Knapp zwei Autostunden südöstlich von Hanoi befindet sich inmitten eines ehemaligen Sumpfgebietes die automobile Zukunft Vietnams. Zumindest wenn es nach Vinfast geht, dem heimischen OEM. Nahe der Stadt Hai Phong haben die Asiaten auf einer Fläche von 335 Hektar eine topmoderne Fabrik aus dem Boden gestampft. Der Bau begann 2017, bis die ersten Autos vom Band liefen, vergingen lediglich 21 Monate. Heute arbeiten rund 5.000 Menschen in diesem Komplex, die meisten davon produzieren momentan circa 250.000 Elektroroller, andere sind für Busse zuständig.
Der Rest konzentriert sich auf die Fertigung der neuen Vinfast-Modelle VF8, VF9, LuX, VFe34 und Fadil. Allerdings werden die Modelle mit Verbrennungsmotor bis zum Ende des Jahres eingestellt und dann nur noch Elektroautos produziert. Das geschieht in einer hochmodernen Fabrik mit einem Automatisierungsgrad von rund 90 Prozent. Bei der Planung und Umsetzung spielte Siemens eine große Rolle, um Lean Manufacturing und Totally Integrated Automation für die gesamte Automatisierung einschließlich Roboter, Förderbänder, Pressen und Fräsmaschinen zu realisieren.
Vinfast setzt von Anfang an auf Industrie 4.0
Den Anfang macht das Crossover-Bruderpaar aus dem D-Segment der VF 8 und der 5,12 Meter lange E-Segment-SUV VF 9, die beide auf einer Mischplattform stehen. Ende des Jahres wird in einigen europäischen Ländern und den USA sowie Kanada mit der Auslieferung der vietnamesischen Brüder VF 8 und VF 9 begonnen. „Jeder kennt die Vorliebe der Amerikaner für SUVs“, erklärt Konzernchefin Le Thi Thu Thuy das Vorgehen. Dabei soll es nicht bleiben. Vinfast nimmt zwei Milliarden Dollar in die Hand und errichtet im US-Bundesstaat North Carolina eine Fabrik, in der ab Juli 2025 150.000 Autos vom Band laufen sollen.
Diese Rekordzeit ist möglich, da die Vietnamesen konsequent auf Digitalisierung sowie Industrie 4.0 setzen. Dadurch erreichen sie eine große Flexibilität bei der Fertigung. Da die Information von einem Roboter zum nächstem weitergegeben wird, kann jedes Modell von der gleichen Linie laufen. Beim Karosseriebau verrichten rund 1.250 ABB-Roboter die Arbeit, die Lackiererei trägt den Dürr-Stempel, EBZ ist für die Montage verantwortlich und FFG sowie die Grobwerke für den Motorenbau. Insgesamt besteht die Fabrik aus 16 Shops, aktuell beträgt die Taktung 27 Jobs pro Stunde. Geplant sind 38 und später 60 pro Stunde. Dann soll die Kapazität auf 250.000 Einheiten pro Jahr wachsen. „Möglich sind bis zu 300.000“, erklärt Produktionschef Shaun Calvert. Diese Expansion wird durch weitere Schichten möglich gemacht. Maximal sind drei Schichten drin, aktuell wird acht Stunden pro Tag gearbeitet.
Batterien werden zur Kernaufgabe der Fertigung
Eine zentrale Rolle spielt der Battery-Shop in dem momentan 34 Menschen arbeiten und 20.000 Batterie-Packs pro Jahr produzieren. Eine zweite Linie wird gerade aufgebaut, die dann für 50.000 weitere Module sorgt. Der Prozess der Zellsortierung läuft vollautomatisch ab. Dabei werden die Energiespeicher auf ihre Qualität geprüft und in vier Spannungsstufen eingeteilt, was die Lebensdauer der Akkus verlängert. Die Akkus kommen von Samsung SDI und CATL.
In Zentralvietnam in der Wirtschaftszone Vung Ang (Ha Tinh) ist noch in diesem Jahr ein weiterer, 173,7 Millionen US-Dollar teurer Komplex namens VinES mit einer Kapazität von aktuell 100.000 Packs geplant. Die Fabrikinfrastruktur umfasst Gieß-, Schweiß- und Verpackungswerkstätten. Gleichzeitig wird auch der Hauptstandort Hai Phong die erste Batteriezellenfabrik mit einer Kapazität von 2,2 GWh/Jahr in Betrieb nehmen.
Welche Modelle werden in Hai Phong gebaut?
Am Stammwerk von Vinfast laufen neben zahlreichen E-Rollern und Bussen die Pkw-Modelle VF8, VF9, LuX, VFe34 und Fadil vom Band. Ab Ende des Jahres möchte der Hersteller komplett auf die Fertigung von Verbrennern verzichten.
Werk in Vietnam als Blaupause der Expansion
Bei der Expansion in andere Märkte ist die Haupt-Fabrik in Vietnam das Vorbild, nach der alle anderen gespiegelt werden. Das erste Ziel auf der Vinfast-Karte ist der US-Bundesstaat North Carolina. Dort entsteht für rund zwei Milliarden US-Dollar eine Fabrik, in der ab Juli 2025 150.000 Autos vom Band laufen. Die besten Wünsche der Amerikaner begleiten den Markteinstieg des asiatischen Autobauers. Präsident Joe Biden heißt Vinfast ausdrücklich willkommen. Schließlich sollen mit der Produktionsstätte circa 7.000 Jobs entstehen.
Gut ein Jahr später soll das US-vietnamesische Duo schon 500.000 Modelle produzieren und Ende 2026 sollen jährlich rund 950.000 Einheiten vom Band laufen. Um diese Zahl zu stemmen, soll auch in Europa eine Vinfast-Fabrik aus dem Boden wachsen. Wo genau ist noch völlig offen. Potenzielle Kandidaten gibt es genug, darunter das Ford-Werk in Saarlouis oder die Opelfabrik in Eisenach.
„Wir haben eine lange, sehr detaillierte Anforderungsliste. Dass diese Punkte erfüllt sind, ist wichtiger als der Platz, wo das Werk steht. Wir verlassen uns nie auf eine Option, sondern haben immer einen Plan B parat und wenn notwendig einen Plan C oder D“, erklärt Madame Thuy, wie sie von ihren Angestellten ehrfürchtig bezeichnet wird. Bei der Suche nach dem geeigneten Platz arbeiten die Asiaten mit German Trade and Invest (GTAI) zusammen. Eine Verbindung, die noch aus Zeiten des ehemaligen CEO Michael Lohscheller stammt. Die Vietnamesen setzen eben nicht alles auf die Karte Nordamerika, sondern bereiten den zeitgleichen Marktantritt in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden vor. Geplant sind zunächst 50 Stützpunkte, davon allein 25 in Deutschland. Beginnend mit Niederlassungen in Frankfurt, Berlin, Köln, Oberhausen und Hamburg.