Gartner Predicitions 

Gartner erwartet den Sprung zur Vollautomation

Gartner erwartet bis 2030 erste vollautomatisierte Fahrzeugmontagen. Humanoide Roboter, neue Fahrzeugarchitekturen und flexible Produktionskonzepte sollen die Autofabrik grundlegend verändern.

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Ein Mensch hält ein Tablet mit digitalen Produktionsdaten in einer modernen Fabrikhalle. Im Hintergrund arbeiten Roboterarme an einer automatisierten Montagelinie. Über dem Bild liegen transparente grafische Symbole für KI, Cloud und Fertigungsprozesse.
Digitale Überwachung der Fertigung Moderne Roboterlinien und KI-gestützte Produktionssysteme machen die Autofabrik zunehmend autonom und flexibler.

Die Vision wirkt wie eine Szene aus einem futuristischen Film, doch das Beratungsunternehmen Gartner sieht sie als realistische Etappe der Industrie. Bis 2030 werde es mindestens einen Automobilhersteller geben, der seine Fahrzeuge vollständig automatisiert montiert. Pedro Pacheco, VP Analyst bei Gartner, erklärt: „Wir sprechen nicht von einer dunklen, menschenfreien Fabrik. Es wird weiterhin Menschen geben, aber die Montage selbst kann komplett automatisiert werden.“ Heute testen viele Hersteller humanoide Roboter noch vorsichtig. Die Aufgaben dieser Maschinen sind klein und oft nur umsichtig ausgewählt. Doch Pacheco sieht den Anfang eines größeren Wandels. „Es gibt Automobilhersteller, die humanoide Roboter wirklich als Element der Transformation betrachten“, sagt er. „Andere machen es, weil die Führenden es tun. Und manche tun es nur für die Pressemitteilung.“ Entscheidend sei jedoch eine kleine Gruppe, die das Potenzial dieser Technologie strategisch verfolge.

Das Problem mit den Kabelbäumen

Warum der Schritt zur Vollautomatisierung so groß ist, erklärt Pacheco am Beispiel der verbleibenden Engpässe. Ein Großteil der Produktion ist bereits hochgradig automatisiert. Doch zwei Bereiche bremsen die vollständige Roboterlinie aus: der Innenraum und besonders der Kabelbaum. „Der Kabelbaum ist massiv komplex. Ihn durch Roboter verlegen zu lassen, ist extrem schwierig“, kommentiert der Branchenexperte. Ein Roboter könne physisch zwar vieles greifen, aber die heutigen Bauteile seien nicht dafür ausgelegt. Genau deshalb müsse sich das Fahrzeugdesign verändern. Pacheco verweist auf die neue Sequenzierung in der Fertigung, wie sie Tesla und inzwischen auch Ford mit dem sogenannten „Unboxed Manufacturing" verfolgen. „Wenn das Dach erst ganz am Ende montiert wird, haben Roboter viel besseren Zugang zum Innenraum“, erklärt er. Die klassische Reihenfolge der Karosseriebaugruppen wird dabei aufgebrochen, um Platz für automatisierte Montageoperationen zu schaffen. Auch der Kabelbaum selbst wird neu gedacht. Statt zahlreicher Leitungen, die durch enge Öffnungen gezogen werden, setzt die Branche auf modulare, vorgeformte Lösungen. Pacheco beschreibt die künftige Idee so: „Die Leitungen könnten in die Karosserieteile integriert werden. Wenn die Paneele zusammengesetzt werden, verbindet sich der Kabelbaum automatisch.“ Erst solche Designs machten eine vollrobotische Montage realistisch.

Flexibilität als Schlüssel für die nächste Produktionsstufe

Vollautomatisierte Bereiche erhöhen die Flexibilität des Werks. Taktzeiten lassen sich einfacher variieren, Schichten leichter anpassen, Produktionswechsel werden planbarer. Für Pacheco hat das einen klaren Vorteil: „Das System wird flexibler. Und Flexibilität wird in den kommenden Jahren entscheidend sein.“ Gleichzeitig gehe es nicht darum, Menschen überflüssig zu machen, sondern körperlich anspruchsvolle Arbeit zu automatisieren und Rollen zu verlagern. Schon heute fahren fertige Fahrzeuge teils autonom von der Linie. Für den Gartner-Analysten ist das nur der Auftakt: „Das Auto selbst kann bereits heute automatisch vom Band fahren. Das zeigt, wie nah wir der vollständigen Automatisierung kommen.“ Mit einer durchgehend robotergestützten Montage werde dieser Übergang fließend, fast selbstverständlich.

Gartner erwartet nur wenige Hersteller, die diesen Schritt bis 2030 meistern. Doch gerade deshalb sieht Pacheco den Trend als Richtungsweiser.  Der Unterschied bestehe in der Konsequenz, mit der Unternehmen ihn verfolgen. Am Ende ist es weniger Science Fiction als ein nüchterner Entwicklungspfad. Menschen bleiben Teil der Fabrik, aber ihre Rolle wandelt sich. Roboter übernehmen den Takt, während Organisationen lernen müssen, Produkte und Prozesse von Anfang an automatisierungsfähig zu gestalten. Hersteller, die diese Weichen heute stellen, könnten einen Vorsprung aufbauen, der den Markt weit über 2030 hinaus prägt.