Hier baut Kia die koreanische Antwort auf den Bulli
Bislang haben die Koreaner für Handel, Handwerk und Gewerbe kaum eine Rolle gespielt. Doch jetzt steigen sie ins Geschäft mit leichten Nutzfahrzeugen ein. Dreh- und Angelpunkt der Strategie ist das Evo-Plant am Standort Hwaseong.
Thomas GeigerThomasGeiger
3 min
Kias Nutzfahrzeuge sollen auch Europa erobern.Kia
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Das Werk von oben.Kia
Das
AutoLand Hwaseong bekommt eine neue Attraktion. Doch anders als der Name
vermuten lässt, geht es dabei nicht um Freizeit und Vergnügen, sondern um
Handel, Handwerk und Gewerbe. Denn das 1990 eröffnete AutoLand ist kein
Themenpark, sondern das mit bislang knapp 600.000 Einheiten im Jahr und rund 14.000 Mitarbeitern größte und wichtigste der vier Kia-Werk in Korea. Und dort
startet die kleine aber progressive Hyundai-Schwester jetzt ihr nächstes
Abenteuer. So wie bislang nur auf dem Heimatmarkt wollen sie auch global zur
großen Nummer unter den leichten Nutzfahrzeugen werden und haben dafür eine
ganze Flotte so genannter Purpose Build Vehicle (PBV) entwickelt, die sich
beginnend mit dem PV5 im Format von Ford Transit oder VW Transporter
mittelfristig vom womöglich sogar autonomen Winzling für die letzte Meile bis
zum XL-Kastenwagen erstrecken soll. Alle natürlich ausschließlich elektrisch,
alle auf einer flachen und betont modularen Skateboard-Architektur – und alle
aus Hwaseong, 90 Minuten südlich der Hauptstadt Seoul.
Zahlen, Daten, Fakten:
Werk: Hwaseong EVO Plant (East)
Fläche: 99.000 Quadratmeter
Produktion: Kapazität aktuell 100.000 Autos pro Jahr / Endausbaustufe mit Hwaseong EVO Plant West (ca. 2027): 250.000 Autos pro Jahr
Baubeginn: April 2023/Produktionsbeginn: August 2025
Beschäftigte: Ca 1.000 (East und West)
Investitionsvolumen: 2,3
Mrd. Euro (East und West)
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Das Ziel: Knapp eine Million Einheiten bis 2030
„Wir
treiben die Elektrifizierung der leichten Nutzfahrzeuge voran und machen das zu
einem unserer künftigen Kerngeschäfte“, sagt Kia-Präsident Ho Sung Song und
will in einem Markt, dem Analysten in den nächsten fünf Jahren ein Wachstum von
weltweit aktuell 220.000 auf dann 1,19 Millionen Fahrzeuge pro Jahr
voraussagen, bis 2030 rund 900.000 Einheiten verkaufen – drei Viertel davon im
Ausland. Zugleich will Song mit dem neuen Werk aber auch die lokale
Wirtschaftskraft stärken. Denn mit den Transportern aus Hwaseong werden dann
zusammen 2,63 der 4,51 Millionen zwischen 2026 und 2030 geplanten Elektroautos
von Kia in Korea produziert.
Den
Startschuss für die Nutzfahrzeug-Offensive haben die Koreaner im April 2023 am
Rande des Werksgeländes mit dem rund 700 Millionen teuren Bau des Evo Plant East
gegeben, das seit diesem August produziert und Mitte November offiziell
eröffnet wurde.
Auf
rund 99.000 Quadratmetern sollen dort schon ab dem nächsten Jahr im
Zweischichtbetrieb 100.000 PV5 vom Band laufen – alle zwei Minuten eines. Das
ist für die Produktionsplaner eine deutlich größere Herausforderung als in den
Werken nebenan, wo sie Fahrzeuge wie den Geländewagen Niro oder den Pick-Up
Tasman bauen. Schließlich gibt es den PV5 nicht nur mit zunächst drei
Batterie-Varianten von 71, 52 oder 43 kWh für bis zu 416 Norm-Kilometer.
Sondern Kia bietet ihn bereits zum Start als Kastenwagen und als Kleinbus mit
unterschiedlichen Bestuhlungen an, hat gerade ein nacktes Fahrgestell für Um-
und Ausrüster präsentiert und plant zudem mit unterschiedlichen Radständen,
Dachhöhen und beim Bus zudem mit verschiedenen Sitzanordnungen für fünf bis
neun Insassen.
Das steckt hinter dem Prinzip E-Forest
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Dafür
braucht es neben einem gleichermaßen standardisierten wie flexiblen Baukasten
mit einzelnen, frei konfigurierbaren Karosserie-Modulen vor allem eine schlaue
Steuerung der Fertigung. E-Forest nennen die Koreaner das dafür genutzte
Prinzip, das die Werke mit künstlicher Intelligenz, Flexibilität und einem
hohen Grad an Automatisierung zur Smart Factory machen soll, Papier verbannt
und den Menschen vor allem für Überwachungsaufgaben nutzt. Weil Bereiche wie
das Teilelager komplett automatisiert sind und allein im Evo Plant East über
250 Roboter arbeiten, kommt es auf einen Automationsgrad von 27,7 Prozent und
erreicht damit einen Spitzenwert in Korea.
Außerdem
haben die Werksplaner entlang der Bänder spezielle Zellen eingerichtet, in
denen unterschiedliche Auf- und Ausbauten mit minimalen Wegen für Komponenten
und Werkzeuge produziert oder zurückgehalten und so Taktzeiten
wieder angeglichen werden können. Und wie in mittlerweile fast jedem Werk
übernimmt den Warenfluss ein automatisiertes Transportsystem mit autonomen
Flurförderfahrzeugen. Auch
ihren CO2-Zielen tragen die Koreaner im Evo Plant Rechnung. So haben sie mit
neuen Trockenzellen den CO2-Fußabdruck der Lackiererei um 20 Prozent
reduziert und wollen mit einem 50 Megawatt-Solarpark in der Nachbarschaft auch ihren
Energieverbrauch nachhaltig decken.
Einblicke in den Karosseriebau des Werks.Kia
Weitere Werksausbauten sind geplant
Wie
ernst es die Koreaner mit dem PBV-Geschäft meinen, zeigt nicht zuletzt die
Terminplanung in Hwaseong. Denn just am gleichen Tag, an dem sie die Eröffnung
des Evo Plant East gefeiert haben, haben sie bereits den Grundstein für das
Werk West gelegt und treiben so den Ausbau ihrer Kapazitäten voran. Noch einmal
140.000 Quadratmeter groß, sollen dort ab 2027 bis zu 150.000 PV7 und danach
auch PV9 pro Jahr vom Band laufen und Hwaseong zusammen mit einem weiteren,
gemeinsam mit Partnern geplanten 60.000 Quadratmeter großen Werk für Um- und
Ausbauten der Transporter mit dann insgesamt rund 1.000 Mitarbeitern in der
PBV-Produktion, gar vollends zum globalen Hub für die Lademeister machen. Das 42
Fußballfelder große Areal lässt sich Kia einiges kosten: Insgesamt haben die
Koreaner bis dann allein 2,3 Milliarden Euro für die Fertigung ausgegeben – und
damit schwer investiert in ihre leichten Nutzfahrzeuge.