Therese Bick Fraunhofer KI

Dr. Theresa Bick ist Data Scientist im Bereich Computer Vision am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS. (Bild: Fraunhofer IAIS)

KI-basierte Scanning-Systeme werden zunehmend demokratisiert und einfacher einsetzbar. Welche möglichen, künftigen Anwendungsbereiche sehen Sie, Frau Bick, außerhalb der Automobil-Lackiererei?

Automotive ist ein bedeutender Anwendungsbereich - nicht nur in der Lackiererei, sondern auch bereits früher im Prozess, zum Beispiel bei der Überprüfung der rohen Karosserien. Darüber hinaus ist der Einsatz im Automotive Bereich auch für Zulieferer, zum Beispiel von Teilen der Innenausstattung oder Felgen, interessant.

Ganz allgemein gesprochen halte ich Bereiche für geeignet, in denen eine große Stückzahl mit einem hohen Qualitätsanspruch produziert wird. So lässt sich zum Beispiel auch an andere Bereiche wie Metallverarbeitung, Haushaltsgeräte oder Medizinprodukte denken.

 

Wo liegen derzeit die Grenzen von KI in der Qualitätssicherung und an welcher Stelle wird der Mensch zukünftig noch benötigt?

Es kann in vielen Bereichen hilfreich sein, sich von der Vorstellung zu distanzieren, dass Künstliche Intelligenz den Menschen komplett ersetzen soll. Die Mitarbeitenden haben langjährige Erfahrung, die wir uns zu Nutze machen sollten. Daher sehen wir, dass insbesondere das Zusammenspiel aus menschlicher Expertise mit KI ein sehr rentables System ergibt. Dies reduziert in der Regel auch die Hürde für die schrittweise Einführung eines KI-basierten Prüfsystems. Ähnliches sieht man zum Beispiel auch im Bereich des autonomen Fahrens: Es wird noch dauern, bis sich komplett autonome Fahrzeuge auf unseren Straßen bewegen, wohingegen Assistenzsysteme wie Spurhalte- oder Parkassistenten längst etabliert sind.

Wie schneidet die Geschwindigkeit und Erkennungsrate der aktuellen KI-Technik im Vergleich zum Menschen ab?

Letztlich gilt es immer, für den spezifischen Anwendungsfall das Optimum aus Geschwindigkeit, Genauigkeit und Kosten zu finden: Beispielsweise führt der Einsatz von höher aufgelösten Kameras zu einer höheren Genauigkeit, gleichzeitig erfordert dies einen höheren Rechenaufwand, kostet somit also mehr Zeit und/oder Geld. Beim Fraunhofer IAIS haben wir einen Anwendungsfall, bei dem wir die von einem Menschen benötigte Zeit von etwa 20 Minuten auf 5 Minuten reduzieren konnten bei gleichzeitig höherer Erkennungsrate. Die Zeitreduktion muss aber nicht immer so sein – in vielen Fällen genügt es auch, dass die gleiche Geschwindigkeit erreicht wird. Denn hier kommt der entscheidende Vorteil in puncto Erkennung zum Tragen: Die KI ermüdet über den Tag nicht, sondern leistet wiederholbare Ergebnisse.

Mit welcher Häufigkeit und an welchen Punkten müssen innerhalb der gesamten Automobilproduktion idealerweise Scanning-Systeme zum Einsatz kommen, damit Fehler möglichst umfassend erkannt und zeitnah behoben werden können?

Allgemein gesprochen würde ich empfehlen, derartige Scanning-Systeme so früh wie möglich in der Prozesskette einzusetzen, um etwaige Fehler schnellstmöglich erkennen und beheben zu können. Die gesamte Automobilproduktion umfasst viele Schritte, sowohl im Werk als auch bei Zulieferern. Dementsprechend viele Anwendungsfälle gibt es für Scanning-Systeme.

Wenn wir uns allein das Beispiel der Lackiererei ansehen, könnten Überprüfungen der Rohbleche, nach der kathodischen Tauchlackierung, nach dem Füller und nach der Endlackierung stattfinden. So kann vermieden werden, dass Defekte, die bereits in der rohen Karosserie vorhanden sind, erst in der Endkontrolle sichtbar werden. Dies reduziert einerseits den Instandsetzungsaufwand beziehungsweise verhindert, dass irreparable Teile noch die gesamte Prozesskette durchlaufen, andererseits kann so bei systematischen Problemen während der Produktion schneller eingegriffen werden.

Wird sich bei KI-Verfahren eine Messmethode durchsetzen oder kommt es zu einer Kombination verschiedener Systeme?

Die Beantwortung der Frage, welches Messsystem eingesetzt wird, richtet sich natürlich stark nach der Problemstellung und der Beschaffenheit der zu untersuchenden Gegenstände beziehungsweise Oberflächen. Eine KI wird zum Beispiel nicht in der Lage sein, mit ausschließlich einer Temperaturmessung Staubeinschlüsse im Lack zu finden. Jedoch können bei der Kombination verschiedener Messsysteme interessante Zusammenhänge erkannt werden, beispielsweise ob bestimmte (per Kamera erkannte) Lackfehler eher bei hohen oder niedrigen Temperaturen auftreten.

Zur Person:

Portrait Theresa Bick Fraunhofer IAIS

Dr. Theresa Bick ist Data Scientist im Bereich Computer Vision am Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS. Nach ihrer Diplomarbeit in der Mathematik an der Universität Bremen forschte sie am Meteorologischen Institut der Universität Bonn in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst an Verfahren zur Messdatenintegration in numerische Wettervorhersagemodelle und schloss dort ihre Promotion ab. Aktuell leitet sie am Fraunhofer IAIS und in der Fraunhofer-Allianz Big Data AI die Entwicklung der KI-basierten Oberflächenflächenprüfung "Damage Dection", die bereits zur automatisierten Erfassung von Hagelschäden an Kraftfahrzeugen eingesetzt wird.

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