BMW Werk Rosslyn Südafrika

Die BMW Group South Africa orientiert sich an dem Motto „Wir bauen mehr als nur Autos“ und fördert dieses Empowerment durch Weiterbildung. (Bild: BMW)

Wenn Sie raten müssten, wo das erste BMW-Werk außerhalb von Deutschland gebaut wurde, was würden Sie tippen? USA? Osteuropa? China? Dann lägen Sie leider falsch, denn die internationale Expansion der Münchener Automobilherstellers begann 1973 mit einem Werk im südafrikanischen Rosslyn, welches demnach zuletzt sein fünfzigjähriges Bestehen zelebrierte. Sowohl für den OEM als auch für die lokale Wirtschaft spielt die Fabrik nordwestlich von Pretoria daher eine bedeutende Rolle. Mit 12,5 Prozent der nationalen Exporte leistet die Automobilindustrie einen erheblichen Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilität in Südafrika. Sie schafft Arbeitsplätze, die weit über der Qualifikationsanforderung anderer Branchen wie Bergbau oder Landwirtschaft liegen. „Der Einfluss der Automobilindustrie in Südafrika ist enorm. Und dabei handelt es sich um einen massiven Beitrag zum Erfolg des Landes, aber auch um einen Beitrag zur Entwicklung der Menschen”, kommentiert Ernst Kohlmeyer, General Manager Quality bei BMW South Africa, bei einem Rundgang über das Werksgelände gegenüber Automobil Produktion.

Das BMW-Werk Rosslyn beispielsweise beschäftigt 2.600 Mitarbeiter direkt und trägt durch nachgelagerte Effekte zur Schaffung von bis zu 50.000 indirekten Arbeitsplätzen bei. „Diese Arbeitsplätze zu schaffen ist etwas, worauf wir sehr stolz sind. Allgemein haben wir eine Menge Leidenschaft für das, was wir tun. Das ist sozusagen unser roter Faden,” so Kohlmeyer. Der südafrikanische Standort hat in seiner langen Geschichte mehrere Produktionszyklen durchlaufen. Ursprünglich wurden verschiedene Modelle, darunter die 3er-, 5er- und 7er-Serien, gefertigt. Eine bedeutende Wende kam 1993, als das Werk sich auf die 3er-Serie spezialisierte, beginnend mit dem E36 bis hin zum F30. Im Jahr 2018 erfolgte die Umstellung aufdie Produktion des BMW X3, was eine technologische und organisatorische Herausforderung darstellte.

Ein neues Kapitel für Qualifizierung in Südafrika

Im selben Jahr wurde das Produktionsgelände daher um ein neues Trainingszentrum ergänzt, das Rosslyn im Bereich Aus- und Weiterbildung auf ein neues Niveau heben sollte. Mit einer Investition von 73 Millionen Rand und einer Fläche von 6.000 Quadratmetern bietet die Einrichtung Platz für 300 Auszubildende pro Jahr. Das neue Zentrum deckt drei wesentliche Ausbildungsbereiche ab: Im Bereich Führung und Soft Skills werden Kompetenzen vermittelt, die für Führungspositionen und die Zusammenarbeit im Team entscheidend sind. In der klassischen Ausbildung liegt der zentrale Schwerpunkt auf der Förderung junger Talente in technischen Berufen. Zu guter Letzt bietet BMW technisches Training für alle Beschäftigten an, um sie speziell für die Wartung und den Betrieb moderner Produktionsanlagen zu schulen.

Die Trainingsräume bilden ein Spiegelbild der Produktionsrealität im Werk ab – allerdings im kleineren Maßstab. Beispielsweise wird an Miniatur-Förderbändern gearbeitet, die dieselbe Hard- und Software nutzen wie die Produktionsanlagen. „Statt separate Ausrüstung für Schulungen und Tests zu verwenden, sind die Trainingseinrichtungen für die Produktionsteams verfügbar, um Test und Simulationen durchzuführen. Auf diese Weise sparen wir Kosten und nutzen unserer Einrichtung optimal aus", erläutert Rui Coelho, Technical Trainer in Rosslyn. Mit der Einführung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen auf dem südafrikanischen Markt war es notwendig, spezielle Schulungen für Hochvolttechnologie zu entwickeln. Diese Qualifikationen sind gesetzlich vorgeschrieben, wenn Mitarbeiter an elektrifizierten Fahrzeugen arbeiten.

Um über die gesetzlichen Anforderungen hinaus zu qualifizieren und an der Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie der hohen Arbeitslosigkeit vor allem unter jungen Menschen in Südafrika mitzuwirken, orientiert sich die Ausbildung im Trainingszentrum an den Anforderungen für Handwerksberufe, die durch standardisierte „Trade Tests“ reguliert werden. Neben technischen Grundlagen wie Elektrik, Mechatronik und Bremsentechnik erlernen die Teilnehmer so zum Beispiel auch Fertigkeiten wie Hausverkabelung und DTI-Ausrichtung. Im akkreditierten Trade Test, das in das Gebäude integriert wurde, können die Lernenden zusätzliche Fachqualifikation direkt vor Ort erwerben – ein Angebot, das auch der breiten Öffentlichkeit zugutekommt. Denn durch die standardisierte Ausbildung steigen die Chancen derjenigen, die nicht von BMW übernommen werden können, eine entsprechende Position außerhalb des Werkes zu finden. 

BMW Rosslyn Südafrika Trainingszentrum
Eine Investition von rund 73 Millionen Rand in die neue Qualifikationsstätte ermöglichte unter anderem ein akkreditiertes Handwerksprüfungszentrum, das es Lernenden ermöglicht, ihre Berufsqualifikation intern zu erwerben. (Bild: BMW)

Neuer X3 führt Rosslyn in eine elektrisierende Ära

Mit dem Produktionsstart der nächsten Generation des BMW X3 beginnt im Werk Rosslyn ein neues Kapitel. Seit dem Oktober 2024 wird der neue BMW X3 dort für den weltweiten Export gefertigt. Das Werk ist zudem die einzige Produktionsstätte im globalen BMW-Produktionsnetzwerk, die den BMW X3 als Plug-in-Hybridfahrzeug (PHEV) herstellt. Zuvor lief Ende August die Produktion der dritten Generation des BMW X3 aus, von dem in Rosslyn 403.114 Einheiten gefertigt wurden – ein Meilenstein in der Produktionshistorie. Die vierte Generation spielt eine Schlüsselrolle in der strategischen Elektrifizierungs-Roadmap der BMW Group und stellt gleichzeitig die Fähigkeiten des Werks Rosslyn unter Beweis, das in einem Drei-Schicht-Betrieb auf die gestiegenen Anforderungen der globalen Nachfrage reagiert. Mit einer Investition von 4,2 Milliarden Rand, umgerechnet rund 220 Millionen Euro, in die Elektrifizierung und Digitalisierung der Produktionsstätte setzt BMW in Südafrika weiterhin auf Transformation und Kompetenzentwicklung. 

Das Vorantreiben der Elektrifizierung gesellt sich zu den anderen Nachhaltigkeitsbestreben class="NormalTextRun SCXW204112230 BCX8">, die integraler Teil der Strategie von BMW in Rosslyn sind. Das Werk hat seit 2018 den Wasserverbrauch um 40 Prozent gesenkt und nutzt innovative Ansätze wie Regenwasserauffangsysteme und Grundwasserrecycling, um die Ressourcennutzung zu optimieren. Ein neu installierter Prozessofen in der Lackiererei hat den Gasverbrauch um 30 Prozent reduziert, während Volatile Organic Compounds (kurz VOC, bei denen es sich um organische Chemikalien handelt, die bei niedrigen Temperaturen leicht verdampfen und sowohl aus natürlichen Quellen als auch aus Farben, Lacken, Kraftstoffen und Reinigungsmitteln stammen können) um 97 Prozent gesenkt wurden. 

Nachhaltigkeit spielt in Rosslyn eine besondere Rolle

Seit 2021 wird kein Abfall mehr auf Deponien entsorgt. Stattdessen werden zusammen mit dem Baustoffhersteller Envirolite Materialien wie Polystyrol in umweltfreundliche Ziegel umgewandelt, die für soziale Projekte, aber auch für den Bau von Werkseinrichtungen genutzt werden. So auch für das neue Logistiklager, das speziell für die Unterstützung der Produktion des neuen BMW X3 Plug-in-Hybrids konzipiert wurde und entsprechend ebenfalls Anfang Oktober eröffnet wurde. Die Ziegel bieten eine hervorragende Wärmeisolierung, wodurch der Energiebedarf für Heizung und Kühlung deutlich reduziert wird. Ergänzt wird dies durch eine Photovoltaikanlage, die den Tagesenergiebedarf deckt, und energieeffiziente Beleuchtung – Maßnahmen, die das Lager zu einem der nachhaltigsten Gebäude des BMW-Konzerns in Südafrika machen.

Zu den technischen Besonderheiten des Lagers zählen zudem transparente Fassadenpaneele, die für natürliches Licht sorgen, individuell dimmbare LED-Beleuchtung, KI-gesteuerte Überwachungssysteme sowie witterungsbeständige Andockstationen für den Schutz der angelieferten Komponenten. „Nachhaltigkeit ist wesentlicher Bestandteil unserer Strategie und wir sind bestrebt, mit jeder Veränderung im Werk einen Schritt besser zu werden. Das neue Lager spiegelt unsere Vision für ein hochmodernes Werk wider, in der wir den neuen BMW X3 PHEV produzieren", kommentiert Werkleiter Niklas Fichtmüller.

BMW Werk Rosslyn Südafrika
Ein neues 5.200 Quadratmeter großes Lager dient der Lagerung von Teilen für den neuen BMW X3 PHEV. (Bild: BMW)

Lackiererei treibt Modernisierungen voran

Darüber hinaus hat Rosslyn in erneuerbare Energien investiert. Ein bedeutender Anteil des Energiebedarfs wird durch Biogas gedeckt, und das Werk hat sich aktiv an der Entwicklung von grünem Wasserstoff beteiligt, um alternative Antriebstechnologien zu erforschen. Diese Maßnahmen unterstreichen das Engagement des Werks, nicht nur emissionsfreie Fahrzeuge zu produzieren, sondern auch die Fertigungsprozesse umweltfreundlich zu gestalten, so auch in der Lackiererei. „Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass wir im Werk einer der größten Verbraucher von Elektrizität und Wasser sind”, macht Product and Structure Planner Tanja Ottermann deutlich. „Deshalb arbeiten wir konstant an neuen Initiativen, um unseren Verbrauch zu reduzieren und mit den nachhaltigsten Technologien in die Zukunft zu gehen.”  

Ein zentrales Projekt war die Einführung eines neuen integrierten Lackierprozesses (Integrated Paint Process, IPP), der durch den Ersatz des alten Decklackofens mit einem Ofen auf Basis einer Nachverbrennungstechnologie signifikante VOC-Reduktionen. Zusätzlich hat der Paint Shop ein innovatives Wassermanagementprojekt realisiert, bei dem Wasser aus der Montagehalle recycelt und für die Lackierprozesse wiederverwendet wird. Mithilfe eines neuen Rohrleitungssystems wird das gebrauchte Wasser in die Lackiererei geleitet, gereinigt und anschließend in den Prozessen eingesetzt. Diese Initiative, die in enger Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen Montage, Produktionsplanung und Lackiererei entwickelt wurde, stellt einen wichtigen Schritt zur Ressourcenschonung dar. 

Wie meistert Rosslyn die Integration neuer Fahrzeugmodelle?

Neben den Nachhaltigkeitsmaßnahmen hat die Lackiererei bedeutende technologische Verbesserungen eingeführt, insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung eines neuen Fahrzeugmodells. Die Erweiterung der Sealer Line, die für den Auftrag von PVC und schalldämpfenden Materialien zuständig ist, ermöglichte die Einführung modernster Technologien, während die laufende Produktion parallel fortgeführt wurde. Dabei wurden alle Änderungen so gestaltet, dass sie die Qualität nicht beeinträchtigen. Hervorzuheben ist auch der hohe Automatisierungsgrad der Prozesse in der Lackiererei, bei dem der Großteil aller Anwendungen automatisiert erfolgen. Lediglich Nacharbeiten und das Maskieren werden manuell durchgeführt. 

Die Umstellung auf die Produktion des aktuellen BMW X3 erforderte einen kompletten Neubau der Karosseriebau-Linie. Mit der Integration von 345 Robotern – darunter 42 zusätzliche für die jüngsten Projekte – und innovativen Verbindungstechniken will Rosslyn neue Standards setzen. Insgesamt werden sechs verschiedene Fügeverfahren eingesetzt, darunter sowohl „kalte“ Klebeverbindungen als auch „warme“ Schweißverfahren. Diese Vielfalt ermöglicht es, unterschiedlichste Materialien wie Aluminium, Stahl und hochfeste Verstärkungsteile optimal zu verarbeiten. 

Präventive Wartung als Schlüssel zu hoher Anlagenverfügbarkeit

Mit einem Produktionstakt von rund 16 Einheiten pro Stunde, was etwa 345 Fahrzeugen pro Tag entspricht, verfolgt das Werk ein ambitioniertes Ziel: maximale Effizienz ohne Qualitätsverlust. Ein Push-Pull-System sorgt dafür, dass Lackiererei und Montage reibungslos an den Karobau anschließen können. Um dies zu gewährleisten, kommen Inline- und Offline-Messsysteme zum Einsatz, die die Maßhaltigkeit der Karosserien sicherstellen und potenzielle Fehler frühzeitig identifizieren.

Ein weiteres Highlight ist die Fähigkeit des Werks, neue Modelle nahtlos in bestehende Produktionslinien zu integrieren. Dies erfordert jedoch umfangreiche Anpassungen, wie den Austausch von Stationen und die Validierung neuer Komponenten. Trotz dieser Herausforderungen hat das Werk erfolgreich die Voraussetzungen für die Produktion des neuen X3 geschaffen, ohne den laufenden Betrieb zu beeinträchtigen. Spezialisierte Teams analysieren die Produktionslinien wöchentlich, identifizieren Engpässe und entwickeln Verbesserungen. Diese Methode, kombiniert mit einer strikten präventiven Wartung, sorgt für hohe Anlagenverfügbarkeit und eine optimale Nutzung der Produktionsressourcen.

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