Eine Visualisierung zur Nachhaltigkeit von BMW.

Es existieren viele Stellschrauben, um die CO2-Emissionen eines Fahrzeugs zu senken. (Bild: BMW)

Ein Vierklang bestimmt fortan die Nachhaltigkeitsstrategie von BMW: Rethink, Reduce, Reuse, Recycle. Bis Ende des Jahrzehnts sollen die CO2-Emissionen eines jeden Fahrzeugs um 40 Prozent gesenkt werden. Im Vergleich zum Jahr 2019 rechnet der Autobauer im Zuge dessen mit 20 Prozent weniger Emissionen in der Lieferkette, 80 Prozent in der Produktion und 50 Prozent in der Nutzungsphase. „Ein Elektroauto auf die Straße zu bringen, ist nicht genug“, erläutert Nadine Philipp, Leiterin Nachhaltigkeit in der Lieferkette und Energy, den 360-Grad-Ansatz.

Ein elementarer Bestandteil dieser Strategie ist die Verwertung von Sekundärrohstoffen. Bisher liegt deren Anteil im Fahrzeug bei 30 Prozent. Allerdings handle es sich vornehmlich um Ausschuss in der Produktion, erklärt Hilke Schaer, Projektleiterin Design Integration, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Um die angestrebten 50 Prozent zu erreichen, setzen die Münchener unter anderem bei der Konzeption der Komponenten an. Sitzbezüge sollen leichter abnehmbar, das Glas der Frontscheibe leichter trennbar sein. Dadurch können Altfahrzeuge besser zerlegt und ihre Rohstoffe effizienter aufbereitet werden.

Ein Vorhaben, bei dem die Gewinnschwelle nicht außer Acht gelassen wird. „Wir standen vor einem Berg von Herausforderungen“, konstatiert Schaer. Besonders die zahlreichen Plastiksorten würden Probleme bei der Trennung bereiten. Eine Lösung für dieses Unterfangen seien Monomaterialien, die bereits bei den Fußmatten zahlreicher Modelle zum Einsatz kommen. Ein schwer recycelbarer Materialmix wird vermieden, Verschnitte und benutzte Matten können effizient wiederverwertet werden. Dadurch würden jährlich rund 23.000 Tonnen CO2 und 1.600 Tonnen Abfall eingespart werden, so BMW.

BMW produziert Spritzgussteile aus Fischernetzen

Das jüngste Exempel für das Recycling von Kunststoffen liefert der bayerische OEM mit wiederverwerteten Fischernetzen und Seilen. Bezogen werden sie aus Häfen in aller Welt. Bislang wurden Nylonabfälle etwa als Basis für Kunststoffgarn verwendet und das so gewonnene Econyl für die Bodenverkleidungen im iX und neuen X1 eingesetzt. Ab 2025 geht BMW noch einen Schritt weiter. Mittels eines neuartigen Verfahrens werden die Netze und Seile – nach sortenreiner Trennung – zunächst zu Granulat und anschließend zu Spritzgussteilen verarbeitet.

Erstmals verbaut werden diese Verkleidungsteile aus 30 Prozent maritimen Plastikabfällen ab 2025 im Interieur und Exterieur der Neuen Klasse. Auch ein höherer Anteil an Sekundärrohstoffen sei künftig möglich, betont Simone Börner, Materialentwicklerin Plastik, doch die Lieferketten seien noch nicht auf größere Mengen ausgelegt. Bis Ende des Jahrzehnts strebt der Autohersteller dennoch eine Steigerung des Sekundärmaterialanteils bei Thermoplast-Kunststoffen von 20 auf durchschnittlich 40 Prozent an.

Schrott ist der Rohstoff der Zukunft

Auch darüber hinaus baut BMW zunehmend auf vorhandene Rohstoffe, und strebt beispielsweise Frontschürzen an, die zur Hälfte aus ihren entsorgten Pendants bestehen. Das größte Einsparpotenzial bergen indes jedoch Stahl, Aluminium und Glas, verdeutlichen Freya Sommer, Materialentwicklerin Glas, Holz und Coating, sowie Philipp Oberhumer, Experte für Nachhaltigkeit in der Stahl-Lieferkette. So können etwa Räder aus 100 Prozent Altaluminium produziert werden, sagt Sommer. „Allerdings besteht auch hier das Problem der Verfügbarkeit.“

In Serie befindet sich derweil die C-Säule des X1, die anteilig aus altem Stahl hergestellt wird. „Unser Credo ist, so viel Schrott wie möglich einzusetzen“, betont BMW-Experte Oberhumer. Doch auch er schlägt in die gleiche Kerbe: Weltweit existiere nicht genügend Schrott, sodass zusätzlich eine dekarbonisierte Stahlherstellung notwendig sei. Möglich wäre dies mit Hilfe eines Direktreduktionsverfahren, das auf grünen Wasserstoff zurückgreift. So könne künftig wiederverwerteter Stahl mit „grünem“ Stahl komplettiert werden.

Neue Materialien braucht das Land

Da nicht alle Komponenten recycelt oder nachhaltig produziert werden können, intensiviert BMW zudem die Entwicklung neuer Materialien. Dazu zählen etwa die erdölfreie, recyclebare Lederalternative Mirium oder das Kaktusleder Deserttex, das aus pulverisierten Kaktusfasern und einer biobasierten Polyurethan-Matrix besteht. Auch Zellulose, Holz- und Flachsfasern werden mittlerweile für die unterschiedlichsten Anwendungsfälle erprobt. Eingesetzt werden Naturfasern unter anderem bereits in den Türverkleidungen oder der Mittelarmlehne des neuen 7er.

Als Folge dieser Forschung kommen 2023 die ersten Fahrzeuge mit komplett vegan produzierten Innenräumen auf den Markt. Die letzte Hürde hatte der Konzern jüngst mit der Präsentation einer neuen Lenkradoberfläche genommen, die rund 85 Prozent der CO2-Emissionen entlang der Wertschöpfungskette einspart. Dank ihr sinkt der Anteil der Fahrzeugkomponenten, die Spuren von tierischen Ausgangsstoffen tragen, auf weniger als ein Prozent. Künftig verbleiben lediglich wachsartige Substanzen in Schutzbeschichtungen, Lanolin in Lacken, Talg als Hilfsstoff in Elastomeren sowie Bienenwachs als Flussmittel für Lack.

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