Bugatti – Hersteller der Supersportwagen Veyron und Chiron - hat mit dem neuen Bremssattel nach eigenen Angaben nicht nur das an seinem Volumen gemessen weltweit größte generativ gefertigte Funktionsbauteil aus Titan entwickelt, sondern mithin weltweit den ersten Bremssattel überhaupt, der aus dem 3D-Drucker kommt.
Zusammenarbeit mit Laser Zentrum Nord
Erreicht wurde dieser neue Meilenstein in der Entwicklung des 3D-Drucks in einer Zusammenarbeit mit dem in Hamburg ansässigen Laser Zentrum Nord, das seit Jahresbeginn zur Fraunhofer-Gesellschaft gehört. Bugatti sieht mit dieser Weltpremiere seine Leuchtturmfunktion für den 3D-Druck im Volkswagen Konzern sowie seine Rolle als Innovationstreiber in der internationalen Automobilindustrie bestätigt. Die Fahrzeugversuche für den Serieneinsatz des 3D-Titan-Bremssattels sollen noch in der ersten Hälfte dieses Jahres starten.
Der neue Bremssattel aus Titan ist 41 cm lang, 21 cm breit, 13,6 cm hoch und wiegt gerade einmal 2,9 kg. Im Vergleich zum derzeit verwendeten Bauteil aus Aluminium, das 4,9 kg wiegt, könnte Bugatti bei einem Einsatz des neuen Bremssattels im Fahrzeug folglich über 40 Prozent Gewicht einsparen bei gleichzeitig noch höherer Belastungsfähigkeit.
Dem stand bislang allerdings die Tatsache entgegen, dass die extrem hohe Festigkeit von Titan es sehr schwierig und in der Praxis oftmals sogar unmöglich macht, ein solches Bauteil aus einem Block zu fräsen oder zu schmieden und entsprechend zu bearbeiten, wie es bei Aluminium üblich ist.
Ein äußerst leistungsstarker 3D-Drucker löst nun das Problem und eröffnet zudem die Möglichkeit, weitaus komplexere und damit deutlich steifere und festere Strukturen zu erzeugen, als dies mit jedem konventionellen Fertigungsverfahren denkbar wäre. Diese Anlage für selektives Laserstrahlschmelzen fand Frank Götzke, Leiter Neue Technologien in der Technischen Entwicklung von Bugatti Automobiles S.A.S., in Hamburg beim Laser Zentrum Nord.
„Die Zusammenarbeit mit Bugatti ist ein entscheidendes Leuchtturmprojekt für uns“, sagt Professor Claus Emmelmann, ehemaliger Geschäftsführer der Laser Zentrum Nord GmbH und seit der Übernahme des Zentrums als Fraunhofer-Institut für Additive Produktionstechnologien (Fraunhofer-IAPT) in den Forschungsverbund der Fraunhofer-Gesellschaft dessen Leiter. Darüber hinaus ist er Leiter des Instituts für Laser- und Anlagensystemtechnik der TU Hamburg (iLAS).
Emmelmann ist stolz auf die Zusammenarbeit seines Instituts mit Bugatti: „Als uns Bugatti ansprach, waren wir sofort Feuer und Flamme. Ich kenne keine andere Automobilmarke, die so extrem hohe Anforderungen an ihre Produkte stellt. Wir haben diese Herausforderung gerne angenommen.“
Nur drei Monate Entwicklungszeit
Die Entwicklungszeit des 3D-Druck-Titan-Bremssattels war recht kurz: Von der ersten Idee bis zum ersten gedruckten Bauteil vergingen gerade einmal drei Monate. Das Grundkonzept, die Festigkeits- und Steifigkeits-Simulationen und -Berechnungen sowie die Konstruktion kamen als fertiger Datensatz von Bugatti zum Laser Zentrum Nord. Dort erfolgten dann die Prozess-Simulation, die Konstruktion der so genannten Stützstrukturen, der eigentliche Druck und die Wärmebehandlung des Bauteils. Die Endbearbeitung übernahm wiederum Bugatti.
Der spezielle 3D-Drucker im Laser Zentrum Nord, bei Projektstart die weltweit größte für Titan geeignete Anlage, verfügt über vier Laser mit einer Leistung von jeweils 400 Watt. Es dauert insgesamt 45 Stunden, um einen Bremssattel zu drucken. In dieser Zeit wird Titanpulver Schicht für Schicht aufgetragen. Mit jeder Schicht schmelzen die vier Laser das Titanpulver der vorgegebenen Form des Bremssattels entsprechend auf. Das Material erkaltet sofort, der Bremssattel nimmt Gestalt an. Insgesamt sind 2.213 Schichten erforderlich.
Nach Fertigstellung der letzten Schicht wird das verbliebene, nicht aufgeschmolzene Titanpulver aus der Baukammer entfernt und in einem geschlossenen Prozess für die Wiederverwendung gereinigt und aufbewahrt. Übrig bleibt der Bremssattel, inklusive einer Stützstruktur, die das Bauteil in Form hält, bis es eine stabilisierende Wärmebehandlung absolviert und auf diese Weise seine Endfestigkeit erreicht hat.
Dafür kommt der Bremssattel in den Ofen, wo er für zehn Stunden Temperaturen von anfangs 700 Grad bis auf 100 Grad Celsius im weiteren Verlauf ausgesetzt wird, um Bauteileigenspannungen zu eliminieren und die Maßhaltigkeit sicherzustellen.
Anschließend werden die Stützstrukturen entfernt und das Bauteil von der Bauplatte getrennt. Im nächsten Fertigungsschritt werden durch ein kombiniertes mechanisch-physikalisch-chemisches Verfahren die Oberflächen geglättet, was die Dauerschwingfestigkeit, sprich die Langzeithaltbarkeit des Bauteiles im späteren Fahrzeugbetrieb, drastisch erhöht. Abschließend werden die Konturen aller Funktionsflächen, zum Beispiel die Kolbenräume oder Gewinde, bearbeitet. Dies geschieht in einer so genannten 5-Achs-Fräsmaschine, die dafür noch einmal weitere elf Stunden benötigt.
Das Ergebnis ist ein höchst filigranes Bauteil mit Materialwandstärken zwischen minimal gerade einmal ein und maximal vier Millimetern. Die ersten Versuche für den Serieneinsatz, für den es derzeit noch keinen Termin gibt, starten in der ersten Hälfte dieses Jahres. Die Ingenieure sind zuversichtlich, dass sich schrittweise auch die Produktionszeiten, gerade bei der Nachbearbeitung, sehr deutlich verkürzen lassen.