neue, ab 2020 in Kraft tretende CO2-Gesetzgebung einstellen. Zudem investieren wir massiv in die Elektromobilität und bauen das Geschäftsfeld der neuen Mobilitätsdienstleistungen auf. Da reden wir von Milliarden-Investitionen, die finanziert werden müssen. Nichts desto trotz bin ich der festen Überzeugung, dass wir mit ‘TOGETHER – Strategie 2025‘ eine überzeugende Roadmap mit einem realistischen Renditeziel auf den Weg gebracht haben.

AUTOMOBIL PRODUKTION: Kompliment. Man merkt, Sie lieben Ihren Job.
Das Schöne ist, wir ziehen alle an einem Strang. Erst kürzlich sind die Teams von JJ und mir fünf Stunden lang alle Projekte durchgegangen. Wer macht was und wie können wir uns gegenseitig helfen. Genauso mache ich das mit den Marken auch. Egal ob bei VW, Audi oder Porsche – mittlerweile rufen deren Chef-Strategen bei mir an und sagen, ich hab‘ da ein Thema, kannst du mir helfen. Für mich ist es wie in einer erfolgreichen Fußballmannschaft, in der jeder seine besonderen Fähigkeiten hat, einen anderen Charakter und wo eine Eigendynamik im Team entsteht. Ja, Sie haben Recht, der Job macht mir extrem Spaß.