Die Slowakei ist grundsätzlich ein kleiner Markt mitten in Europa, dessen Fläche in etwa Niedersachsen entspricht. In der internationalen Autoindustrie hat sich das Land jedoch einen Namen gemacht, weil hier pro Jahr mehr als eine Million Fahrzeuge hergestellt werden – nirgendwo ist die Produktion pro Einwohner größer. In dieser Hinsicht ist die Slowakei der größte Autostandort der Welt. Mitunter hat auch schon der Titel vom „Detroit in Europa“ am Markt die Runde gemacht. Doch jetzt droht dem Land ernsthafte Gefahr durch den neuen US-Präsidenten Donald Trump, der bereits mehrfach Zölle für Waren in Aussicht gestellt hat, die in die USA kommen. Da die Slowakei stark vom Autoexport abhängig ist, könnte gerade dieser Markt besonders in Mitleidenschaft gezogen werden. Trump „droht den Ruf des mitteleuropäischen Landes als weltweit führendes Automobilproduktionsland zu beschädigen“, berichtet denn auch der amerikanische Wirtschaftssender CNBC.
Autoindustrie mit Exportanteil von 40 Prozent
„Wenn Zölle eingeführt werden, wird dies natürlich Auswirkungen auf die Fahrzeuge haben, die in die USA verkauft werden“, sagte Viktor Marušák, der Generalsekretär des slowakischen Verbandes der Autohersteller Zväz automobilového priemyslu Slovenskej republiky (ZAPSR). „Dies kann die Produktion von zwei der vier OEM-Produktionsstätten in der Slowakei beeinflussen, in denen Luxusmodelle wie Defender, Cayenne, Touareg oder Q8 hergestellt werden“, so der Funktionär gegenüber Automobil Produktion. Hintergrund: Die Exportvolumina von Autos an den US-Markt haben 2023 annährend umgerechnet 3,7 Milliarden Euro erreicht, was drei Prozent vom BIP von 123 Milliarden Euro entsprechen. Das geht aus den Statistiken der Weltbank und von UN Comtrade hervor.
Der Zväz vertritt nach eigenen Angaben über 200 Mitglieder mit rund 174.000 Beschäftigten, die direkt in der Industrie ihre Arbeit finden. Die gesamte Branche mit 367 Zulieferern beschäftigt 255.000 Personen. Sie leistet für die Slowakei einen Beitrag von zehn Prozent zum BIP. Ihre Ausfuhren machen jedoch mehr als 40 Prozent am Gesamtexport aus.
Bei den angesprochenen Fabriken handelt es sich um Volkswagen in Bratislava (2023: 328.000 Fahrzeuge, u.a. Tourag, Passat, Audi Q7), Stellantis in der westslowakischen Stadt Trnava (300.000, Citroën C3), Kia in Teplicka nad Vahom (mehr als 300.000 Wagen, Ceed) und Jaguar Land Rover in Nitra (150.000). Zusätzlich will Volvo 2026 sein erstes Werk in dem Land eröffnen. Die Investitionssumme liegt bei 1,2 Milliarden Euro und die Kapazität bei 250.000 Fahrzeugen. Das Unternehmen hat jüngst den Abschluss der ersten Bauphase bekannt gegeben. Gerade das VW-Werk in Bratislava wäre von den Zöllen besonders betroffen, weil es pro Jahr so rund ein Viertel seiner Exporte in die USA verkauft.
Die Slowakei ist abhängig von Deutschland
Darüber hinaus dürften die Slowakei die möglichen Zölle von Trump indirekt spüren: und zwar, wenn ihre wichtigen Absatzmärkte in der EU durch das US-Embargo in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Geschäfte mit den Europäern machten fast ein Fünftel am BIP aus, wobei Deutschland 2023 mit einem Volumen von mehr als 9,3 Milliarden Euro zwischen sieben und acht Prozent zur slowakischen Wirtschaft beisteuerte. Das war der Löwenanteil am Export, so dass das Deutschland-Geschäft besonders wichtig ist.
Dabei leidet die deutsche Autoindustrie derzeit sowieso schon: Stellenabbau, Gewinneinbrüche und Streiks sowie mögliche Werksschließungen belasten den deutschen Standort schon seit geraumer Zeit. Jetzt könnte ein mögliches US—Embargo noch einmal zusätzlich die angespannte Stimmung weiter eintrüben und die Bilanzen der ohnehin krisengeschüttelten Autobauer belasten – und somit den Absatz von Fahrzeuge, die in der Slowakei hergestellt worden sind, noch einmal zusätzlich erschweren.
„Unsere internationalen Standorte haben eigene Ergebnisverbesserungsprogramme, kurz EVP, aufgelegt“, heißt es von Volkswagen. Grundsätzlich stehe die gesamte europäische Automobilindustrie derzeit vor großen Herausforderungen, so ein Sprecher. Ähnliche Zurückhaltung zeigten die Kollegen von der AHK Slowakei, die ausdrücklich direkte Bewertungen weltpolitischer Ereignisse ablehnten. Weder die slowakische Regierung noch Kia, Stellantis und Volvo waren zu einem Statement zu bewegen.
Die Stimmung ist getrübt
„Für deutsche Unternehmen in der Slowakei sind laut der Herbstumfrage der AHK Slowakei die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen das größte Geschäftsrisiko in den kommenden zwölf Monaten (69 Prozent), gefolgt von steigenden Arbeitskosten (66 Prozent) und der unsicheren Nachfrage (63 Prozent)“, sagte Marco Trisciuzzi, Geschäftsführer der AHK Slowakei. „Deutsche Unternehmen benötigen von der Politik eindeutige Signale, dass die Standortbedingungen stabil und verlässlich sind“, so Trisciuzzi. Nur so könnten sie langfristig planen und ihr geschäftliches Engagement in der Slowakei ausbauen.
Die slowakische Kfz-Industrie konnte von Januar bis September 2024 ihren Output um zwei Prozent steigern, so der AHK-Vertreter. „Für das kommende Jahr sind die Aussichten verhaltener.“ In der AHK-Herbstumfrage, an der sich auch Unternehmen aus der Autobranche beteiligten, erwarteten seinen Aussagen zufolge nur 22 Prozent der befragten Firmen eine verbesserte Geschäftslage in den kommenden zwölf Monaten, während 29 Prozent eine Verschlechterung befürchteten.
„Die größte Herausforderung ist die, die gesamte Lage am Markt überhaupt zu bewältigen“, sagte Marušák vom ZAPSR, für den ein Aspekt besonders wichtig ist: „Der Green Deal wurde im Dezember 2019 vorgestellt. Wir alle wissen, was dann folgte – und zwar Jahre, in denen sich die Bereitschaft von Einzelpersonen, Unternehmen und sogar von Ländern, in bestimmte Bereiche zu investieren, dramatisch verändert hat“, erklärte Marušák, der eine klare Meinung zur Vermarktung seines Standortes als globaler Marktführer vertritt. Selbstverständlich sei dies gute PR, die aber auch etwas billig sei, weil andere Faktoren, wie Wertschöpfung, die Produktivität pro Mitarbeiter oder den Preis der Produktion für die Investoren wesentlich wichtiger seien.