Lack- und Karosserieschäden, defekte Laderegler, falsche Kabelbäume oder fehlende Notruftasten – Stefan Moeller vom Leipziger Elektroautovermieter Nextmove kennt sich mit Qualitätsmängeln an fabrikneuen Fahrzeugen aus. Voriges Jahr waren es 100 Fahrzeuge von Teslas Model 3 gewesen, bei denen nur jedes vierte keinen Mangel aufgewiesen hat.
Teilweise seien die Autos nicht verkehrstüchtig gewesen, erinnert sich Moeller: „Tesla ist damals offenbar in der Servicehölle angekommen“, sagt der Nextmove-Chef. Inzwischen hat der US-Elektroautohersteller seine Produktionsprobleme behoben und das Qualitätsniveau der US-amerikanischen Gigafactory angehoben.
Die Verkaufszahlen steigen und erreichen Rekordhöhen. Doch eine Erkenntnis bleibt: Ein durchdachtes Qualitätsmanagement ist unerlässlich, es sorgt für fehlerfreie Fahrzeuge, schützt vor Geschäftseinbußen und Imageschaden.
Audi intensiviert Qualitätsmanagement
Seit dem Rekordjahr 2016 nehmen die Fahrzeugrückrufe weltweit ab, aber Entwarnung bedeutet das noch lange nicht: „Qualitätssicherung bis ins kleinste Detail muss lückenlos auf allen Herstellungsstufen stattfinden und bei voller Kostenkontrolle und Transparenz“, unterstreicht Audi-Werksleiter Helmut Stettner in Neckarsulm.
Der Hersteller mit Hauptsitz in Ingolstadt trimmt seit Langem seine zwölf Fertigungswerke auf Premiumqualität. Im Karosseriebau sind optische 3D-Messungen ebenso selbstverständlich wie computertomographische Materialuntersuchungen oder selbstentwickelte neuronale Netze zur Fehlererkennung.
Im ungarischen Werk Györ erschnüffeln Roboter sogar Undichtigkeiten von Bauteilen. Machine Learning setzt in der Qualitätssicherung Impulse und ist für Qualitätsinspektoren ein gefragtes Softwarefeature, das vor allem für valide Messergebnisse und eine wirkungsvolle Fehleranalytik sorgt.
Die Verknüpfung von statistischen Methoden mit dem Wissen von Experten öffnet der Prozessüberwachung und -planung neue Wege. Anwendungssoftware aus dem Werkzeugkasten der künstlichen Intelligenz (KI) wertet Maschinen- und Anlagendaten in Echtzeit aus und kann Fehlerquellen anhand vorgegebener oder erlernter Kennzahlen im Voraus kenntlich machen.
Die Softwareentwicklung allerdings schlägt bei der maschinennahen Prozess- und Bauteilüberwachung neue Wege ein: Statt regelbasierter Algorithmen geht es bei den KI-Tools um große Mengen angelernter Musterdaten, mit denen sich Fehler und Ursachen sowie ihre Wirkung analysieren lassen.
Porsche setzt auf zentrales Steuerungscockpit
Eine zentrale Datenerfassung mit Anschluss an alle Entwicklungs- und Fertigungsbereiche ist beispielsweise bei Sportwagenbauer Porsche die Basis für ein lückenloses Computer-aided Quality Management (CAQ). Die Messlatte für Premiumqualität hängt traditionell hoch.
Im Werk Leipzig wie auch in der Taycan-Produktion in Zuffenhausen setzt man auf ein zentrales Steuerungscockpit, das alle Produkt- und Prozessdaten zusammenführt, um damit einen integrierten Qualitätsprozess zu etablieren – vom Fahrzeugkonzept mit Karosserieplanung über den Werkzeugbau bis zur Fertigung und Endabnahme.
„Wir wollen damit unsere Prozesse noch effizienter gestalten“, betont Albrecht Reimold, Vorstandsmitglied für Produktion und Logistik bei Porsche. Die Umsetzung der zentral gesteuerten Qualitätsvorgaben findet in den einzelnen Ressorts und Bereichen statt.
Ein Kernstück der Qualitätssicherung ist die sogenannte Fehlermöglichkeits- und -einflussanalyse (FMEA): Bereits in der Vorserienqualifizierung ist ein Qualitäts- und Analysecenter involviert. Automatisch erzeugte Messdaten sind bereits die Grundlage für Aussagen über passgenaue Aufbauteile und einen makellosen Farbauftrag.
Der nächste große Sprung wäre die durchgängige Datentransparenz zwischen Planungs- und Fertigungsbereichen. In diesem und im nächsten Jahr fließen mehr als 700 Millionen Euro in den Ausbau von Softwareausstattung und IT-Infrastruktur am Standort Leipzig, darunter ein Großteil in die weitere Vernetzung aller Produktionsschritte.
SAP bietet Erweiterungspakete an
Geht es auf produktionstechnischer Seite häufig um die punktuelle Fehlersuche und eine automatisierbare Erfassung, fokussieren umfassende Qualitätssysteme auf sämtliche Qualitätsaspekte entlang der gesamten Wertschöpfungs- und Lieferantenkette.
Moderne CAQ-Tools müssen Echtzeitinformationen aus verschiedenen Werksbereichen wie Maschinen, ERP-Systemen, Logistik und Datenbanken gewinnen. Das Softwarehaus SAP bietet für seine Standardumgebung Erweiterungspakete, mit denen sich Lieferanten und der Shopfloor anbinden lassen – dadurch entsteht eine FMEA-Anwendung, die durchgehend mit dem Produktionslenkungsplan verlinkt ist, der letztendlich den Qualitätsprozess steuert.
Beide Tools sind auf die Fehlerbeschreibung und die Festlegung der Prüfkriterien sowie eine auswertbare Definition von Mängeln zugeschnitten. Die Prüfkriterien für Materialien, Teile und Halbzeuge entstammen dem sogenannten Advanced Product Quality Planning (APQP).
Künstliche Intelligenz verbessert Ergebnisse
Auch Anbieter von Manufacturing-Execution-Systemen (MES) sind beim Thema Qualitätssicherung hellwach, schließlich ist das Sammeln und Verarbeiten von Betriebs- und Maschinendaten eine der tragenden Säulen in MES-Anwendungen.
MES-Spezialist MPDV hat das fertigungsnahe IT-System Hydra folgerichtig mit einem FMEA-Modul kombiniert. Leitgedanke ist eine zentrale Informations- und Datendrehscheibe für die Produktion mit Tools zur Erstellung von Fehler- und Funktionsnetzen.
Neben vorbeugenden FMEA-Analysen ist auch künstliche Intelligenz im Spiel: „Die KI-Methoden sind vielseitig und können zur Vorhersage von Qualitätsergebnissen, zur Analyse von Einflussfaktoren oder zur optimierten Planung komplexer Auftragsszenarien eingesetzt werden. Da die KI deutlich mehr Daten aller Art verarbeiten kann, liefert sie signifikant bessere Ergebnisse als herkömmliche Systeme“, sagt Thorsten Strebel von MPDV.