Inga Grieger, BMW i Ventures

„Sustainability ist kein Nebenschauplatz“

Wie bewertet BMW i Ventures Nachhaltigkeit und wie fließt sie in Investmententscheidungen ein? Inga Grieger erklärt, wie aus Vision Impact wird, warum Kreisläufe im Fokus stehen und welche Rolle Start-ups wie Bcomp, Cyclic Materials und Embotech spielen.

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Das Interview mit Inga Grieger, Business Development Managerin und Managing Director bei BMW i Ventures, zeigt, wie sie nachhaltige Innovationen bewertet und strategischen Impact in den Beteiligungen vorantreibt.

Frau Grieger, wie definieren Sie Nachhaltigkeit im Kontext von Investmententscheidungen und welche Rolle spielt sie als Kriterium bei der Auswahl neuer Beteiligungen?

Inga Grieger: Nachhaltigkeit spielt bei BMW i Ventures eine zentrale Rolle, zum einen für unsere Investitionsentscheidungen, zum anderen im Business Development unserer Portfoliofirmen. Sustainability ist eines unserer zentralen Investmentfelder, neben Bereichen wie Car Development, Smart Production, Smart Supply Chain, Digital Sales & Services und IT. Unser Investitionsfokus liegt dabei auf Technologien, die Kreisläufe schließen und Zukunft ermöglichen. Bei der Auswahl potenzieller neuer Beteiligungen bewertet unser Investmentteam die Start-ups aus finanziellem Potential und Investmentstrategie, während ich die Produkte der Start-ups aus Sicht der Endnutzer evaluiere: Welchen konkreten Vorteil bringt die innovative Lösung eines Start-ups?  Gleichzeitig analysiere ich, welchen strategischen Mehrwert die Lösung des Startups der BMW Group bietet.

Können Sie ein konkretes Beispiel geben, welchen messbaren oder strategischen Impact Investitionen von BMW i Ventures auf die Nachhaltigkeitsziele der BMW Group haben – etwa im Bereich CO2-Reduktion, Kreislaufwirtschaft oder Ressourceneffizienz?

Nachhaltiger Impact entsteht nicht isoliert, sondern in vernetzten Ökosystemen. Die Start-ups, in die wir bei BMW i Ventures investieren, setzen an unterschiedlichen Punkten der Wertschöpfungskette an. Einige ihrer Lösungen fließen direkt in Anwendungen der BMW Group ein und zahlen dort auf Nachhaltigkeitsziele ein; andere schaffen messbare Fortschritte für ganze Industrien und damit indirekt auch für die Automobilwelt. Zwei Beispiele verdeutlichen diese unterschiedlichen Wirkungsebenen: Bcomp und Cyclic Materials. Bcomp aus der Schweiz entwickelt Naturfaserverbundwerkstoffe, die zunächst im Motorsport der BMW Group getestet wurden. Durch die Zusammenarbeit mit der BMW M GmbH sind die Materialien inzwischen serienreif. Der gemeinsam entwickelte „BMW M Visionary Materials Seat“ wurde 2024 mit dem Altair Enlighten Award ausgezeichnet – unter anderem für einen Entwicklungsprozess mit deutlich reduziertem CO2e-Footprint von rund 90 Prozent. Cyclic Materials aus Kanada adressiert eine andere Hebelwirkung: das Recycling seltener Erden, von denen bislang nur rund ein Prozent der Materialien wiederverwendet wird. Das Unternehmen hat Technologien zur Rückgewinnung der Materialien entwickelt und ein Closed-Loop-Verfahren etabliert, das die recycelten Stoffe wieder in die Produktion zurückführt. Dadurch lassen sich im Vergleich zur primären Förderung CO₂-Emissionen und vor allem der Wasserverbrauch deutlich senken. BMW i Ventures war Co-Lead des Investments, das den Aufbau zirkulärer Lieferketten unterstützt.

Am Beispiel von Embotech: Wie gehen Sie konkret vor, wenn Sie entscheiden, ob ein Unternehmen ins Portfolio von BMW i Ventures aufgenommen wird?

Im Mittelpunkt steht für mich die strategische Relevanz. Wo bringt die Technologie echten Mehrwert für die BMW Group? BMW i Ventures schaut gezielt von außen auf den Markt, mit dem Ziel, Innovationen früh zu erkennen und aktiv zu fördern. Das bedeutet: Wir investieren nicht in Trends, sondern in Lösungen mit Substanz und Anschlussfähigkeit.

Wie hat die Partnerschaft zwischen BMW i Ventures und Embotech begonnen, wie hat sie sich über die Jahre entwickelt, und welche gemeinsamen Schritte sind künftig geplant – etwa im Hinblick auf automatisiertes Fahren oder nachhaltige Produktionsprozesse?

Unsere Verbindung mit Embotech reicht einige Jahre zurück. Deren Konzept automatisierter Fahrzeugbewegungen in Produktion und Logistik hat uns früh begeistert. Das Pilotprojekt in Dingolfing, begleitet durch die BMW Start-up Garage, war ein Schlüsselmoment. Hier konnten wir live miterleben, was die Technologie im Produktionsnetzwerk leisten kann. Diese Abfolge aus erfolgreichem Pilot, nüchternem Realitätscheck und schließlich fundierter Investment-Entscheidung ist für uns ein Paradebeispiel. Spannend ist, wie sich Embotech weiterentwickelt – etwa mit innovativen Lösungen wie Automated Vehicle Marshalling (AVM) oder Autonomous Tractor Solution (ATT). Diese Technologien sind bereits im Einsatz: In der Produktion der BMW Group sind automatisiert bewegte Neufahrzeuge bereits Realität. 

Zur Person:

Inga Grieger ist Business-Development-Expertin, Leadership-Coach und erfahrene Managerin der Automobil- und Techbranche. Seit 2024 verantwortet sie bei BMW i Ventures als Geschäftsführerin strategische Wachstumsinitiativen, unterstützt ein Portfolio von über 60 Technologieunternehmen und baut branchenübergreifende Partnerschaften auf. Zudem tritt sie als Keynote-Speakerin, Moderatorin und Panelistin auf. Mit "Inga G. Grieger Coaching" begleitet sie seit 2025 Gründerinnen, Führungsteams und Einzelpersonen in Business- und Change-Prozessen. Ihr Fokus liegt auf systemischer Leadership-Entwicklung. Zusätzlich ist sie Network Member bei den Esquai Leadership Advisors.

Zuvor arbeitete Grieger fast elf Jahre in leitenden Funktionen bei der BMW Group. Als Head of Project MyModes führte sie ein globales Team von über 300 Mitarbeitenden und verantwortete multisensorische Nutzererlebnisse für Modelle wie BMW iX, i7 und i5. Weitere Stationen umfassten Experience Design, digitale Services und Innovationsmanagement. Ihre Karriere begann sie als Head of Design bei der Lederfabrik Vogl, anschließend leitete sie in der DRÄXLMAIER Group Design- und R&D-Projekte und meldete mehrere Patente an.