Nutzfahrzeug-Werk

Hier baut Kia die koreanische Antwort auf den Bulli

Bislang haben die Koreaner für Handel, Handwerk und Gewerbe kaum eine Rolle gespielt. Doch jetzt steigen sie ins Geschäft mit leichten Nutzfahrzeugen ein. Dreh- und Angelpunkt der Strategie ist das Evo-Plant am Standort Hwaseong.

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Kias Nutzfahrzeuge sollen auch Europa erobern.
Das Werk von oben.

Das AutoLand Hwaseong bekommt eine neue Attraktion. Doch anders als der Name vermuten lässt, geht es dabei nicht um Freizeit und Vergnügen, sondern um Handel, Handwerk und Gewerbe. Denn das 1990 eröffnete AutoLand ist kein Themenpark, sondern das mit bislang knapp 600.000 Einheiten im Jahr und rund 14.000 Mitarbeitern größte und wichtigste der vier Kia-Werk in Korea. Und dort startet die kleine aber progressive Hyundai-Schwester jetzt ihr nächstes Abenteuer. So wie bislang nur auf dem Heimatmarkt wollen sie auch global zur großen Nummer unter den leichten Nutzfahrzeugen werden und haben dafür eine ganze Flotte so genannter Purpose Build Vehicle (PBV) entwickelt, die sich beginnend mit dem PV5 im Format von Ford Transit oder VW Transporter mittelfristig vom womöglich sogar autonomen Winzling für die letzte Meile bis zum XL-Kastenwagen erstrecken soll. Alle natürlich ausschließlich elektrisch, alle auf einer flachen und betont modularen Skateboard-Architektur – und alle aus Hwaseong, 90 Minuten südlich der Hauptstadt Seoul.

Zahlen, Daten, Fakten:

Werk: Hwaseong EVO Plant (East)

Fläche: 99.000 Quadratmeter

Produktion:  Kapazität aktuell 100.000 Autos pro Jahr / Endausbaustufe mit Hwaseong EVO Plant West (ca. 2027): 250.000 Autos pro Jahr

Baubeginn: April 2023/Produktionsbeginn: August 2025

Beschäftigte: Ca 1.000 (East und West)

Investitionsvolumen: 2,3 Mrd. Euro (East und West)

 

Das Ziel: Knapp eine Million Einheiten bis 2030

„Wir treiben die Elektrifizierung der leichten Nutzfahrzeuge voran und machen das zu einem unserer künftigen Kerngeschäfte“, sagt Kia-Präsident Ho Sung Song und will in einem Markt, dem Analysten in den nächsten fünf Jahren ein Wachstum von weltweit aktuell 220.000 auf dann 1,19 Millionen Fahrzeuge pro Jahr voraussagen, bis 2030 rund 900.000 Einheiten verkaufen – drei Viertel davon im Ausland. Zugleich will Song mit dem neuen Werk aber auch die lokale Wirtschaftskraft stärken. Denn mit den Transportern aus Hwaseong werden dann zusammen 2,63 der 4,51 Millionen zwischen 2026 und 2030 geplanten Elektroautos von Kia in Korea produziert. 

 

Den Startschuss für die Nutzfahrzeug-Offensive haben die Koreaner im April 2023 am Rande des Werksgeländes mit dem rund 700 Millionen teuren Bau des Evo Plant East gegeben, das seit diesem August produziert und Mitte November offiziell eröffnet wurde. 

Auf rund 99.000 Quadratmetern sollen dort schon ab dem nächsten Jahr im Zweischichtbetrieb 100.000 PV5 vom Band laufen – alle zwei Minuten eines. Das ist für die Produktionsplaner eine deutlich größere Herausforderung als in den Werken nebenan, wo sie Fahrzeuge wie den Geländewagen Niro oder den Pick-Up Tasman bauen. Schließlich gibt es den PV5 nicht nur mit zunächst drei Batterie-Varianten von 71, 52 oder 43 kWh für bis zu 416 Norm-Kilometer. Sondern Kia bietet ihn bereits zum Start als Kastenwagen und als Kleinbus mit unterschiedlichen Bestuhlungen an, hat gerade ein nacktes Fahrgestell für Um- und Ausrüster präsentiert und plant zudem mit unterschiedlichen Radständen, Dachhöhen und beim Bus zudem mit verschiedenen Sitzanordnungen für fünf bis neun Insassen.

Das steckt hinter dem Prinzip E-Forest

Dafür braucht es neben einem gleichermaßen standardisierten wie flexiblen Baukasten mit einzelnen, frei konfigurierbaren Karosserie-Modulen vor allem eine schlaue Steuerung der Fertigung. E-Forest nennen die Koreaner das dafür genutzte Prinzip, das die Werke mit künstlicher Intelligenz, Flexibilität und einem hohen Grad an Automatisierung zur Smart Factory machen soll, Papier verbannt und den Menschen vor allem für Überwachungsaufgaben nutzt. Weil Bereiche wie das Teilelager komplett automatisiert sind und allein im Evo Plant East über 250 Roboter arbeiten, kommt es auf einen Automationsgrad von 27,7 Prozent und erreicht damit einen Spitzenwert in Korea.

Außerdem haben die Werksplaner entlang der Bänder spezielle Zellen eingerichtet, in denen unterschiedliche Auf- und Ausbauten mit minimalen Wegen für Komponenten und Werkzeuge produziert oder zurückgehalten und so Taktzeiten wieder angeglichen werden können. Und wie in mittlerweile fast jedem Werk übernimmt den Warenfluss ein automatisiertes Transportsystem mit autonomen Flurförderfahrzeugen. Auch ihren CO2-Zielen tragen die Koreaner im Evo Plant Rechnung. So haben sie mit neuen Trockenzellen den CO2-Fußabdruck der Lackiererei um 20 Prozent reduziert und wollen mit einem 50 Megawatt-Solarpark in der Nachbarschaft auch ihren Energieverbrauch nachhaltig decken. 

Einblicke in den Karosseriebau des Werks.

Weitere Werksausbauten sind geplant

Wie ernst es die Koreaner mit dem PBV-Geschäft meinen, zeigt nicht zuletzt die Terminplanung in Hwaseong. Denn just am gleichen Tag, an dem sie die Eröffnung des Evo Plant East gefeiert haben, haben sie bereits den Grundstein für das Werk West gelegt und treiben so den Ausbau ihrer Kapazitäten voran. Noch einmal 140.000 Quadratmeter groß, sollen dort ab 2027 bis zu 150.000 PV7 und danach auch PV9 pro Jahr vom Band laufen und Hwaseong zusammen mit einem weiteren, gemeinsam mit Partnern geplanten 60.000 Quadratmeter großen Werk für Um- und Ausbauten der Transporter mit dann insgesamt rund 1.000 Mitarbeitern in der PBV-Produktion, gar vollends zum globalen Hub für die Lademeister machen. Das 42 Fußballfelder große Areal lässt sich Kia einiges kosten: Insgesamt haben die Koreaner bis dann allein 2,3 Milliarden Euro für die Fertigung ausgegeben – und damit schwer investiert in ihre leichten Nutzfahrzeuge.