Lange hat sich der italo-amerikanische Fiat-Chrysler-Konzern geziert, die Elektrifizierung seiner Produkte voranzutreiben. Alibi-Aktionen wie beispielsweise der in Kleinstserie produzierte Fiat 500e hielten das Thema wach, waren aber meilenweit entfernt von einem kommerziellen Erfolg. Nun wurde der Druck offenbar zu hoch, um sich der vom früheren Konzernchef Sergio Marchionne so vehement verhinderten Elektrifizierung noch länger zu entziehen. "Wir haben uns das Thema die ganze Zeit angeschaut und sind nun zum Schluss gekommen, dass der Markt reif ist", erklärt Luca Napolitano, Europachef von Fiat, den späten Entschluss. Mit Hochdruck werden inzwischen über alle Konzernmarken hinweg neue Produkte entwickelt: Maserati steigt noch in diesem Frühjahr in die Hybridisierung ein und stellt im kommenden Jahr seinen ersten vollelektrischen Sportwagen vor. Jeep und Fiat bringen nach langer Vorankündigung Plug-in-Hybridmodelle auf Basis von 500X und Renegade auf den Markt. Zum Jahresende folgt sogar das Geländewagen-Urgestein Wrangler. Und selbst die einfache Hybridtechnologie, deren Batteriesystem ausschließlich durch Rekuperation aufgeladen wird, kommt nun doch noch zum Einsatz: in den City-Modellen Fiat Panda und Fiat 500.

So unterschiedlich beide Fahrzeuge sind, so sehr ähneln sie sich in einem ganz wichtigen Punkt: Beide bewegen sich als Kleinstwagen in einem sehr kostensensiblen Segment. Hier zählt für den Käufer jeder Euro. Dass der Preisrahmen des Fiat 500 exakt 500 Euro über dem des Panda liegt, ist seinem emotionaleren Konzept geschuldet, für das Lifestyle-orientierte Käufer durchaus bereit sind, mehr Geld auszugeben. Doch, so viel war den Fiat-Managern von Anfang an bewusst, ein Aufpreis für ein Hybridsystem von ein paar Tausendern wäre nicht durchsetzbar. "Deshalb haben wir bewusst nach einer einfachen Lösung gesucht, die kosteneffizient ist und die Hybridtechnologie demokratisiert", beschreibt die Cheftechniker Carlo De Marino die Zielsetzung. So entschied man sich bei Fiat für einen durchaus unkonventionellen Weg: Das Hybridsystem wurde Teil der Basismotorisierung, für die gleich ein neuer Motor mitentwickelt wurde.

Setzte Fiat bei beiden Fahrzeugen bislang auf Zwei- und Vierzylinderbenziner, ist es fortan die goldene Mitte. Ein 1,0-Liter-Dreizylinderbenziner mit 70 PS stellt die Basis dar. Damit ist er in etwa genauso stark wie der bisherige 1,2-Liter-Vierzylinderbenziner (69 PS). Ein Zylinder und 200 Kubikzentimeter weniger bedeuten allerdings auch weniger Drehmoment: Im Vergleich zum alten Basistriebwerk sank der Schub um zehn auf 92 Newtonmeter bei 3.500 U/ min. In der Fahrpraxis fällt das allerdings nicht auf: Steigt der Fahrer kräftig aufs Gas, arbeitet der Generator des Hybridsystems als E-Motor und steuert rund 15 Newtonmeter bei. Ein vollelektrisches Fahren, wie man es beispielsweise von Toyota kennt, gibt es bei Fiat nicht. Das ist auch der Entscheidung geschuldet, das Hybridsystem nur mit einer 11-Ah-Lithium-Ionen-Batterie mit 12 Volt auszustatten anstatt mit einer mit 24 oder gar 48 Volt. "Auch in diesem Punkt mussten wir die Kosten im Auge behalten", führt Napolitano aus. Und tatsächlich sind Panda Hybrid und 500 Hybrid mit Preisen von 13.490 und 13.990 Euro die günstigen Hybridfahrzeuge, die europaweit zu haben sind.

Rollen im Leerlauf?

Stellt sich die Frage, ob es Fiat beim Sparen nicht etwas übertrieben hat und ob das Hybridsystem überhaupt nennenswerte Einsparungen bei Verbrauch und Emissionen bietet. "Mit dieser Thematik haben wir uns im Rahmen der Entwicklung intensiv auseinandergesetzt", erklärt De Marino: "Es ist eine Gratwanderung." Zunächst einmal schufen die Entwickler mit dem grundsätzlichen Motor-Layout eine Basis, mit der es sich wirtschaftlich arbeiten lässt. Das aus der neuen Antriebsfamilie Firefly stammende Triebwerk besitzt einen Motorblock aus Aluminium. Nur die Zylinderlaufbuchsen sind aus Gusseisen. Dadurch bringt das gesamte Aggregat lediglich 77 Kilogramm auf die Waage - ein Wert, der sich auch im Wettbewerb sehen lassen kann. Die auf maximale Verwirbelung optimierten Brennräume, die ungewöhnlich hohe Verdichtung von 12:1 und die wassergekühlte Abgasrückführung optimieren die Effizienz weiter. Und ganz nebenbei: Der Dreizylindermotor klingt kernig. Weil allerdings der bisherige Vierzylinder kein Musterexemplar an Laufruhe war, fällt diese Veränderung weit weniger ins Gewicht. Jedenfalls sind Geräuschentwicklung und Vibrationen auf absolut akzeptablem Niveau. Auch das neue, erstmals über sechs Gänge verfügende Getriebe gibt keinen Anlass zur Kritik. Selbst der betont lang übersetzte sechste Gang ist so ausgelegt, dass er den City-Cars nicht jegliche Dynamik nimmt.

30 Prozent Kraftstoffersparnis (im Mittel 4,1 Liter auf 100 Kilometer) verspricht Fiat für beide Modelle im Vergleich zum früheren Vierzylinder. Auch wenn neuer Motor, Hybridsystem und Getriebe hoch effizient Hand in Hand arbeiten, ist dieses Versprechen eine fast unglaubliche Größenordnung. Sie setzt auf jeden Fall die richtige Handhabung voraus, schließlich hat das Hybridsystem ein beschränktes Einsatzspektrum: Es rekuperiert beim Bremsen, unterstützt beim Anfahren und hat eine Segelfunktion, die grundsätzlich - das haben andere Hersteller längst vorgemacht - den Verbrauch durchaus messbar senken kann. Um in den Fiat-Flitzern in den Genuss dieses Modus zu kommen, muss der Fahrer bei Geschwindigkeiten unterhalb von 30 km/h den Gang herausnehmen und im Leerlauf rollen. Damit schaltet sich der Verbrennungsmotor ab, der beim Betätigen der Kupplung sehr weich wieder anspringt - ein Szenario, wie es beim Zufahren auf Kreuzungen vorkommt. Doch das Ganze setzt einen bewussten Schaltvorgang von Hand voraus, weil keine Automatik den Leerlauf aktiviert. Damit ist zweifelhaft, wie viele Nutzer wirklich so konsequent handeln werden. Käufer sollten daher die 30 Prozent nicht ganz so hoch einstufen, vielleicht sogar auch die gesamt Hybridthematik in Panda und 500 nicht überbewerten. Möglicherweise ist es besser, die beiden Fahrzeuge als das zu betrachten, was sie tatsächlich sind: neue, zeitgemäße Einstiegsmodelle.

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