Bei Ford tun sie alles, um die Elektromobilität anzuschieben. Aus diesem Grund jagen die Dearborner Manager eigens eine Konzeptversion des tonnenschweren Elektro-Pickups Ford F-150 Lightning im Juni beim berühmten Pikes-Peak-Rennen den Berg hoch. Die Aktion ist dringend nötig. Denn auch die Ford-Kunden halten sich beim Kauf der reinrassigen Elektromobile mittlerweile ziemlich zurück. Im letzten Quartal des vergangenen Jahres schrieb der US-Autobauer mit seinen Stromern einen Rekord-Quartalsverlust von rund 1,6 Milliarden US-Dollar. Über die gesamten zwölf Monate gesehen, summierten sich das Minus der E-Sparte auf knackige 4,7 Milliarden Dollar.
Eine Entwicklung, aus der Ford Konsequenzen ziehen musste: Die Produktion an verschiedenen Standorten in Nordamerika soll nun später als ursprünglich geplant auf Elektromodelle umgestellt werden. Im kanadischen Oakville soll die Fertigung eines SUV mit drei Sitzreihen nun erst 2027 statt wie geplant im folgenden Jahr anlaufen, auf einen Elektro-Truck aus dem Blue Oval City Campus in Tennessee müssen Kunden bis 2026 warten.
Trotz der roten Zahlen in der E-Sparte legte Ford 2023 jedoch ein solides Geschäftsjahr hin. Der Umsatz legte um elf Prozent auf 176 Milliarden US-Dollar und den Nettogewinn im Vergleich zum Vorjahr auf 4,3 Milliarden US-Dollar zu. So soll es auch weitergehen. Prognosen sagen für Ford in diesem Jahr ein Gewinn von zehn bis zwölf Milliarden US-Dollar vor Steuern voraus. Dennoch sieht sich Ford-Chef Jim Farley bei der E-Sparte zu weiteren Kurskorrekturen gezwungen. „In den letzten sechs Monaten hat es seismische Veränderungen gegeben“, erklärte der Top-Manager und legte gleich mit einer Situationsbeschreibung nach, die diese drastischen Aussagen untermauern. „Die Hersteller von Elektrofahrzeugen senken die Preise in allen wichtigen Märkten um 20 Prozent und investieren viel Kapital und Ressourcen in das Segment der Crossover mit zwei Sitzreihen.“
Ford möchte keine Rabattschlacht mitmachen
Farley will an dieser Rabattschlacht nicht teilnehmen und konzentriert sich auf die nächste Generation der Stromer, die eine Nummer größer sein sollen. Vor allem Pick-ups und geräumigere SUVs. So gesehen ist der Pikes Peak F-150-Lightning der Vorbote der neuen Elektro-Fords. Ganz kann sich auch Jim Farley den Gesetzen des Marktes nicht entziehen. Um den Amerikanern die Elektromobilität weiterhin schmackhaft zu machen, gibt es jetzt den aktuellen Elektro-Pick-up für weniger als 70.000 US-Dollar.
Dieses Angebot ist eine Reaktion auf die plötzliche Zurückhaltung der Kunden. Die langen Reservierungslisten bei den Ford-Händlern sind fast völlig verschwunden. 2023 verkaufte Ford 24.000 Lightnings, was einer Steigerung von 54 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht, aber weit von der einst angestrebten Jahresproduktion von 150.000 Einheiten entfernt ist. Ford hat bereits rund 1.400 Angestellte von der Produktion des F-150-Lightning abgezogen und der Fertigung des Pick-ups und anderen Modellen mit Verbrennungsmotoren zugeordnet. Marin Gjaja, Chief Operating Officer der Ford-Elektrofahrzeugsparte von Ford, gibt zwar zu, dass die Verkäufe des Lightning zwar hinter den ursprünglichen Erwartungen zurückbleiben, aber dennoch gut seien.
Ford geht bei E-Fahrzeugen in die Extreme
Immerhin: Im vierten Quartal war der BEV-Pritschenwagen aus Michigan eines der meistverkauften Elektrofahrzeuge nach dem Model Y und dem Model 3 von Tesla. Dieses mittlere Segment der BEVs will Farley auslassen, konzentriert sich aber neben den Dickschiffen auf kleinere Autos. Das verwundert doch auf den ersten Blick etwas, da sich Ford vor einigen Jahren für Kleinwagen mit Verbrennungsmotor zurückgezogen hatte. Gerade bei den Stromern des A- und B-Segments schrumpft die Marge aufgrund der hohen Batteriekosten bis ins Unrentable. Aber Farley, der schon die Geschicke von Ford Europe leitete, geht davon aus, dass auch in den USA die batterieelektrischen Einsteigermodelle in Zukunft finanzielle Früchte tragen werden. Und nicht nur dort! Schließlich strampeln sich die OEMs auf dem 'alten Kontinent' ab, um die 25.000 Euro-Marke zu unterbieten.
Das will Ford auch hinbekommen. Der US-Autobauer tüftelt schon seit geraumer Zeit an kleinen Elektroautos und hat dafür eigens ein Startup namens Skunk Works installiert. Das Ziel: eine kostengünstige EV-Plattform. Mit dem Namen beweist Ford Humor. Entweder will in der Firma keiner was mit den Stinktieren (Skunks) zu tun haben oder – was wahrscheinlicher ist – der OEM aus Michigan eine klare Duftmarke setzen. Die Konkurrenz sieht Farley nicht in VW, Renault oder Stellantis, sondern in den chinesischen Autobauern und dem Budget-Tesla 2. „Alle unsere EV-Teams konzentrieren auf die Kosten und die Effizienz unserer EV-Produkte“, stellt Jim Farley klar und gibt im gleichen Atemzug vor, dass die zweite Generation von Fords Elektro-Produkten schon in den ersten zwölf Monaten nach ihrer Markteinführung profitabel sein werden.
Das Geld, um diese Herkulesaufgabe zu stemmen, kommt auch von der profitablen Nutzfahrzeugsparte Ford Pro, die längst nicht nur die Vehikel an sich umfasst, sondern auch Dienstleistungen wie Flottenmanagement, Wartung oder auch die Finanzierung. Um die erwartete Expansion zu bewältigen, hat Ford die Kapazität des Produktionsstandortes in der Türkei verdoppelt. Durch diese Skalierungseffekte verbessert sich auch die Verhandlungsposition gegenüber den Zulieferern und damit die Profitabilität.
Lincoln-Fahrzeuge müssen das Premium-Image retten
Um Geld zu verdienen, braucht man auch in der Übergangsphase zur Elektromobilität eine Premiummarke. Die Jahre 2024 und 2025 werden für Fords Luxusableger Lincoln entscheidend sein. Vermutlich wird der vollelektrische Lincoln Star noch in diesem Jahr vorgestellt und in naher Zukunft in Oakville produziert werden. Floppt der Stromer, könnte es zunächst keinen zweiten geben. Technologisch wegweisend ist die neue Generation des Lincoln Nautilus, die als eine der ersten Ford-Fahrzeuge mit dem googlebasierten Infotainment-System ausgestattet ist.
Eine große Baustelle, die Jim Farley, der seit dreieinhalb Jahren die Ford-Geschicke leitet, lösen muss, ist das Steigern von Profitabilität und Qualität. Anfang des Jahres musste der Autobauer ausgerechnet die Auslieferung des F-150-Lightning aufgrund von Qualitätsproblemen stoppen. Um den Giganten flexibler und effizienter aufzustellen, hat der CEO an den Grundfesten der Unternehmenskultur gerüttelt. Neben den Einsparungen in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar sind Manager wie der Leiter der Einkaufskomponenten oder ein Betriebsleiter für die Kosten und die Qualität seines Bereichs verantwortlich. Leistung zahlt sich auf dem Lohnzettel aus.
Das Gesundschrumpfen des Konzerns betrifft auch das Werk in Saarlouis, das schon seit einiger Zeit ein Kandidat für einen Stellenabbau war. Von den rund 3.750 Beschäftigten sollen etwa 1.000 bis Ende 2032 weiterbeschäftigt werden. Immerhin hat die Lead the Charge Coalition, die die Bemühungen der großen Automobilhersteller bewertet, ihre Lieferketten gerecht und nachhaltig zu gestalten, Ford auf den ersten Platz gehievt. Solch ein Lorbeer ist schön, aber löst nicht Fords Probleme.