Alle paar Wochen wird eine neue Sau auf vier Rädern durchs Dorf getrieben und ein Land, ein Bundesstaat oder eine Region stimmt lautstark in den Abgesang auf die Verbrennungsmotoren ein. Zuletzt brachte etwas überraschend der nicht nur coronabedingt derzeit überaus aktive CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Schröder ein Verbot für Verbrennungsmotoren ins Gespräch. Damit stieß er auf dem CSU-Parteitag mit der Zielgröße des Jahres 2035 ins gleiche Horn wie Dirk Messner, aktuell Chef des Umweltbundesamtes. Beide folgen damit dem Ökobundesstaat Kalifornien, der ab dem Jahre 2035 nur noch Fahrzeuge ohne Verbrennungsmotor für den Straßenverkehr zulassen will. Frankreich will ebenso wie Kanada 2040 aussteigen, Großbritannien bereits 2035 und die Niederlande gar schon 2030. Ähnlich sieht es in Irland, Schweden oder Dänemark aus, die alle in rund zehn Jahren die Verbrenner aussperren wollen.
Jüngst meldete sich das Kieler ifw-Institut zu Wort und hinterfragte die Klimavorteile der Elektroautos. Laut den ifw-Forschern würde bei einer vollständigen Umstellung auf Elektromobilität allein im deutschen Pkw-Bereich der Strombedarf um fast 20 Prozent steigen. Das würde aber wiederum zu einer verstärkten Nutzung von fossilen Brennstoffen zur Stromerzeugung führen, da es klimaschonender sei, mit erneuerbaren Energien den Anteil fossiler Energieträger - insbesondere von Kohle - im Strommix zu reduzieren, als damit Elektroautos zu betanken.
Vor fünf Jahren fand sich die sogenannte ZEV Alliance zusammen, ein freier Staatenbund einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, der den Verkehr bis ins Jahr 2050 klimaneutral machen will. Klimaneutralität ist je nach energieintensiver Fertigung von Fahrzeugen und Komponenten nur möglich, wenn Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotor nicht mehr als neue Modelle für den Verkehr zugelassen werden. Allein in den Vereinigten Staaten gehören neben dem Vorzeigestaat Kalifornien neun weitere Bundesstaaten zu dem ZEV-Bündnis, die rund 40 Prozent der amerikanischen Neuzulassungen darstellen.
China rudert zurück - hin und her
Problematisch dabei, dass für eine entsprechende Klimaneutralität der Strom aller Autos auch grün produziert werden muss. Allein in einem Land wie Deutschland müsste dafür eine gigantische Menge Ökostrom gewonnen werden. Für das Zieljahr 2035 müsste demnach nicht nur klimaneutral der Strom für die jährlich kalkulierten drei bis 3,5 Millionen Neuzulassungen verfügbar sein, sondern auch der Strom für die Millionen von Fahrzeuge, die bis dahin gefertigt werden. Dabei stockt in den vergangenen Jahren der Ausbau erneuerbarer Energien speziell in Deutschland. Im größten deutschen Flächenstaat Bayern gingen im vergangenen Jahr gerade einmal sechs neue Windräder in Betrieb. Immer mehr Bürger, Gemeinden und Interessengemeinschaften klagen höchst erfolgreich gegen den Bau neuer Windräder in der Umgebung von bebauten Regionen und auch Solarparks tun sich schwer.
Andreas Radics, geschäftsführender Partner der Analysten von Berylls: "Würden bereits heute die weltweit angekündigten oder zur Diskussion stehenden Verkaufsverbote oder Restriktionen für den Betrieb von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor gelten, wären 41,6 Millionen Einheiten oder 46 Prozent vom aktuellen globalen Absatzvolumen betroffen." Mit allein 24,6 Millionen Fahrzeugen würde China als der größte Automarkt der Welt mehr als die Hälfte der Fahrzeuge einbringen. Ein Verbrennerverbot wird in China seit mehreren Jahren immer wieder diskutiert. Ein Datum für den sogenannten Car Ban China ist bisher jedoch offener denn je. Allein die kleine Insel Hainan hat als Modellregion ein Fahrverbot für konventionelle Autos bis 2030 ausgesprochen. Die seit vier Jahren andauernde Prüfung eines Zulassungsverbots scheint ein Zeichen dafür zu sein, dass die Koexistenz zwischen E-Auto und Verbrenner in China jedoch noch etwas länger als ehemals befürchtet andauern wird. Doch China gibt in der weltweiten Autoindustrie längst den Ton an. Wenn China allerdings ein Verbot ausspricht und sich komplett für den Umstieg auf elektrische Mobilität entscheiden sollte, müssen die Autohersteller bereit sein, sonst ist ihr Geschäft, das weltweit die meisten Erträge bringt, massiv bedroht. Auch die Europäische Union arbeitet seit längerem daran, ein Datum zu finden, an dem Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nicht mehr zugelassen werden sollen. Hierbei ist der Staatenbund von Europa überaus inhomogen. Gerade für die südeuropäischen Staaten - finanziell angeschlagener denn je - dürfte ein Umstieg auf reine Elektroautos in den nächsten 10 bis 15 Jahren schwierig werden. Die anhaltende Corona-Krise hat die Rahmenbedingungen weiter erschwert.
Synthetische Kraftstoffe
"Am Ende sind die Fahrverbote der kleinen Staaten, zu denen auch Deutschland zählt, zwar ehrenhaft, für die globale Entwicklung aber unerheblich", unterstreicht Andreas Radics, "in China entscheidet sich, wie der Antriebsstrang der Zukunft aussehen wird. Dass sie ohne
Verbrennungsmotor auskommen muss, ist keineswegs klar. Noch im vergangenen Jahr hatte China zwar seinen Fokus auf die E-Mobilität gerichtet, aber dieser Fokus wurde jüngst aufgezogen, Wasserstoff, Brennstoffzellenantrieb und Verbrennungsmotoren spielen als Alternativen plötzlich - wieder - eine größere Rolle. Damit ist für die OEMs eine neue Unsicherheit entstanden, auf die sie reagieren müssen."
Bleibt die Frage, ob ein Verbot für alle neuen Verbrennungsmotoren gilt oder nur für solche, die mit fossilen Kraftstoffen betroffen werden. Weltweit werden die Forderungen nach künstlichen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, immer lauter. Um diese synthetischen Kraftstoffe umweltverträglich produzieren zu können, müsste massiv in den Ausbau von grünem Strom investiert werden. Laut den Beratern von Stahl Automotive Consulting (SAC) können synthetische Kraftstoffe durchaus einen ökologisch wie ökonomisch sinnvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Allerdings müssten dafür bestimmte Bedienungen erfüllt werden. Verwendet man die Kosten der Elektromobilität für die Subventionierung von synthetischen Kraftstoffen aus erneuerbarer Produktion in sonnenreichen Ländern, ließen sich bis zum Jahr 2030 in Deutschland fast 600 Millionen Tonnen einsparen.
Ab Beginn des nächsten Jahrzehnts könnten die synthetischen Kraftstoffe dann sogar die Kostenparität erreichen. Bei der Umstellung des gesamten deutschen Verkehrssektors auf diese Kraftstoffe wären pro Jahr Einsparungen von circa 180 Millionen Tonnen CO2 möglich. Der Vergleich der verschiedenen Antriebskonzepte - inklusive Wasserstoff- führt laut dem SAC-White Paper zu dem Ergebnis, dass "die E-Mobilität keine sinnvolle Lösung zur CO2-Reduktion darstellt", dagegen synthetische Kraftstoffe das höchste Potential haben. Obwohl sie pro Kilometer geringfügig weniger Emissionen einsparen als Wasserstoff, fällt die Gesamtbilanz deutlich positiver aus, da sie im Vergleich zu Wasserstoff geringere Mehrkosten haben und aufgrund der vorhandenen Infrastruktur einfacher einzuführen sind. Ins gleiche Horn stößt eine Studie der britischen Berater von Frontier Economics, die bereits 2018 erstellt wurde. "Synthetische Kraft- und Brennstoffe werden für eine CO2-neutrale Energieversorgung unverzichtbar sein", heißt es dort. "Synthetische Kraft- und Brennstoffe werden integraler Bestandteil einer Energiewende in Richtung Treibhausgas-Neutralität sein, schon allein deshalb, da in verschiedenen Sektoren chemische Energieträger unverzichtbar sind und Energie in großen Mengen nur chemisch speicherbar ist." Allerdings sei auch klar, dass eine autarke Energieversorgung Deutschlands auch nach einer erfolgreich durchgeführten Energiewende unrealistisch ist, schon allein aufgrund der begrenzten Standortverfügbarkeit für Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung.