Audi macht um den E-Tron schon ziemlich viel Trara. Nur Stück für Stück enthüllten die Ingolstädter die Geheimnisse ihres ersten Stromer-SUVs. Erst ging es um das Laden, dann um die Rekuperation und letztendlich zogen sie in San Francisco publikumswirksam das Tuch von dem Vehikel. Äußerlich gibt es wenig Überraschungen: Der E-Tron sortiert sich zwischen Q5 und Q7 ein, will damit auch BMW-X5-Fahrern eine reinelektrische Alternative bieten und ganz nebenbei noch dem Tesla Model X und dem Jaguar i-Pace ab dem nächsten Jahr Käufer abjagen.
Der Trumpf, mit dem der Audi alle anderen ausstechen will, ist der Allradantrieb. "Wir wollen mit dem Quattro des E-Tron eine Referenz für den Allradantrieb schaffen", sagt Michael Wein. Der Techniker weiß, wovon er spricht, immerhin hat er schon den Allradantrieb des A5 E-Tron Quattro Plug-in Hybrid Prototyp mitentwickelt. Der erste vollelektrische Quattroantrieb kommt zunächst ohne einem Sperrdifferential an der Hinterachse aus, denn das wird wohl einer späteren RS-Version vorbehalten sein. Die Agilität des Audi wird mit einer hecklastigen Antriebskraftverteilung und gezielten Bremseingriffen an einzelnen Rädern generiert. So weit nichts weltbewegend Neues. Der Kniff des elektrischen Allradantriebs ist eine neue Zuordnung der Zuständigkeit von Steuergeräten beziehungsweise der Software.
Zum Beispiel werden die Bremseingriffe nicht mehr über das ESP, sondern über die Software der Allradsteuerung initiiert, das macht die Manöver des Quattros geschmeidiger als bisher. Zudem regelt die Leistungselektronik die Traktionskontrolle deutlich schneller: Vom Erkennen der Situation bis zum Agieren des Systems vergehen nur rund 30 Millisekunden, das ist um ein Vielfaches fixer als bei einem mechanischen Allradantrieb. Schließlich schießt beim E-Tron Strom durch die Leitungen, während beim herkömmlichen Quattro eine mechanische Kupplung betätigt werden muss - der Geschwindigkeitsgewinn liegt auf der Hand. Die Arbeitsverteilung ist eindeutig und der Dynamik untergeordnet. Das ESP muss nicht mehr den Alleskönner geben, sondern ist hauptsächlich für die ursprüngliche Kernkompetenz des Systems verantwortlich - die Stabilisierung des Fahrzeugs.
Berechenbares Fahrverhalten
Bei den Testfahrten auf einem Salzsee, dessen Oberfläche einen ähnlichen Reibwert wie Schnee hat, lässt das System der Theorie Taten folgen. Stellt man den E-Tron mit dem Fahrmodus "Dynamik" scharf, gestattet die Elektronik bereits variable Heckschwenks, die dem Piloten schon ein Lächeln in das Gesicht stanzen. Allerdings wachen ESP & Co. noch über die Querbeschleunigung und fangen das 2,5-Tonnen-Trumm ruckzuck ein, wenn es einmal gefährlich werden sollten. Sobald man den E-Tron von allen Stabilitätskontrollfesseln befreit, geht der Spaß richtig los, dann wird aus dem Lächeln ein breites Dauergrinsen. Ausgeschaltetes ESP bedeutet auch wirklich "aus". Gefährlich wird es dennoch nie. Das elektrische SUV keilt dank der hecklastigen Momentenverteilung mächtig aus, bleibt aber immer beherrschbar. Auch wenn man aus dem Seitenfenster auf die Fläche schaut, reicht ein kurzes Gasgeben sowie Gegenlenken, und das Fahrzeug beruhigt sich wieder. Zum Freudentango a la E-Tron trägt auch die Progressivlenkung bei, deren Übersetzung größer wird, je mehr man am Volant dreht. Damit wird das Übergreifen so gut wie überflüssig. Bei den Fahrten auf dem glatten Untergrund war die Lenkung noch zu leichtgängig, außerdem lässt sich auch das Gewicht in engen schnell genommenen Kurven nicht ganz verleugnen.
Nichtsdestotrotz ist die Leichtfüßigkeit und Berechenbarkeit mit der der E-Tron um die Ecken fährt, beeindruckend, Das liegt auch an der Torsionssteifigkeit der Karosserie, die aufgrund der verschraubten Batterie im Unterboden um etwa 65 Prozent höher ist als bei konventionellen SUVs und der perfekten Achslastverteilung von 50:50. Letztere wirkt sich auch abseits befestigter Straßen positiv aus, der E-Tron kommt mit tiefen Kuhlen locker klar und die Türen lassen sich auch dann noch problemlos öffnen, wenn das Vehikel nur noch mit zwei Rädern Bodenhaftung hat.
Das Räubern abseits befestigter Straßen wird beim E-Tron nicht zum Alltag gehören. Dank der variablen Kraftverteilung mit zwei Motoren: 165 kW / 225 PS hinten und 135 kW / 184 PS vorne ist das BEV-SUV für den Asphaltalltag bestens gerüstet. Die Nominalleistung beträgt 265 kW / 360 PS, wenn man mehr Power aus den beiden E-Maschinen herauskitzeln will, stehen die 300 kW /408 PS zumindest für rund acht Sekunden zur Verfügung. Dank der Kühlung, die auch den Rotor des Elektromotors miteinschließt, waren auch mehrere Sprints hintereinander möglich: In 5,7 Sekunden soll der E-Tron Landstraßentempo erreichen und bis zu 200 km/h schnell sein. Bei der Reichweite verspricht Audi mehr als 400 Kilometer, wir gehen von etwa 460 Kilometern aus. Bei der Höchstgeschwindigkeit von blassen 200 km/h setzen die Techniker mehr auf einen kernigen Antritt als auf einen hohen Top Speed, der mit einer längeren Achsübersetzung möglich gewesen wäre. Bleibt nur noch der Preis: Der liegt bei 79.900 Euro. Darin sind solche Komfortschmankerl, wie eine Luftfederung und jede Menge Technik enthalten.