Reportage

Mille Miglia 2017: Ein Mythos wird 90

Veröffentlicht Geändert
ap-21145-bild00_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Überall wo die Mille Miglia durchfährt, ist sie ein Ereignis.
ap-21145-bild01_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Abendliche Stempelkontrolle für die Startnummer 349, einen Mercedes 300 SL der Baureihe W 198.
ap-21145-bild02_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
In einem Vorkriegsmodell wie hier in der Nummer 61 ist die Mille Miglia eine besondere Herausforderung.
ap-21145-bild03_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Ehemals war dieser Mercedes Flügeltürer die legendäre Startnummer 417 - auf der Mille Miglia 2017 ist das 215 PS starke Coupé mit der Nummer 352 unterwegs.
ap-21145-bild04_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Die Pausen für Teilnehmer und Autos sind gleichermaßen kurz.
ap-21145-bild05_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Ein spektakulärer Mercedes 300 SLR mit der Startnummer 345.
ap-21145-bild06_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Hunderttausende von Zuschauern stehen bei den zahllosen Durchfahrten in Orten und Städten am Straßenrand.
ap-21145-bild07_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Adrian Gattiker in seinem einzigartigen Mercedes 300 SL mit Alukarosse.
ap-21145-bild08_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Die pfeilschnellen BMW-Rennroadster schrieben einst auf der Mille Miglia Renngeschichte.
ap-21145-bild09_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Stars und Sternchen - BMW Vertriebsvorstand Ian Robertson mit Model Jodie Kidd.
ap-21145-bild10_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Am Ende kam der Sieger aus dem Heimatland Italien. Andrea Vesco / Andrea Guerini siegten mit der Startnummer 74 auf einem Alfa Romeo 6C 1750 Gran Sport.
ap-21145-bild11_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Startnummer 63, Bugatti Typ 40, rund zwei Stunden nördlich von Rom.
ap-21145-bild12_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Die Durchfahrt auf der großen Piazza von Siena ist jedes Jahr eines der Highlights.
ap-21145-bild13_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Nach knapp 1.700 Kilometern endlich im Ziel in Brescia angekommen.
ap-21145-bild14_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Auch die legendäre Startnummer 1, ein O.M. 665 Sport Superba mit Giulano Cané und Lucia Galliani, hat es in Ziel geschafft.
ap-21145-bild15_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
BMW-Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich war zum ersten Mal bei der Mille Miglia dabei.
ap-21145-bild16_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Die Mille Miglia ist seit ihrer Neuauflage im Jahre 1977 eine Gleichmäßigkeitsfahrt mit rund 120 Prüfungen.
ap-21145-bild17_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Bei den Schlauchprüfungen kommt es auf hundertstel Sekunden an.
ap-21145-bild18_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Startnummer 83, der Alfa Romeo 8C 2600 Muletto mit Neil und Joe Twyman aus England.
ap-21145-bild19_reportage_mille_miglia_2017-jpg.jpg
Die Kulisse auf dem Land muss sich gegenüber den Ortsdurchfahrten nicht verstecken.

Vier Tage lang herrscht zwischen Brescia und Rom Ausnahmezustand. Wenn 450 Oldtimer und deren Begleitfahrzeuge in Italien einfallen, dann denkt keiner mehr an Fahrverbote, Dauerstaus und alternative Antriebe. Die Mille Miglia feiert in diesem Jahr 90. Geburtstag und den 40. Jahrestag ihrer Wiederauferstehung im Jahre 1977.

Mille Miglias gibt es auf der Welt mittlerweile dutzende, doch das einzig echte Rennen um die tausend Meilen findet jedes Jahr Mitte Mai zwischen dem norditalienischen Brescia und der Hauptstadt Rom statt. Längst geht es dabei nicht mehr darum, die knapp 1.700 Kilometer in Höchstgeschwindigkeit zurückzulegen. Die Bestzeit, aufgestellt im Jahre 1955 von Rennlegende Stirling Moss in einem Mercedes 300 SLR, ließe sich im normalen Alltagsverkehr heute sowieso nicht mehr in weniger als elf Stunden zurücklegen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag seinerzeit bei atemberaubenden 157 km/h. Nach ihrem Ende im Jahre 1957 wurde die Mille Miglia 1977 aus ihrem automobilen Dornröschenschlaf erweckt und ist seither offiziell eine Gleichmäßigkeitsfahrt mit rund 120 einzelnen Schlauchprüfungen, in denen es um hundertstel Sekunden geht. Schnell und scharf gefahren wird immer noch, doch für die meisten der mittlerweile 450 Teilnehmer ist die sonntägliche Zieleinfahrt in Brescia der eigentliche Sieg.

Die Oldtimerrallye umgibt ein weltweiter Mythos, den man nur dann verstehen kann, wenn man einmal selbst ins Steuer gegriffen hat. Auch wenn die Kritik in der italienischen Öffentlichkeit wächst, der Tross der Begleitfahrzeuge für zunehmendes Ärgernis sorgt und die mitrasenden Fans immer wieder gefährliche Situationen produzieren - die Mille Miglia muss man einmal erlebt haben. "Die Mille Miglia ist natürlich ein Mythos", so der Schweizer Adrian Gattiker der mit einem Mercedes 300 SL bereits zum dritten Mal teilnahm, "dieser Mythos wird Realität, wenn man dann die Mille Miglia fährt. Es ist einfach einzigartig." An den Straßen jubeln hunderttausende von begeisterten Zuschauern, die Fahrzeuge zu sehen bekommen, die sonst in Privatsammlungen versteckt stehen. Zugelassen sind bei der Mille Miglia jene Fahrzeuge, die in den Veranstaltungsjahren des ursprünglichen Rennens von 1927 bis 1957 gebaut wurden. Wo bekommt man sonst in freier Wildbahn automobile Legenden wie Alfa Romeo 6C, Mercedes 300 SL, Jaguar XK 120, Porsche 356 oder spektakuläre Vorkriegsmodelle wie die BMW 328, Mercedes SSK, Amilcar GCSS oder die einzigartigen O.M. Modelle zu sehen? Gerade in den frühen Vorkriegsmodellen ist das 1.700-Kilometer-Rennen eine echte Herausforderung für Mensch und Maschine.

Die Zeiten, in denen die Mille Miglia im Land der unbegrenzten automobilen Möglichkeiten einen juristischen Freibrief hatte, sind jedoch vorbei. Das ehemals dreitägige Oldtimerrennen quer durch die nördliche Hälfte des italienischen Stiefels bekommt unbeachtet des weltweiten Legendenstatus regional bisweilen Gegenwind. Bürgermeister sagen zunehmend "No!" zur Mille, während andere die zunehmende Kommerzialisierung monieren. Mittlerweile dauert die Rundfahrt vier Tage und statt ehemals 375 Fahrzeuge donnern rund 450 Klassiker nebst opulentem Anhang durch Bella Italia. Die ungeahnten Vollgasorgien im offiziellen Straßenverkehr treten immer mehr in den Hintergrund; auch weil Verstöße bisweilen mit üppigen Geldbußen geahndet werden. Doch der zunehmenden Kritik auf der einen Seite steht die einzigartige Begeisterung der italienischen Autofans auf der anderen Seite gegenüber. Wer die Mille Miglia einmal hinter dem Steuer eines dieser grandiosen Klassiker erlebt, am Wegesrand Fähnchen geschwenkt oder hunderte Hände begeisterter Fans abgeklatscht hat, der kann die nach wie vor vorhandene Begeisterung der Beteiligten verstehen.

Neben den zahllosen kleinen Siegern, die die Zielrampe in Brescia erreichen, gibt es auch einen offiziellen Sieger. Das ist in diesem Jahr die italienische Paarung Andrea Vesco / Andrea Guerini mit der Startnummer 74 auf einem Alfa Romeo 6C 1750 Gran Sport aus dem Jahre 1931. Auf den Plätzen zwei und drei landeten Luca Patron / Massimo Casale mit ihrem O.M. 665 Sport Superba 2000 von 1925 und Giordano Mozzi / Stefania Biacca auf ihrem Alfa Romeo 6C 1500 GS Zagato.