Die Signatur "S 500", die stolz auf dem Kofferraumdeckel der neuen Mercedes S-Klasse prangt, stellt im Grunde ein Vorspiegeln falscher Tatsachen dar. Stand doch diese Buchstaben-Ziffern-Kombination bei Mercedes traditionell für ebenso durchzugskräftige und mit Laufkultur ausgestattete Achtzylinder. Öffnet man die Motorhaube, erfolgt das böse Erwachen im Jahr 2020: Ein Reihensechszylinder macht sich in dem mächtigen Motorraum breit.

Klar, die Fahr- und Leistungsdaten sind eines Triebwerks mit acht Töpfen würdig: 320 kW / 435 PS und ein maximales Drehmoment von 520 Newtonmetern, das ab 1.800 U/min bereitsteht. Dazu kommt die bekannte Elektrifizierung durch den integrierten Starter-Generator, die bei niederen Tempi kurzfristig weitere 16 kW / 22 PS und 250 Nm Drehmoment beisteuert. Beim Fahren zeigt sich das Triebwerk als ein würdiger Nachfolger der mächtigen Achtender und wuchtet die 2.045 Kilogramm Lebendgewicht des Sternen-Flaggschiffs mit einer beeindruckenden Leichtigkeit um die Ecke. Das liegt auch an der Hinterachslenkung, die die Räder der S-Klasse bis zu zehn Grad einschlägt und so den Wendekreis um zwei Meter verringert. Ein Segen, wenn man das 5,18-Meter-Schiff rangieren will, ganz zu schweigen von der Langversion, die es auf 5,29 Meter bringt.

Bei den Fahrprogrammen sucht man einen Sport-plus-Modus vergebens. Denn das wäre so, als ob man Prinz Charles auf einen 400-Meter-Hürdenlauf schickte. Für den englischen Thronfolger ist der Platz rechts hinten angemessen. Der lässt sich zu einem Liegesitz mit einer Lehnenneigung von 37 Grad umfunktionieren und bietet etliche Massageprogramme. In der Version mit langem Radstand neigt sich die Lehne sogar um 43,5 Grad. Auf Wunsch ist auch eine First-Class-Bedientafel samt Tabletbildschirm und zwei Thermo-Cupholder, die die Getränke wärmen oder kühlen, erhältlich. Damit das edle Haupt auch angenehm gebettet wird, bietet die Mercedes-Luxuslimousine beheizbare Zusatzkissen an den Kopfstützen.

Autonomes Fahren Level 3

Eine S-Klasse steht seit je her für Luxus und Innovationen, die das Autofahren verändern. Das weiß auch Hubert Schneider: "Wir mussten die S-Klasse auf allen Gebieten verbessern, sonst würde ein Detail gegen die anderen zu deutlich abfallen", sagt der Mercedes-Ingenieur. Solche Feinheiten bietet dieser Luxuskreuzer wieder mehr als genug und legt damit die Messlatte für Konkurrenten wie den Audi A8 und den BMW 7er fast schon unverschämt hoch. Das Fahrwerk mit Luftfedern ist so komfortabel, dass selbst Bremsschwellen oder grobe Fahrbahnunebenheiten kaum mehr bei den Passagieren ankommen. Das Vorankommen in diesem Luxusmobil hat nichts mehr vom gewöhnlichen Autofahren, sondern ist ein Luxus-Ereignis. Im Inneren ist es derart ruhig, dass man Telefonate auch bei hohen Geschwindigkeiten mit ruhiger Stimme führen kann. Allerdings ist die Karosserie so entkoppelt, dass sie etwas nachwippt, was im Zusammenspiel mit dem riesigen Head-up-Display und dem dreidimensionalen Cockpit für ein schwummriges Gefühl beim Fahrer sorgen kann. Eine extra Wankstabilisierung mit sich verdrehenden Stabilisatoren gibt es im S 500 nicht. Das erledigen die Federn und Stoßdämpfer quasi en passant, indem sie sich bei Bedarf versteifen und so das Auto "abstützen".

In der zweiten Hälfte des nächsten Jahres soll die S-Klasse auch das autonome Fahren Level 3 beherrschen. Allerdings bleibt von den ehemals optimistischen Ankündigungen nicht mehr viel übrig. Der Robo-Pilot ist letztendlich ein verbesserter Stau-Assistent. Das System funktioniert nur bis Tempo 60, auf Autobahnen und braucht ein vorherfahrendes Automobil, an dem sich der Autopilot orientieren kann. Wie es mit baulich getrennten Fahrbahnen, wie etwa bei Stadtautobahnen aussieht, ist noch nicht klar. Schließlich hat der Gesetzgeber das letzte Wort und Mercedes arbeitet nach eigener Auskunft eng mit den entsprechenden Behörden zusammen.

Cineastisches Erlebnis

Beim Parken in entsprechend ausgerüsteten Parkhäusern ist der schwäbische Autobauer schon einen Schritt weiter. In Zusammenarbeit mit Bosch fährt die Limousine selbsttätig vom Abgabepunkt in einen Parkplatz und bei Abholung wieder zurück. Das Ganze funktioniert ohne teure Lidar-Sensorik, sondern mit bordeigenen Mitteln, die mit den Stereokameras des Parkhauses kommunizieren. In einem Parkhaus man Stuttgarter Flughafen läuft schon ein Pilottest, bei dem die Fahrersitze verwaist sind.

Der Innenraum mit dem großen Display schaut modern und dennoch klassisch chic aus, hat aber nichts mehr von dem etwas barocken Charme des Vorgängers. Während der Arbeit freut sich der Chauffeur über ein 12,3 Zoll großes Hightech-Cockpit samt dreidimensionaler Anzeige und zwei integrierten Kameras zur Gesichtserkennung. Auch das zentrale Nervensystem MBUX ist weiterentwickelt, das im Vergleich zum Vorgänger um etwa 50 Prozent an Rechenleistung zugelegt hat. Das Tablet in der Mitte ist maximal 12,8 Zoll groß und hat eine OLED-Auflösung von 1.888 mal 1.728 Pixeln. Dazu passt die verbesserte und eingängigere Bedienung. Stimmenbefehle werden zuverlässig erkannt und im Lenkrad kann man per berührungsintensiven Flächen zum Beispiel die Lautstärke sehr gut und genau regulieren. Zur Wohlfühloase im Innenraum des schwäbischen Kleinods trägt auch eine Ambientebeleuchtung mit einem Lichtband von rund 250 LEDs bei.

Ein geradezu cineastisches Erlebnis bietet das neue Head-up-Display, das die Anzeigen scheinbar rund zehn Meter vor das Auto auf die Straße projiziert. Das entspricht einer virtuellen Monitorgröße mit einer Diagonalen von sage und schreibe 77 Zoll, einem Bildschirmgardemaß, bei dem so manche Heimkino-Fans glänzende Augen bekommen. Wenn das Navigationssystem die Richtungsmarkierungen anzeigt, fliegen die Pfeile förmlich durch die Luft. Das ganze Spektakel wird freilich mit einem monströsen Kasten vor dem Lenkrad und hinter der Windschutzscheibe "erkauft", aber einen Tod muss man sterben und die Vorteile dieses Systems wiegen dieses optische Manko allemal auf.

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