Anfang des Jahres hatte es bei den Kooperationsgesprächen zwischen Ford und Volkswagen noch gehakt. Wie man hört, zeigte Ford ebenso wenig Enthusiasmus wie bei seinen Allianzen mit Mahindra in Indien sowie Zotye in China. Doch Volkswagen-Chef Herbert Diess wollte mehr; eine große Lösung, um mehr Druck in Sachen Elektromobilität zu machen und insbesondere ein Signal in Sachen Zulieferer zu setzen. Jetzt können sich VW und Ford gleichermaßen freuen. Volkswagen hat mit Ford einen ebenso imageträchtigen wie volumenreichen Nutzer seines modularen Elektrobaukastens gefunden und Ford kann überspielen, dass man die Elektromobilität weitgehend verschlafen hat.
"Unsere globale Allianz wird immer vielversprechender. Wir prüfen bereits weitere Felder, in denen wir zusammenarbeiten könnten", so VW-Konzernlenker Herbert Diess. Volkswagen und Ford erweitern ihre Anfang des Jahres geschlossene Allianz. Ford nutzt Volkswagens modularen Elektrifizierungsbaukasten (MEB) und wird ab 2023 ein Elektroauto auf den europäischen Markt zu bringen, von dem rund 600.000 Exemplare gebaut werden sollen. Über ein zweites Modell denken die Amerikaner bereits nach. "In dem wir eine ganze Reihe von Synergien in verschiedenen Bereichen nutzen, können wir die Stärke unserer Allianz in diesem Zeitalter der intelligenten Fahrzeuge in einer smarten Welt auf einer globalen Ebene demonstrieren", legt Ford-CEO Jim Hackett nach.
Als die Kooperationsgespräche vor mehr als einem Jahr hinter verschlossenen Türen begannen, sollte es an sich nur um Pick-ups und das autonome Fahren gehen. Volkswagen wollte sich breiter als bisher auf dem amerikanischen Markt aufstellen, nachdem der US-Passat ebenso wie die Limousinen von Blue Oval zunehmend unter Druck geriet. Wer in den USA erfolgreich sein will, kommt um große Pick-ups nicht herum. Genau daran fehlte es Volkswagen, denn der VW Amarok wurde vor Jahren nur für die Märkte in Südamerika, Asien und Europa konzipiert. Zu klein und insbesondere zu teuer war der 5,25 Meter lange Koloss. In den USA muss man im sogenannten Full-Size-Segment gegen Ford F-150, Chevrolet Silverado und Dodge Ram antreten, um zu punkten.
Zulieferer sollen investieren
Ford suchte mit Fokus auf den heimischen US-Markt Partner für das autonome Fahren, das sich letztlich bei allen Herstellern als deutlich teurer und aufwendiger als ehemals gedacht entpuppte. Als man bei den verschiedenen Treffen über Themen wie autonomes Fahren, Pick-ups und leichte Nutzfahrzeuge schließlich zu Elektroplattformen kam, brachte Volkswagen seinen modularen Elektrobaukasten MEB ein. Mit dem ID. Buggy hatte Volkswagen im Herbst 2018 erstmals die Tür für andere Nutzer geöffnet, das elektrische Skateboard für eigene Modelle zu nutzen. Die technische Plattform mit Motor, Antrieb und Akkupaket kommt von Volkswagen und wird nunmehr von der Ford Motor Company in Lizenz produziert. Somit reicht es aus, für die entsprechenden Karosserien zu sorgen.
Für Volkswagen ist die Kooperation mit Ford nicht nur ein starkes Signal nach innen und außen, sondern sorgt auch für Rückenwind in Sachen Zulieferer. Speziell in den USA waren vielen Zulieferern die in Aussicht gestellten Elektrovolumen des VW-Konzerns zu klein, als dass sie in die Vollen gegangen wären. Jetzt, da VW und Ford gemeinsam an einem Stromkabel ziehen, lohnt es sich auch für Zulieferer, mehr zu investieren, um zum Beispiel entsprechende Standorte nahe dem Volkswagen-Werk in Chattanooga zu errichten. VW-Einkaufschef Stefan Sommer verwies vor kurzem darauf, dass einige Zulieferer die kurz- und mittelfristige Vision und den Optimismus von Volkswagen hinsichtlich des Wachstums des EV-Marktes nicht teilen und nicht bereit seien, selbst die notwendigen Investitionen zu tätigen. "Nicht jeder Zulieferer ist davon überzeugt, dass Elektromobilität in so großem Umfang verfügbar sein wird", beklagte Stefan Sommer gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, "sie müssen mehr Zeit darauf verwenden, sie davon zu überzeugen, in die Autoindustrie zu investieren."
Doch Volkswagen und Ford kooperieren nicht allein beim Thema Elektroantrieb. Eine zweite Mammutaufgabe, die beide gemeinsam schultern wollen, ist das autonome Fahren. VW und Ford bringen sich zu gleichen Teilen beim Start-up "Argo AI" ein, das sich aufs autonome Fahren spezialisiert hat. Volkswagen investiert 2,6 Milliarden Dollar - davon eine Milliarde direkt und 1,6 Milliarden als Sachwerte, denn die Niedersachsen bringen ihre eigene Roboterauto-Division "Autonomous Intelligent Driving" im Wert von 1,6 Milliarden Euro und 200 Mitarbeiter mit in die Ehe. Das AID-Hauptquartier wird in München bleiben und so wird "Argo AI" weltweit 700 Mitarbeiter haben - bisher waren es 500. Argo AI hatte jüngst seine selbstfahrende Testflotte der dritten Generation angekündigt und hat sein Testprogramm im Raum Detroit ausgebaut. Derzeit sind autonome Testfahrzeuge in Städten wie Pittsburgh, Palo Alto, Miami, Washington und Dearborn unterwegs. Außerdem wird der niedersächsische Autobauer in den nächsten drei Jahren Fords Anteile an Argo AI für 500 Millionen Dollar erwerben. Das Ziel ist mit Level vier des autonomen Fahrens dabei hoch gesteckt. Damit soll die Zusammenarbeit jedoch noch längst nicht beendet sein, denn offenbar denken beide Parteien über eine weitere Intensivierung der Kollaboration nach.