Eingang der IAA 2023 / Die Autoindustrie steht unter Innovationsdruck

Die IAA Mobility fand zum letzten Mal im Jahr 2021 in München statt.

Auch wenn sich das Spektrum der Aussteller auf der IAA deutlich erweitert hat, liegt der Fokus noch immer auf Autobauern und klassischen Zulieferern. Die deutschen Hersteller wollen die heimische Messe als Beweis für ihre Innovationskraft nutzen und müssen sich dabei gegen eine Vielzahl an neuen Playern aus China durchsetzen. Darüber hinaus werden natürlich etliche Technologien präsentiert. Was dahintersteckt und ob sie dem Wandel der Autoindustrie wirklich gerecht werden, beleuchten wir in unserem Überblick.

VDA sieht Nachholbedarf in Deutschland

Zwar würden die deutschen Hersteller den Wettlauf um die Zukunft nicht verlieren, "der deutsche Standort ohne massive Reformen schon", warte VDA-Präsidentin Hildegard Müller anlässlich der IAA in einem Interview mit der der Deutschen Presse-Agentur. Müller beklagte vor Beginn der Automesse unter anderem Überregulierung, zu langsame politische Entscheidungen und fehlende Rechtsrahmen bei Zukunftsthemen wie Künstliche Intelligenz.

Ein Beispiel sei die Nutzung von Daten: "Wenn wir das hier in Europa, in Deutschland beschränken, dann heißt das nicht, dass das irgendwo auf der Welt nicht passiert." Und es bedeute auch nicht, dass deutsche Hersteller nicht anderswo in dem Bereich aktiv seien. "Die Frage ist, schaffen wir hier einen politischen, einen regulatorischen Rahmen, so dass wir wettbewerbsfähig sind und international vorangehen können." Der Hauptpunkt aber sei, "dass der Standort in Deutschland seine internationale Wettbewerbsfähigkeit aufgrund der Kostenstruktur dramatisch verliert", warnte Müller. So habe man hier die höchsten Energiekosten. Die Autobranche halte einen zeitlich befristeten Industriestrompreis für nötig. Damit solle verhindert werden, dass wichtige Industrien wie Batterie- oder Halbleitertechnik abwandern oder sich gar nicht erst ansiedeln.

Was ist die IAA Mobility?

Die IAA Mobility ist eine der größten und bedeutendsten Automobil-Fachmessen der Welt. Seit 2021 findet sie alle zwei Jahre in München statt. Zuvor war sie Frankfurt am Main angesiedelt. Thematisch geht es mittlerweile um alle Mobilitätsthemen, was zunehmend auch Tech-Player oder Startups auf den Plan ruft. Früher lag der Fokus vor allem auf der Präsentation von neuen Modellen. Die IAA Mobility wird 2023 vom 5. bis 10. September auf dem Münchener Messegelände und in Teilen der Innenstadt ausgetragen.

Die Highlights der Automobilhersteller

BMW nähert sich dem Endprodukt der Neuen Klasse

BMW möchte das Heimspiel in München vor allem nutzen, um das Konzeptfahrzeug Vision Neue Klasse vorzustellen. Mit an Bord ist in dem Konzeptfahrzeug unter anderem das neue Bediensystem BMW iDrive. Es verfügt über ein neues, multifunktionales Lenkrad zur Bedienung der Funktionen, ein neues Central Display sowie ein 3D-Headup-Display.

Daneben werden Modellneuheiten aller Marken gezeigt, die mit elektrifiziertem Antrieb, digitalen Innovationen und ressourcenschonender Fertigung den aktuellen Wandel repräsentieren. Neu ist unter anderem der Plug-in-Hybrid der 5er-Reihe, in dem ein Reihensechszylinder- oder ein Reihenvierzylinder-Ottomotor mit der eDrive-Technologie kombiniert wird. Die elektrische Reichweite variiert je nach Modell zwischen 79 und 101 Kilometern. Ein genauerer Blick auf die Modelle lässt sich im Open Space in der Münchener Innenstadt werfen. Dort zeigt auch Mini seine neuen vollelektrischen Cooper und Countryman.

Im Rahmen der IAA kündigte BMW zudem eine Partnerschaft mit Amazon Web Services an, in deren Fokus die gemeinsame Entwicklung von fortschrittlichen Assistenzsystemen steht. Geplant sind unter anderem neue Funktionen und Verbesserungen für die Neue Klasse. Das neue System basiert auf dem bestehenden Cloud Data Hub von BMW auf AWS und wird künftig AWS-Funktionalitäten für generative künstliche Intelligenz, IoT, Machine Learning und Storage nutzen, um die Bereitstellung für hochautomatisierte BMW-Fahrzeuge zu beschleunigen. Vor allem die Möglichkeit, große Datenmengen zu speichern und zu analysieren soll den Entwicklern die Arbeit erleichtern.

BMW Vision Neue Klasse IAA Mobility 2023
BMW zeigt die Vision Neue Klasse.

Volkswagen bringt den GTI ins Elektro-Zeitalter

Bis zum Jahr 2027 wird Volkswagen elf neue Elektromodelle auf den Markt bringen. Darunter unter anderem die GTI-Versionen der ID-Modellfamilie. Einen ersten Ausblick darauf, wie entsprechende Fahrzeuge aussehen könnten, zeigt das Showcar ID.GTI Concept auf der IAA. Eine Serienversion des Fahrzeugs soll auf Basis des Modularen E-Antriebsbaukastens (MEB) spätestens 2027 auf die Straße kommen. Doch nicht nur Elektrofans möchte Volkswagen im Rahmen des eigenen Messeauftritts ansprechen: Gezeigt werden auch die neuen Generationen des Passat und des Tiguan. Zudem ist Volkswagen im Rahmen des Open Space am Odeonsplatz mit verschiedenen Talk- und Konzert-Formaten vertreten.

Der Volkswagen-Konzern zeigt zudem Lösungen zum Direct-Air-Capture (DAC), einem Verfahren, bei dem Kohlendioxid aus der Atmosphäre gewonnen werden kann. Porsche prüft derzeit den Einsatz entsprechender Technologien in seiner E-Fuels-Pilotanlage in China. „Um die globale Erwärmung zu verlangsamen, müssen die Emissionen reduziert und CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Gleichzeitig benötigen wir in vielen Herstellungsprozessen CO₂ als Rohstoff. Warum also nicht beides miteinander verbinden?“, sagt Michael Steiner, Forschungs- und Entwicklungsvorstand der Porsche AG. Nachhaltig seien entsprechende Anlagen vor allem dann, wenn die für den Betrieb nötige Energie regenerativ erzeugt würde – Am Standort Chile könnte dies über Windkraft realisiert werden.Die benötigte Wärme ließe sich mit Hilfe der in der eFuels-Anlage realisierten Wasserstofferzeugung bereitstellen.

Das neue ID.GTI Konzeptfahrzeug auf der IAA Mobility 2023 in München
Die GTI-Historie des Volkswagen-Konzerns reicht zurück bis ins Jahr 1976. (Bild: Fabian Pertschy)

Die Konzerntochter Elli stellt derweil einen Überblick der eigenen Lade- und Serviceprodukte sowie einen Ausblick auf Energie-Innovationen der Zukunft vor. Im Fokus steht die neue Schnellladestation Flexpole, die dank eines integrierten Batteriesystems an der Niederspannungsnetz angeschlossen werden kann, ohne dass ein spezieller Transformator oder Bauarbeiten nötig sein sollen. “Mit der neuen Flexpole und der Erweiterung des Elli Ladenetzes auf mehr als 540.000 Ladepunkte treiben wir den Ausbau der Elektromobilität schnell und zuverlässig voran“, erklärt Elli-CEO Giovanni Palazzo in München.

Mercedes-Benz zeigt Concept CLA Class

Auch beim Auftritt von Mercedes steht eine elektrische, vernetzte Fahrzeugstudie im Fokus des Messeauftritts. Das Concept CLA Class basiert auf der kommenden Modular Architecture (MMA) und soll unter anderem die Vorteile des Mercedes-Benz Operating System (MB.OS) aufzeigen. Neben einer Reichweite von mehr als 750 Kilometern verspricht Mercedes einen Energieverbrauch von 12 kW/100km. Damit sei das Concept CLA Class das „Ein-Liter-Auto des Elektrozeitalters“. „Die Technologie, die dem Concept CLA Class zugrunde liegt, stellt einen völlig neuen Ansatz für Mercedes‑Benz dar und baut auf vielen Erkenntnissen aus unserem bahnbrechenden Technologieprogramm VISION EQXX auf“, erläutert Mercedes-CTO Markus Schäfer. Neben dem Konzeptfahrzeug feiert außerdem die E-Klasse All-Terrain im Rahmen der IAA ihre Weltpremiere. Mit dem EQA, dem EQB und dem EQV feiern zudem drei weitere Elektro-Modelle ihr Messedebüt. Besucher können sich außerdem das Mercedes-AMT GT Concept Performance anschauen, das Formel-1-Technologien und Elektromobilität verbinden soll.

Im Rahmen von verschiedenen Vorträgen auf dem Mercedes-Messestand erklären zahlreiche Führungskräfte von Mercedes-Benz die Strategie des Autoherstellers und neue Produkte. Neben CTO Markus Schäfer und Chief Design Officer Gorden Wagener kommen unter anderem Chief Software Officer Markus Östberg oder Britta Seger (Vorstand Marketing und Vertrieb) zu Wort.

Mercedes-Benz Concept CLA Class / Ola Källenius / IAA Mobility 2023
Ola Källenius zeigt auf der IAA 2023 das Concept CLA Class. (Bild: Mercedes-Benz)

Premiere für das neue Model 3 von Tesla

Traditionell gilt Tesla nicht unbedingt als häufiger Gast auf Automessen. In diesem Jahr ändert sich das. Der US-Elektropionier hat das überarbeitete Model 3 im Gepäck, das erstmals offiziell in Deutschland präsentiert wird. Die Neuauflage soll unter anderem durch ein neues Design mit schärferen Karosserielinien und aerodynamischeren Oberflächen, neuen Scheinwerfern, Farboptionen und Innenraumbeleuchtung punkten. Zudem verspricht der US-Hersteller ein neues Audiosystem mit nativer Unterstützung der gängigen Streaming-Apps Spotify, Apple Music und Tidal. Sowohl im Cockpit als auch im Fond finden sich zudem neue Displaylösungen auf Basis weiterentwickelter Connectivity-Dienste, während ein neues Lenkradkonzept bisher per Hebel gesteuerte Funktionen auf haptische Schalter und Tasten umverteilt.

Renault zeigt den Scenic E-Tech Electric

Der Messeauftritt von Renault steht ganz im Zeichen des elektrischen Familienfahrzeugs Scenic E-Tech Electric. Das Fahrzeug soll eine WLTP-Reichweite von bis zu 620 Kilometern erreichen und kommt je nach Variante auf eine Leistung von 170 oder 220 PS. Zeihen setzen soll das Modell vor allem in Sachen Nachhaltigkeit: 24 Prozent der genutzten Werkstoffe bestehen aus Rezyklaten, bei Türen und Motorhaube beträgt der Anteil wiederverwendeten Aluminiums rund 80 Prozent. Das Android-basierte Infotainment-System openR lässt sich Over-the-Air aktualisieren und wurde um Funktionen speziell für Elektroautos ergänzt: Unter anderem lässt sich eine automatische Vortemperierung der Batterie aktivieren, wenn sich das Fahrzeug einer zuvor ausgewählten Ladesäule nähert. Zudem soll das System auf Basis von KI-Algorithmen Vorschläge für die Nutzung zum jeweiligen Zeitpunkt sinnvoller Funktionen machen, die sich im Laufe der Zeit an die Routinen des Fahrers anpassen.

Fisker zeigt drei Europapremieren

Gleich drei Modelle des Elektro-OEM Fisker feierten im Vorfeld der IAA 2023 ihre Europapremiere: Ronin, Pear und Alaska. Der Fünfsitzer Ronin sei „der weltweit erste vollelektrische, viertürige Cabrio-GT-Sportwagen“, so das wortreiche Versprechen des Autoherstellers. Trotz 1.000 PS und einer Höchstgeschwindigkeit von 275 km/h sei mit dem rund 425.000 Euro teuren Modell eine Reichweite von über 1.000 Kilometern möglich, so Fisker. Eine Nummer kleiner lässt es der Hersteller mit dem Modell Pear angehen: Das Elektro-Modell soll eine Reichweite von je nach Variante 320 oder 560 Kilometern erreichen und für rund 33.000 Euro erhältlich sein. Der elektrische Pickup-Truck Alaska kommt mit Batteriepacks in einer Größe von 75 oder 113 kW auf den Markt und soll so bis zu 547 Kilometer schaffen. Der Startpreis für das Modell, das 2025 in Deutschland starten soll liegt bei rund 50.000 Euro.

Fisker Premiere bei der IAA
Fisker zeigt im Vorfeld der IAA gleich drei Europapremieren. (Bild: Fisker)

Opel zeigt sich digital und nachhaltig

Opel ist auf der IAA 2023 gleich zweifach vertreten: auf dem IAA Summit des Münchener Messegeländes und dem Open Space am Odeonsplatz. Dabei präsentiert der Autobauer mit dem Opel Experimental, dem Corsa Electric und dem Astra Sports Tourer Electric gleich drei Weltpremieren. Die Fahrzeuge seien Ausdruck der drei Markensäulen Modern German, Detox und Greenovation, so der Autobauer. Diese Schwerpunkte sollen sich auch im Messeauftritt des Herstellers widerspiegeln. „Es gibt keine überflüssigen Exponate, Hintergründe oder Materialien – alles ist klar fokussiert auf die vollelektrischen Opel-Premieren“, so das Versprechen. Im Fokus des Standes stehen unter anderem die in den Fahrzeugen genutzten Materialien, das Infotainment sowie die Opel.AI.

Ford möchte das Elektroauto zur Ikone machen

Der Auftritt von Ford steht bei der IAA 2023 unter dem Motto We Make Electric Iconic. Dementsprechend steht vor allem das Portfolio an Elektromodellen im Vordergrund – allen voran der neue Mustang Mach-E-Rally, der in München seine Deutschlandpremiere feiert. Auch Testfahrten mit ausgewählten Modellen sind im Rahmen der IAA möglich. Aktuell hat Ford zudem die Freigabe des KBA für das Assistenzsystem BlueCruise erhalten – es ist zu erwarten, dass sich IAA-Besucher auch hierzu informieren können.

Die Neuheiten der chinesischen OEMs

BYD verspricht grüne Mobilität

Der chinesische Autohersteller BYD, nach eigenen Angaben mit 1,86 Millionen verkauften E-Autos in diesem Jahr inzwischen Weltmarktführer, präsentiert sich dieses Jahr zum ersten Mal auf der IAA in München. Unter dem Motto "Wir bauen den grünen Mobilitätstraum gemeinsam" zeigt BYD sechs Limousinen und SUV-Modelle, die auch schon auf der Automesse in Schanghai zu sehen waren. Design-Chef Wolfgang Egger, der früher für Alfa Romeo und Audi gearbeitet hatte, stellte die BYD-Limousine Seal vor. Sie zielt auf Käufer des Tesla Model 3 und der deutschen Konkurrenten Audi, BMW und Mercedes-Benz. Das preisgünstigste BYD-Modell auf der IAA ist der Kleinwagen Dolphin, der 29.000 Euro kosten soll.

Xpeng plant Deutschland-Start im kommenden Jahr

Der chinesische Elektroautobauer Xpeng will im kommenden Jahr mit seinen Fahrzeugen auch in Deutschland an den Start gehen. Nach einigen nordeuropäischen Märkten sollen die Modelle 2024 auch hierzulande verkauft werden, sagte Vize-Verwaltungsratschef Brian Gu auf der IAA. Der Schritt auf den deutschen Markt sei ein großer und strategisch sehr bedeutender für das Unternehmen, den man vorsichtig geplant habe. "Unser Erfolg in Deutschland wird unseren Erfolg in Kontinentaleuropa bestimmen", sagte Gu. Ihm zufolge ist es noch zu früh für Angaben zu möglichen Verkaufszahlen.

Deutschland-Manager Markus Schrick ergänzte, der Autobauer wolle seine Autos in Deutschland über Händler verkaufen und nicht nur online. Große Flagship-Stores nach dem Vorbild von Elektrorivalen wie Nio oder Polestar plane Xpeng zunächst nicht. Xpeng lege Wert darauf, dass Händler sich mit der Marke identifizierten und auch Geld mit ihr verdienten. Der für internationale Märkte zuständige Xpeng-Manager Eric Xu kündigte an, dass auch Frankreich kommendes Jahr zu den neuen Märkten des Anbieters hinzukommen solle. Großbritannien soll möglichst ebenfalls im kommenden Jahr folgen. Xpeng ist in Europa derzeit in Norwegen, Schweden, Dänemark und den Niederlanden vertreten.

 

Nio wirbt um Batterietauscher

Der chinesische Hersteller Nio nutzt die IAA primär, um das eigene System zum Wechsel von Batterien vorzustellen. 98 Prozent der deutschen Nio-Käufer mieteten die Batterie und machten davon Gebrauch, sagte Europachef Hui Zhang vor Beginn der Messe IAA in München. Das Unternehmen aus Schanghai will dieses Jahr weltweit annähernd 200 000 E-Autos verkaufen. Nio verkauft seit vergangenem Herbst auch in Deutschland, aktuelle Absatzzahlen nannte das Unternehmen in München nicht. "Wir sind in Europa noch relativ klein", sagte Hui Zhang. "Aber wenn wir bei einem Absatz um die 100.000 Fahrzeuge liegen, könnte sich eine Fabrik in Europa rentieren."

In China sei die Akzeptanz für den Batteriewechsel bereits deutlich höher, auch der dortige Marktführer SAIC und andere seien damit auf dem Markt, sagte Hui Zhang. In China betreibe Nio bereits 1.800 Batterietausch-Stationen, in Europa lediglich 27 - sieben davon in Deutschland. Ein Problem hier: "In Deutschland dauert die Genehmigung für eine Station über zehn Monate."

An seinem letzten Tag auf der IAA MOBILITY muss Reporter Fabian Pertschy ausnahmsweise nicht zur U-Bahn-Station laufen, sondern wird mit einem Nio ET7 direkt am Hotel abgeholt.
Der ET7 ist serienmäßig mit dem Falcon-Lidar von Innovusion ausgestattet.

Die Innovationen der Zulieferer

Bei Bosch werden alle Trendthemen abgedeckt

Bosch hat auf der IAA nicht an Innovationen gegeizt. Der Zulieferer präsentiert an seinem Messestand derart viele Hardware- und Softwarelösungen, dass es den Rahmen dieses Überblicks sprengen würde. Das fängt schon bei den Chips an. Für die E/E-Architekturen der Autohersteller wird eine ganze Palette an Produkten angeboten – von Leistungshalbleitern über MEMS-Sensoren bis hin zu integrierten Schaltungen. Besonders herausstechend sind die vier individuell konfigurierbaren Plattformen mit ihren jeweiligen Fahrzeugcomputern: So soll die Vehicle Integration Platform zum Enabler für softwaredefinierte Fahrzeuge mit zentralisierter und zonaler E/E-Architektur werden, während die ADAS Integration Platform die Domäne für Assistenzsysteme bis SAE-Level 4 bedient. Die Cockpit Integration Platform vereint indes die Rechenaufgaben der Domäne Infotainment und die Motion Integration Platform konzentriert sich auf sicherheitsrelevante Anwendungssoftware für Antrieb, Fahrwerk und Lenkung.

Auch bei E-Motoren spielen Chips eine gewichtige Rolle. Das neue 800-Volt-Exemplar setzt beim Inverter nämlich auf Siliziumkarbid und steigert seinen Wirkungsgrad damit auf bis zu 99 Prozent. Den wohl größten Posten machen jedoch Innovationen für autonome Autos aus. Dazu zählen unter anderem Steer-by-Wire-Systeme, vernetzte Kartenservices auf Basis von Schwarmdaten, der Fahrerassistenz-Baukasten für Level 2 oder verbesserte Radar- und Ultraschallsensoren mit KI. Besonderes Augenmerk gilt den neuen Kameraköpfen, deren Bildauswertung künftig im zentralen Fahrzeugrechner erfolgen soll. Neuerdings bietet Bosch die Software der Video-Umfeldwahrnehmung für unterschiedlichste SoCs als eigenständiges Produkt an. Zu guter Letzt lässt sich im Vergleich zu der IAA im Jahre 2021 auch eine Weiterentwicklung des Automated Valet Parking ausmachen. Rollten damals noch autonome Autos auf Level 4 durch die Parkhäuser, bietet das Unternehmen mittlerweile Automated Vehicle Maneuvering für Produktionsstandorte an. Die Werke werden dafür mit einer Infrastruktur aus Lidar-Sensoren und Stereokameras ausgestattet, sodass produzierte Fahrzeuge von allein durch die Hallen und über das Gelände rollen können.

eAxle von Bosch
Die eAchsen-Systeme kombinieren Leistungselektronik, Elektromotor und Getriebe in einem kompakten Systemgehäuse. (Bild: Fabian Pertschy)

Valeo stellt Software-Expertise unter Beweis

Ein weiterer Messestand mit einer großen Bandbreite an Themen: Von einer zentralisierten Smart Heat Pump für Elektrofahrzeuge über ferngesteuertes Parken bis hin zu nachhaltigen Scheibenwischern oder Scheinwerfern – Valeo bringt in München einiges an den Start. Einen hohen Stellenwert genießt etwa das neue 6-in-1 E-Achssystem, das Wechselrichter, On-Board-Ladegerät, DC/DC-Wandler, Stromverteiler, E-Motor und Untersetzungsgetriebe vereint. Der französische Zulieferer bringt nicht nur dabei seine eigene Software-Expertise mit ein. Darüber hinaus präsentiert das Unternehmen ein komplettes Paket an KI-basierter Software für Signalverarbeitung, Computer Vision, Datenfusion und Fahrzeugsteuerung. Gehostet wird der Stack in einem zentralen Domain Controller, der wiederum durch die eigenen Zonen-Controller ergänzt wird. Innovationen in den Bereichen ADAS und Interieur werden zudem im sogenannten Cocoon veranschaulicht.

Valeo stellt außerdem das Software-as-a-Service-Portfolio anSWer vor, das Anwendungen, Middleware und Dienstleistungen für Kunden bereitstellen soll. Auf der Anwendungsebene möchte der Zulieferer „die komplette Palette an Wahrnehmungs-, Fusions- und Planungsfunktionen sowie ein breites Portfolio an bewährten Fahr- und Parkfunktionen“ anbieten. Bei der Middleware verspricht das Unternehmen einen „agnostischen und einzigartigen Open-Source-Software-Ansatz“.

Im Bereich des Imaging-Radar verkündete Valeo außerdem eine Partnerschaft mit Mobileye. „Die Zusammenarbeit von Mobileye und Valeo im Bereich Imaging-Radar bringt eine neue und aufregende Phase in der Sicherheit und Leistung von Fahrzeugen voran", sagt Nimrod Nehushtan, Executive Vice President of Business Development and Strategy bei Mobileye. Die Systeme von Mobileye versprechen aktuell, ein vierdimensionales Bild in bis zu 300 Metern Entfernung bei einem Sichtfeld von 140 Grad zu erzeugen. Sowohl Valeo als auch Mobileye betonen das hohe Interesse der Autobranche an entsprechenden Lösungen auf dem Weg zum autonomen Fahren. Die beiden Unternehmen arbeiten bereits seit Jahren bei Frontkameras und anderen Assistenzsystemen zusammen. Seit 2015 habe man weltweit mehr als 15 Millionen smarte Frontkameras ausgeliefert, heißt es bei Valeo.

Continental und Google kooperieren bei KI-Assistenten

Continental hat im Rahmen seiner Pressekonferenz eine Partnerschaft mit Google Cloud bekannt gegeben. Gemeinsam möchten die beiden Unternehmen mehr KI-Anwendungen im Fahrzeug verankern. „Zusammen mit Google bringen wir künstliche Intelligenz ins Fahrzeugcockpit und schaffen ein intuitives Nutzererlebnis für Fahrerinnen und Fahrer. Auf der Basis unseres Smart Cockpit-Hochleistungsrechners ist die Serienreife in nur 18 Monaten Entwicklungszeit möglich. So beginnt unsere Vision vom software-definierten Fahrzeug Realität zu werden“, sagt Philipp von Hirschheydt, Continental-Vorstandsmitglied und Leiter des Unternehmensbereichs Automotive. Auf der IAA zeigt Continental die Integration des KI-basierten Dialogsystems, das Nutzern unter anderem Informationen zum Fahrzeug oder zu Points-of-Interest entlang der jeweiligen Route bereitstellen kann, im eigenen Smart Cockpit-HPC.

Der Smart Cockpit HPC ist eine weitere Neuheit im HPC-Portfolio der Hannoveraner. Dabei handelt es sich um ein vorkonfiguriertes System, das Kombi-Instrument, Infotainment und Fahrerassistenz vereint. Eine ergänzende, virtuelle Electronic Control Unit hat Conti bereits 2021 zusammen mit AWS auf den Markt gebracht. Zur diesjährigen IAA folgt nun die neueste Version. Ziel ist die kontinuierliche und schnelle Verbesserung von Steuergeräten. Darüber hinaus entwickelt der Zulieferer mit dem Halbleiterspezialisten Ambarella ganzheitliche Komplettsysteme für das automatisierte Fahren. Kürzlich habe man den ersten Kundenauftrag für die gemeinsam entwickelten Lösungen als komplettes Level-4-Rückfallsystem erhalten, so Conti. Neben vielen technischen Neuheiten konzentriert sich das Unternehmen zudem auf das Thema Komfort. Beim Designkonzept Space D kommen biobasierte und recycelte Inhaltsstoffe zum Einsatz. Durch einen hohen Individualisierungsgrad soll den Bedürfnissen nach mehr Wohnlichkeit und einem höheren Erlebnisfaktor des Fahrzeuginnenraums Rechnung getragen werden.

ZF EVBeat auf der IAA 2023
Wie bei vielen anderen Ausstellern auch, steht bei ZF das Thema Elektromobilität im Vordergrund des Messeauftritts.

Neuer E-Motor von ZF benötigt keine seltenen Erden

Das Konzeptfahrzeug EVbeat mit seinem 800-Volt-Antrieb fällt am Stand von ZF sofort ins Auge. Es ist unter anderem mit Siliziumkarbid-Leistungselektronik und einem neuen magnetfreien E-Motor ausgestattet, der ohne seltene Erden auskommt. Die Energie für das Magnetfeld wird dabei über einen induktiven Erreger innerhalb der Rotorwelle übertragen, sodass der serienreife, kompakte Motor trotzdem eine hohe Leistungs- und Drehmomentdichte aufweist. „Wir sehen derzeit keinen Wettbewerber, der diese Technologie so kompakt beherrscht wie ZF“, betont Holger Klein, Vorstandsvorsitzender des Zulieferers, im Hinblick auf die weiterentwickelte Variante des fremderregten Synchronmotors (FSM). Zudem nutzen die Friedrichshafener den Messeauftritt, um ihre By-Wire-Technologien zu forcieren. Dazu zählen rein elektronisch gesteuerte Lenkungen (Steer-by-Wire), Bremsen (Brake-by-Wire) und aktive Dämpfungen. Allesamt benötigen sie keine mechanischen Verbindungen oder Systemflüssigkeiten mehr und sollen unter anderem Fahrzeugkontrolle, Bremswege, Lenkflexibilität sowie Fahrstabilität verbessern.

Schaeffler möchte autonome People Mover bauen

Gemeinsam mit der VDL Groep aus den Niederlanden und Mobileye möchte Schaeffler eine neue Generation fahrerloser E-Shuttles für den ÖPNV entwickeln und fertigen. Ein erstes Konzeptfahrzeug zeigen die Projektpartner auf der IAA 2023. Schaeffler und VLD möchten ihre Expertise in den Bereichen Automobiltechnik, Systementwicklung und Fahrzeugfertigung zusammenbringen, Mobileye trägt das Fahrsystem für eine Level 4-Automatisierung der Fahrzeuge sowie die entsprechende Sensorik bei. Derzeit befinde man sich in Gesprächen mit Nahverkehrs- und entsprechenden Betreiberunternehmen, um Pilotprojekte auf die Straße zu bringen. Realistisch sei hier ein Start im Jahr 2025, so Schaeffler.

Hyundai Mobis erläutert neue Strategie

Der Zulieferer Hyundai Mobis hat im Rahmen der IAA seine europäische Expansionsstrategie Mobis Mobility Move 2.0 angekündigt und damit sein Engagement für die Elektromobilität betont. Man sei zuversichtlich, dass man schnell nach Europa expandieren können, wie unter anderem der jüngste Vertragsabschluss mit Volkswagen für Batteriesysteme zeige. Der Ansatz des Unternehmens konzentriere sich vor allen auf Kernkomponenten für Elektrofahrzeuge wie Batteriesysteme und Leistungselektronik. Im Fokus stehen zudem "X-by-Wire" (etwa Steer-by-Wire oder Brake-by-Wire) sowie 5G-basierte Vehicle-to-X-Systeme.

"Die Kernlösung von Mobis wird auf dem europäischen Automobilmarkt bei der Umstellung auf Elektrofahrzeuge eine wichtige Rolle spielen", erklärte Axel Maschka, Executive Vice President and Head of Business Division bei Hyundai Mobis. "Wir erwarten, dass sich der Auftragseingang aus der Region im Vergleich zum letzten Jahr mehr als verdoppeln wird. Bis 2030 streben wir auf dem europäischen Markt ein jährliches Absatzwachstum von über 30 Prozent an."

Webasto hat das Dach im Kopf

Auf der diesjährigen IAA präsentiert Webasto vor allem das Dach als Innovationsfläche. Am Messestand stehen neben der Elektromobilität deshalb vier Anwendungen im Fokus: Das Glasdach soll allen voran nicht nur bei Tag für einen Wow-Effekt sorgen. In die Scheibe wird dafür ein transparenter Druck integriert, der tagsüber nahezu unsichtbar ist, bei Nacht aber von Licht angesteuert werden kann. So lassen sich Muster in unterschiedlichen Farben im Dachhimmel abbilden. Zudem ermöglicht der Zulieferer das Abdunkeln einzelner Dachsegmente mittels eingebundener Folien und schaltbarer Verglasung – ebenfalls in Kombination mit Lichteffekten. Und auch die intergierte Solarzelle feiert auf der IAA ein Revival, um die Reichweite von Elektrofahrzeugen zu verbessern. Zu guter Letzt können fortan auch Kameras und Lidar-Sensoren in ein offenbares Panoramadach integriert werden.

Reporter Fabian Pertschy und  Jan Henning Mehlfeldt von Webasto auf der IAA 2023.
Reporter Fabian Pertschy ließ sich am Webasto-Stand von Jan Henning Mehlfeldt die Details der neuen Dacharchitektur erläutern.

Denso kündigt massive Investitionen an

Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in Europa als Präsident und COO von Denso gab Shinnosuke Hayashi bekannt, dass der Zulieferer in den kommenden Jahren massive Investitionen in neue Technologien plane. In den kommenden zehn Jahren sollen insgesamt 63 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung fließen, um die Ziele „Null Emissionen in der Mobilität“ und „Null Verkehrstote“ zu erreichen. Der Denso-Chef betonte die zentrale Rolle der Autobranche bei der Bekämpfung von CO2-Emissionen und rief die Branche dazu auf, entsprechende Lösungen gemeinsam zu finden.

Gleichzeitig kündigte Denso an, seine weltweiten Produktionskapazitäten auszubauen. Bis 2025 wolle man rund zwölf Millionen Wechselrichter pro Jahr produzieren. Ebenfalls hochfahren möchte der Zulieferer seine Produktion von Halbleitern für Automotive-Anwendungen und Wärmemanagement-Systeme.

Forvia stellt sein Portfolio auf drei Säulen

Am Stand von Forvia erwarten die Besucher zahlreiche Exponate entlang der drei strategischen Wachstumsfelder: Elektrifizierung, autonomes Fahren und nachhaltiges Cockpit. Anhand des Zero Emission Powertrain will der Zulieferer etwa aufzeigen, wie Brennstoffzellensysteme, Hochvoltkomponenten und eine skalierbare zonale Architektur in ein Fahrzeugchassis integriert werden können. Das Ausstellungsstück für automatisiertes Fahren deckt indes die gesamte Bandbreite an Sensorik, Software, Datenfusion und die By-Wire-Technologie für Lenkung und Bremsen ab. Unabhängig von Helligkeit, Nässe oder Nebel soll das Fahrzeug mit einem zuverlässigen Rundumblick ausgestattet sein und dabei sogar Straßen- und Wetterbedingungen in den Fahrstil einbeziehen. Im Cabin Centerpiece Lumières finden sich wiederum Technologien in den Bereichen Seating, Elektronik, Interieur, Licht, HMI und Displays, welche einen Beitrag zur CO2-Reduktion im Cockpit leisten sollen. Das Innenraumkonzept transformiert das Auto zum Lebensraum und setzt etwa auf anpassbare Beleuchtung. Die recycelten Materialien und nachhaltigen Naturfasern wie Hanf oder Ananasblättern wurden vom neuen Geschäftsbereich Materi‘Act entwickelt. Abgerundet wird der Auftritt von Forvia durch Gestensteuerung des Infotainments sowie die Front Phygital Shields. Sie ersetzen den klassischen Kühlergrill durch Signalmodule, welche die Kommunikation mit anderen Verkehrsteilnehmern ermöglichen.

Magna präsentiert das komplette Portfolio

Magna hat auf der IAA einen Querschnitt durch sämtliche Lösungen des Unternehmens dabei. Im Fokus stehen unter anderem autonome Fahrfunktionen, Batteriegehäuse, Lösungen aus dem Seating- und Lighting-Bereich sowie das Innenraummonitoring. Zu den Exponaten zählt etwa das digitale Frontpanel Mezzo Plus, das neben Lichtsystemen auch die notwendige Sensorik für das autonome und vernetzte Fahren beherbergen soll. Mit dem Breakthrough Lighting zeigt der Zulieferer und Auftragsfertiger außerdem eine entsprechende Lösung für das Heck des Fahrzeugs.

Hirschvogel präsentiert Komponenten für nachhaltige Fahrzeuge

Der Komponentenhersteller Hirschvogel bietet auf der IAA vor allem Einblicke in das eigene Portfolio für nachhaltige Antriebslösungen. „Bei der Umstellung unseres Produktportfolios sind wir weit vorangeschritten. Bereits 2025 werden wir mehr als die Hälfte unseres Umsatzes mit diesen Produkten für die Mobilität der Zukunft machen“, erläutert Jörg Rückauf, CEO der Unternehmensgruppe. Neben Differentialkegelrädern, die das Unternehmen zu 80 Prozent für E-Autos produziert, lassen sich am Stand des Zulieferers auch erste Serienbauteile für Brennstoffzellenfahrzeuge in Augenschein nehmen. Für den Markt der Mikromobilität entwickelt und produziert Hirschvogel unter dem Markennamen Aximo außerdem einen Baukasten an Komponenten für elektrifizierte Fahrzeugkonzepte vom E-Bike bis zu Leichtfahrzeugen.

Brose bringt Flexibilität in den Innenraum

E-Bikes und E-Roller sind nicht das Einzige, das Brose in der Münchener Innenstadt für die Besucher bereithält. Neben Mikromobilität zeigt der Zulieferer auch neue Komfortfunktionen für vernetzte und autonome Autos. Bei Annäherung an das seriennahe Fahrzeug erkennt es den Fahrer, begrüßt ihn mit Projektionen auf den Seitenscheiben und öffnet nach einer Geste die Seitentür. Im Interieur vereint der Systemlieferant derweil sein mechatronisches Knowhow mit Sensorik und einer eigens entwickelten Software, um die Sitzanordnung für autonome Fahrten anzupassen. Je nach Bedarf können die elektronisch gesteuerten Sitze, Bildschirme und Ablagen sowie der Luftstrom der Klimaanlage neu angeordnet werden.

IAA 2023 steht im Fokus von Klima-Protesten

Greenpeace-Klimaproteste bei der IAA 2023
Unter anderem Greenpeace protestierte auf der IAA 2023 für mehr Nachhaltigkeit. (Bild: Greenpeace)

Mit einer Abseilaktion über dem Mittleren Ring in München haben Aktivisten der Organisation Extinction Rebellion am Montag Staus ausgelöst. Am späten Vormittag seilten sich zwei Menschen von einer direkt neben der BMW-Zentrale über die zentrale Straßenverkehrsader führenden Brücke ab. Die Polizei ließ sie bei der angekündigten Aktion gewähren. In beiden Richtungen wurde der Mittlere Ring teilweise gesperrt, was zu Behinderungen führte. Auf einem Transparent forderten die Aktivisten, die von einer kleinen Gruppe Demonstrierender auf der Brücke begleitet wurden, "Klimaschutz statt IAA - Geld für Öffis, nicht für Autobahnen".

 

Vor Beginn der Messe IAA Mobility hatte außerdem Greenpeace am Messegelände in München mit versenkten Autodächern protestiert. Aktivisten der Organisation stiegen in eine Wasserfläche vor dem Haupteingang und hielte Transparente mit Aufschriften wie "Autoindustrie versenkt Klimaschutz" oder "Shrink now or sink later" in die Höhe. Dabei führten sie Karosserieteile von drei Autos mit sich, die den Eindruck von unterschiedlich tief versenkten Fahrzeugen vermittelten. Mit der Aktion will Greenpeace gegen "maßlose Verschwendung durch Autobauer" protestieren. Die versenkten Karosserieteile sollten dabei auf die durch den Klimawandel zunehmenden Extremwetterereignisse wie Starkregen hinweisen.

Batterietechnologien der Zukunft

LGs „Alpha-able“ stellt Customer Experience in den Fokus

LG präsentierte auf der IAA mit „Alpha-able“ seine Zukunftsvision für den Fahrzeuginnenraum des Software-defined Cars. Basierend auf einer Kundenbefragung des Unternehmens, in der 43% der Befragten angegeben hatten, das Auto als wichtigen persönlichen Raum zu betrachten, definiert LG die optimierte Mobilitätserfahrung. „Gemeinsam mit dem drastischen Wandel der Industrie verändern sich auch die Bedürfnisse unsere Kunden. Diese verbringen zunehmend mehr Zeit in ihrem Fahrzeug und wollen die Zeit im Auto mit sich selbst oder weiteren Passagieren als Quality Time genießen können“, so CEO William Chow.  Das Konzept „Alpha-able“ teilt sich in drei Kernbereiche: "Transformable", "Explorable" und "Relaxable".

LG visualisiert den Innenraum als wandelbaren Raum, der sich an Bedürfnisse anpasst, etwa auch als Büro oder Kino. Innovative Displays, einschließlich flexibler und rollbarer Bildschirme, sollen dies ermöglichen. Weiterhin soll das Fahrzeug durch KI und XR personalisierte Inhalte basierend auf verschiedenen Faktoren bieten. Für das Wohlbefinden der Insassen könnten sie in einem virtuellen Garten entspannen oder KI-Beratungen nutzen. In der Ära der softwaredefinierten Fahrzeuge fokussiert sich der Konzern so auf kundenspezifische Designs. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Infotainmentsystemen der VS Company, elektrischen Antriebssystemen aus einer Zusammenarbeit mit Magna und Beleuchtungssystemen von ZKW.

Farasis nutzt IAA für Batterieüberblick

Am Messestand von Farasis Energy dreht sich alles um Zellen, Module und Packs. Der Batteriehersteller ist erstmals auf der IAA vertreten und wirbt dank einer Energiedichte von 330 Wh/kg mit einer Reichweite von rund 1.000 Kilometern. Und auch bei der Ladegeschwindigkeit will das Unternehmen Maßstäbe setzen: Im Schnellademodus werde die Batterie in nur 15 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen, erklärt Keith Kepler, CTO und Mitgründer von Farasis. Das dafür angepasste Zelldesign habe allerdings auch Auswirkungen auf die Energiedichte, gesteht er. Aktuell arbeite Farasis an der fünften Generation von Batteriezellen, die bei Energiedichte und Schnellladefähigkeit noch besser abschneiden soll. Bereits entwickelt ist hingegen ein Konzept, welches das thermische Durchgehen des Moduls im Schadensfall verhindert.

Farasis Batterie auf der IAA 2023
Als Pionier mit rund 150 Patenten arbeitet das internationale Team aktuell an der 5. Generation von Batteriezellen. (Bild: Fabian Pertschy)

Die wichtigsten IT-Themen der IAA

Qualcomm verkündet Partnerschaften

Der Messeauftritt des IT-Riesen Qualcomm steht ganz im Zeichen neuer Partnerschaften: Unter anderem kündigte das Unternehmen eine langfristige Automotive-Entwicklungspartnerschaft mit Amazon Web Services an. Gemeinsam möchten die Partner Software-Anwendungen, Datenverarbeitung und das autonome Fahren voranbringen.

Neuigkeiten verkündet Qualcomm auch in der Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz und BMW: Im Rahmen der Partnerschaft mit Mercedes wird Qualcomm unter anderem mit der eigenen Plattform Snapdragon Digital Chassis in der neuen E-Klasse vertreten sein. Gemeinsam mit Bosch ist Qualcomm zudem im Infotainment-System MBUX vertreten. Zum Einsatz kommt hier die Snapdragon Cockpit Platform, die auch BMW für eigene Connectivity-Services nutzt. Der Münchener Autohersteller werde künftig auch auf die Lösung Snapdragon Digital Chassis setzen, heißt es bei Qualcomm.

Mit JLR arbeitet Qualcomm hingegen bei der Implementierung von 5G im Fahrzeug zusammen. Der britische OEM setzt markenübergreifend auf die entsprechenden Elemente des Snapdragon Digital Chassis. Erste entsprechend vernetzte Fahrzeuge sollen 2025 auf den Markt kommen.

Cognizant entwickelt KI-Assistenten für autonomes Fahren

Am Beispiel des autonomen Holon Movers zeigt Cognizant Mobility in diesem Jahr, was im Bereich Deep Learning und generativer KI mittlerweile möglich ist. Das Unternehmen hat mit seinem Very Enhanced Road Assistant eine Fahrbegleitung entwickelt, die verbale und nonverbale Kommunikation besser versteht und adäquater reagiert. Die KI könnte damit zum Ansprechpartner in Roboshuttles sowie Privatfahrzeugen werden. „Uns steht eine technische Revolution bevor, bei der am Ende der Avatar der KI mit dem Fahrzeug zu einer Einheit verschmilzt“, so Daniel Isemann, Head of Data Science & AI bei Cognizant Mobility. Die künstliche Intelligenz soll demnach nicht nur Informationen liefern, sondern auch persönlich und individuell interagieren. Zukünftig soll das System zudem medizinische Notsituationen erkennen. Mehrere Kameras ermöglichen dabei die proaktive Ansprache von Passagieren und das Erfassen von Situationen, um den Reisekontext bei der Konversation besser zu berücksichtigen.

Holoride bringt die große Leinwand ins Fahrzeug

Der Automotive-VR-Experte Holoride zeigt gemeinsam mit seinem neuen Partner Maxdome neue Optionen für das Entertainment im Fahrzeug. Mit Hilfe der App Holoride Cinema können Fahrgäste im Auto den Weg ins virtuelle Kino antreten und Filme oder Serien aus dem Angebot von Maxdome per VR-Headset streamen. Um Übelkeit während der Fahrt zu vermeiden, werden die Bewegungen zwischen Auto und virtueller Realität synchronisiert. Zudem können Nutzer den Abstand zur virtuellen Leinwand sowie die Sitzhöhe entsprechend der persönlichen Präferenzen anpassen. Die Steuerung des Systems erfolgt per Controller oder Eyetracking.

Opsys verspricht hochkompaktes Solid-State-Lidar

Der israelische Sensorexperte Opsys präsentiert auf der IAA Mobility einen Lidar-Sensor, der sich hinter Windschutzscheiben, in Scheinwerfern und Rücklichter integrieren lässt. Durch die Solid-State-Bauweise lasse sich der Umfang der nötigen Sensoren inzwischen auf die Größe einer Kreditkarte verkleinern. Gleichzeitig präsentiert Opsys die entsprechende Software des Systems, die unter anderem eine autonome Kalibrierung der Sensorik verspricht. "Die IAA ist eine ideale Plattform, um die nächste Generation unserer LiDAR-Lösung zu präsentieren, schließlich ist Deutschland ein Synonym für sichere Automobile und für Sicherheit im Straßenverkehr“, betont Guy Gertel, SVP Sales & Marketing bei Opsys.

Thermal-Sensor von Adasky erfasst Fußgänger bei Nacht

Am Messestand von Adasky feiert ein neuer Wärmesensor seine Premiere: Durch die Weiterentwicklung seines Langwellen-Infrarot-Kamerasystems (LWIR) adressiert das Unternehmen die strikteren US-Regularien zur Fußgängererkennung von Notbremssystemen. In Kombination mit der eigens entwickelten Software kann die Kamera selbst bei völliger Dunkelheit Temperaturunterschiede von 50 Millikelvin erfassen und dadurch Objekte auf 300 Meter erkennen sowie auf mehr als 200 Meter klassifizieren. Die Kamera ist dafür mit mehreren Sichtfeldern ausgestattet, um dem automatisierten Fahrzeug eine 360-Grad-Sicht zu ermöglichen. Sie passt sich zudem nur mittels Software an die Umgebungswärme an, sodass sie nicht zeitweise „blind“ wird, da sich keine mechanische Blende für den Kalibriervorgang schließen muss. Adasky kann nach eigenen Angaben bereits einen Auftrag eines führenden US-Autobauers vorweisen und kooperiert seit Mai 2023 mit der Gentex Corporation, um die Massenproduktion voranzutreiben.

BSI möchte für Sicherheit im Connected Car sorgen

Dass mit neuen Mobilitätslösungen auch neue Bedrohungsszenarien einhergehen, zeigt das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) am eigenen Stand. Unter anderem demonstrieren die Sicherheitsexperten, wie sich durch Änderungen an Verkehrsschildern Fehlfunktionen im KI-System von Fahrzeugen hervorrufen lassen. Im Fokus steht zudem die Sicherheit von funkgesteuerten Systemen im Fahrzeug sowie der Schutz vor Cyberattacken an Ladesäulen. Zudem stellt das BSI das Branchenlagebild Automotive zu den aktuellen Cyberbedrohungen der Branche vor. Neben der Absicherung von vernetzten Fahrzeugfunktionen geht es dabei unter anderem um die Sicherheit der Supply Chain, der Produktion oder der Infrastruktur.

Der Digital Loop soll Homologation vereinfachen

Die Projektpartner Kontrol, dSpace, FEV.io, TÜV Süd, Microsoft, T-Systems und Berylls stellen im Rahmen der IAA eine neue Lösung zur Homologation von Software-Aktualisierungen über das Mobilfunknetz vor. Der Digital Loop soll sowohl Autoherstellern als auch Regulierungsbehörden erhebliche Kosten- und Zeitersparnisse bei Typgenehmigungen sowie der Aufrechterhaltung der Produktkonformität über den gesamten Lebenszyklus ermöglichen. Dafür werden mithilfe von Simulationstechniken reale Szenarien nachgebildet, die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der digitalen Umgebung für Test-, Validierungs- und Homologationszwecke gewährleisten sollen. Fahrzeugsysteme werden mit den entsprechenden Informationen konfrontiert und ihre Reaktionen und Entscheidungen analysiert. „Unsere Mission ist es, die Art und Weise zu revolutionieren, wie wir Software-Updates in software-definierten Fahrzeugen validieren und homologieren, die Zeit bis zur Markteinführung zu verkürzen, sowie die höchsten Sicherheitsstandards und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften im Betrieb zu gewährleisten", erläutert Alexander Kraus, CTO der Division Mobility von TÜV SÜD.

DLR präsentiert nachhaltige Mobilität

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)  verspricht auf der IAA das „im Betrieb umweltfreundlichste Auto der Welt, einmalige Test-Infrastruktur für die Entwicklung autonomen Fahrens und neue Ideen für vernetzte Mobilität“. Im Zentrum des Messeauftritts steht der Prototyp Zero Emission Drive Unit Generation 1 (ZEDU-1). Das Forschungsfahrzeug reduziert im Betrieb den Ausstoß von Feinstaub und Mikroplastik durch den Abrieb von Bremsen und Reifen. Erneut zu sehen, ist das Forschungsfahrzeug U-Shift. Das autonome Shuttle ist bereits von der IAA 2021 bekannt und sorgt für eine Trennung der motorisierten Plattform vom jeweiligen Fahrmodul. Dadurch können verschiedene Anwendungsbereiche abgedeckt werden.

TU München hat EDGAR im Gepäck

Die Technische Universität München stellt auf der IAA das Forschungsfahrzeug EDGAR vor, das vor allem Fortschritte im Bereich des autonomen Fahrens demonstrieren soll. Das Shuttle soll bereits im kommenden Jahr Gäste des Oktobersfests durch die Straßen Münchens chauffieren. Möglich macht dies ein Umfelderfassungssystem auf Basis von Kameras, Lidar- und Radar-Sensoren sowie Mikrofonen. Mit Hilfe urbaner Testfahrten konnten Daten gesammelt werden, mit denen die Forscher nun einen Open-Source-Algorithmus für das autonome Fahren erstellen. Am Königsplatz haben IAA-Besucher zudem die Möglichkeit, eine vom TUM entwickelte Hyperloop-Passagierkapsel zu begutachten. Zudem ist die Universität als Teil des Forschungsprojektes Tempus vor Ort und präsentiert dabei Konzepte zur luftgestützten Verkehrsdatenerfassung, Ride-Parcel-Pooling und zur Vernetzung von Fahrrädern.

Die Lieferketten der Autobranche werden resilienter

Die Unternehmen der Autobranche fühlen sich aktuell wieder sicherer im Umgang mit Störungen der Supply Chain. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Beratung Capgemini, die im Rahmen der IAA vorgestellt wurde. Unter anderem haben die Autohersteller ihre Lieferketten in den vergangenen zwei Jahren deutlich stärker lokalisiert: Die Beschaffung an Offshore-Standorten ging in diesem Zeitraum um 22 Prozent, bei Unternehmen in Deutschland sogar um 27 Prozent, zurück. Gleichzeitig sei bei den umfassenden Umstrukturierungen in der Branche die Nachhaltigkeit der Lieferkette in den Hintergrund gerückt. Aktuell zeigt sich etwa die Hälfte der Autobauer zuversichtlich, dass sie 60 Prozent der Umsatzeinbußen aus dem Jahr 2022 inzwischen vermeiden könnten, wenn die gleichen Szenarien (etwa der Halbleitermangel) erneut auftreten würden. Hinsichtlich des Aufbaus intelligenter Lieferketten habe die Branche jedoch noch Nachholbedarf, so die Studienautoren. Nur rund 53 Prozent der Befragten verfügen über eine datengestützte Entscheidungsfindung und die Integration neuerer Technologien wie KI und Datenanalyse in der eigenen Supply Chain.

Lufthansa wünscht sich bessere Vernetzung von Verkehrsträgern

Carsten Spohr, Chef der Lufthansa, hat bei der Vernetzung verschiedener Verkehrsträger die Deutsche Bahn ins Visier genommen. Der Flughafen München zum Beispiel sei bis heute nicht ans DB-Fernverkehrsnetz angeschlossen, kritisierte er auf der IAA. Reisende wollten nicht mit ihren Koffern unnötig oft umsteigen und wählten bequemere Alternativen. Für die Verknüpfung verschiedener Verkehrsträger brauche es eben auch die erforderliche Infrastruktur. Deutsche-Bahn-Vorstandsmitglied Michael Peterson räumte ein, dass die Bahn angesichts der wachsenden Nachfrage überlastet sei und es zu viele Störungen gebe. „Wir haben über Jahrzehnte zu wenig in Infrastruktur investiert.“ Umso mehr begrüße er, dass die Bundesregierung jetzt viel Geld dafür bereitstelle: Nach der schrittweisen Erneuerung des Netzes werde die Bahn in zehn Jahren eine viel bessere Infrastruktur haben.

Branche stehe für zehn Prozent des Frachtaufkommens und ein Prozent der Passagiere, erklärte Lufthansa-Chef Spohr weiter. Dennoch fordere er die Autoindustrie auf, den Fluggesellschaften nicht die knappen E-Fuels, streitig zu machen, die sie für klimafreundlicheren Luftverkehr bräuchten.

Mit Material der dpa

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