Die Produktion von Webasto in Grevenmacher.

Der Standort Grevenmacher produziert unter anderem Windschutz- und Heckscheiben. (Bild: Webasto)

Die Glasproduktion im luxemburgischen Grevenmacher blickt auf eine über dreißigjährige Historie zurück. Aktuell fertigen die rund 500 Mitarbeiter vornehmlich Windschutz- und Heckscheiben für Marken wie Mercedes-Benz, Audi, Porsche, Lamborghini oder Bentley. Durch die Übernahme von Webasto im August 2022 kommt ein weiteres Standbein hinzu – High-Tech-Glasdächer. „In das Glas dieser Dachsysteme werden innovative Technologien wie schaltbare Verglasung, Licht oder Solarzellen integriert“, sagt Axel Berning, Managing Director Webasto Luxemburg.

Grevenmacher wird zum Pilotwerk für ein völlig neues Marktsegment und markiert den Einstieg des Zulieferers in die Glasveredelung. Auf einer Produktionsfläche von über 50.000 Quadratmetern werden alte Anlagen derzeit durch moderne Technologien ersetzt, das Werk zum Glass Competence Center ausgebaut. Auf weiteren 13.000 Quadratmetern soll bis Mitte 2024 eine dedizierte Linie für Dachsysteme entstehen.

Scheiben erhalten im Siebdrucker ihren Look

Das Grundkonzept für die neue Linie gleicht der Front- und Heckscheibenproduktion. Produktspezifische Linien gibt es nicht. Alle Varianten werden auf den gleichen Anlagen gefertigt. Dafür werden die zugelieferten Glasscheiben zunächst angeritzt, der nötige Ausschnitt wie beim Plätzchenstechen abgetrennt und die Kanten mittels C-Schliff abgerundet. Infrarot- und Low-E-Beschichtungen, die vor Strahlungswärme schützen, werden bereits im Vorfeld vom Flachglaslieferanten aufgebracht. „Diese Basis ist der neue Standard“, erläutert Michael Bard, Senior Director Glass Competence Center. „Das Glas ist immer dasselbe. Alles, was wir an High-Tech einbringen, kommt auf oder ins Glas. Deshalb konzentrieren wir uns auch nicht auf die Herstellung von Rohglas.“

Die Innen- und Außenscheibe laufen von Beginn an parallel durch den Prozess und werden mit der Hilfe von Kameras auf Qualitätsmängel überprüft. „Fehlerhafte Scheiben werden so früh wie möglich ausgesondert. Die Kosten sind nie wieder so gering wie jetzt“, betont Bard. Anschließend werden die makellosen Windschutzscheiben einem Siebdrucker zugeführt. Hier erhalten sie je nach Herstellervorgabe ihren typischen Rahmen. Gedruckt wird bis zum Glasrand – mit einer Farbe, die aufgrund ihres Glasbestandteils als Fritte bezeichnet wird. Sie sorgt für das ordnungsgemäße Versintern mit der Scheibe. Damit die Farbe beim nächsten Prozessschritt nicht verschmiert, wird sie zunächst getrocknet. Anschließend wird im gleichen Verfahren eine Fritte mit Silberanteil aufgedruckt. Aufgrund ihrer Leitfähigkeit wird sie etwa für die beheizbare Wischeranlage verwendet.

Webasto hebt die Pärchenbindung auf

Die zunehmende Hitze in der Halle kündigt den wohl wichtigsten Schritt an: das Einbrennen der Farbe und den Biegeprozess. Ein Roboter lädt dafür abwechselnd eine Innen- und Außenscheibe auf das Band. Im Pärchen wird allerdings nicht mehr gebogen. „Das ist sehr aufwändig und erfordert hallenweise Presswerkzeuge“, erklärt Bard die Gründe für die Umstellung im Jahr 2017. Ging eine Außenscheibe zu Bruch, musste die passende Innenscheibe entsorgt werden. Das neue Einzelglasbiegen außerhalb des Ofens hebt diese Pärchenbindung auf. Zudem wird je Variante nur ein Werkzeugsatz benötigt. Die Scheibe wird hierfür auf einen Biegering gespannt und im Schutze eines Presstuchs gegen den Presskopf gedrückt. Dabei durchläuft sie bei über 600 Grad die verschiedenen Heizzonen des Ofens. Das Glas ist jedoch keineswegs glühend rot. „Es ist gerade so warm, um biegen zu können“, erklärt Michael Bard. Zu flüssiges Glas sei schlicht unpraktikabel und der Prozess auf diese Weise energieeffizienter.

Nachdem die separaten Scheiben abgekühlt, gewaschen und getrocknet wurden, folgt eine Inspektion der Ästhetik, Durchsicht und Funktionen. Dann geht es in den Reinraum: Hier werden die Scheiben mittels PVB-Folie zum Sicherheitsglas. Die Folie wird dafür im Trommel-Konus an die Rundungen angepasst und maßgenau zwischen Innen- und Außenscheibe gelegt. Schon bei Raumtemperatur beginnt sie zu kleben. Rollen mit Druckluft fügen nun erstmals beide Hälften zusammen. Nach dem gleichen Prinzip werden künftig auch Folien für schaltbare Verglasung oder Ambientebeleuchtung in Glasdächer eingebracht. „Das wird dann unser Kerngeschäft“, berichtet Bard. Wichtig sei lediglich, die Komplexität im Biegeofen so gering wie möglich zu halten. Viele Folien und Technologien würden den Ofen nicht überstehen.

Unter Druck und Hitze werden die Elemente abschließend verschmolzen und kleinste Luftpartikel entfernt – die Scheibe wird durchsichtig. Das leicht überstehende PVB kann nun mit Schleifbändern abgeschliffen und die fertige Scheibe zur finalen Inspektionslinie gebracht werden. Nach der Montage von Kamerahalteplatten, Haltern für Regen-Licht-Sensoren oder Positionierpins ist das Produkt bereit für die Auslieferung. „Der Kunde will die Scheibe schließlich nur noch einkleben“, beendet Webasto-Experte Bard die Werksführung.

Sie möchten gerne weiterlesen?