Von ZF haben viele ein ziemlich festgefügtes Bild. Der schwäbische Zulieferer ist bekannt für Getriebe, Lenkungen und Dämpfer. Doch jetzt bringt sich der Zulieferer in Stellung, um in den Kampf die Vorherrschsaft beim autonomen Fahren eine entscheidende Rolle zu spielen. Bei den Kameras, die in Autos verbaut werden, ist ZF nach eigenen Angaben schon Weltmarktführer und auch bei den Robo-Autos will der Zulieferer in der Spitze mitspielen. Um die neuen Technologien zu entwickeln, investiert der Zulieferer in den nächsten fünf Jahren zwölf Milliarden Euro in die Forschung und Entwicklung. "Damit sind wir auf dem Niveau von einigen Automobilherstellern", sagt ZF-Chef Wolf-Henning Scheider.
Entscheidend, wer in Zukunft die besten Karten bei den selbstständig agierenden Automobilen in der Hand hält, sind die zentralen Steuergeräte. Bei denen gibt ZF richtig Gas und stellt jetzt mit ProAI RoboThink mit einer Leistungsfähigkeit von 150 Tera-OPS (was 150 Billionen Rechenschritten pro Sekunde entspricht), den nach eigenen Angaben stärksten Zentralrechner für das autonome Fahren vor. Wie der Name schon verrät, soll die künstliche Intelligenz in den Autos auf ein neues Niveau gehoben werden.
Dazu können bis zu vier von diesen Einheiten gekoppelt werden, was dann der Rechenkraft von etwa 120 iPhone X gleichkommt. Das reicht für autonomes Fahren der Level vier und fünf, also unter den schwierigsten Umständen. "Das ist ein Super-Computer auf kleinstem Raum", erklärt Rob Csongor, Vice President of Autonomous Machines bei Nvidia.
Der Druck wächst
Die RoboThink-Einheit ist das Flaggschiff einer ganzen Palette von unterschiedlich leistungsstarken Zentralrechnern, die für autonome Fahrfunktionen vorgesehen sind. ZF setzt dabei auf eine modulare, offene Plattform, das gilt sowohl für die Soft- als auch die Hardware. So lassen sich die Architekturen mit verschieden Chipsätzen bestücken. Die können auch von den Kameraspezialisten MobilEye oder Xilinx kommen, dem weltgrößten Hersteller von programmierbaren Logik-ICs, der sich ebenfalls zu ZF ins Bett gelegt hat. Je nach Anwendungsbereich können die Autobauer verschiedene Rechner der ProAI-Reihe miteinander kombinieren. Das ist auch eine Kostenfrage: Schließlich ist der RoboThink-Rechner rund zehn bis 15 Mal teurer als das "Einsteigermodell" ZF ProAI Gen1.
Die Vehemenz, mit der die Schwaben dieses Projekt vorantreiben, zeigt eine Verschiebung weg vom traditionellen Verhältnis zwischen Autobauer und Zulieferer, bei dem Mercedes, BMW & Co das Heft des Handelns in der Hand hatten. "Wir sind an einem Punkt, an dem wir die OEMs herausfordern" heißt es in Friedrichshafen hinter vorgehaltener Hand. Allerdings wagt sich ZF auch auf dünnes Eis. Fakt ist auch, dass bei der neuen Technologie der Verdrängungswettbewerb noch härter sein wird, als bisher. Während bei Getrieben, Dämpfern und Lenkungen die Entwicklungszyklen auch mal sieben Jahre dauern durften, muss mittlerweile bei Soft- und Hardware deutlich schneller gehandelt werden. Allerdings setzt dieses Tempo auch die Architekturlieferanten, wie eben auch ZF unter Druck, wer bei dieser Entwicklungsgeschwindigkeit nicht Schritt halten kann, fällt aus dem Geschäft.