Das Audi Charging Hub in Nürnberg.

Das erste Audi Charging Hub wurde in Nürnberg eröffnet. (Bild: Audi)

Ohne Laden wird Elektromobilität nicht funktionieren. Der Mobility Circle 2022 startet mit einer Binsenweisheit. Welche Herausforderungen damit einhergehen und wie Audi diese angeht, erörtert Jens van Eikels, Leiter Projekthaus Laden, im ersten Vortrag des Kongresstages. Der Autohersteller habe mittlerweile ein vollumfängliches Ladeangebot aufgebaut, das private und öffentliche Ladevorgänge gleichermaßen adressiert.

Damit günstiger Grünstrom effizienter genutzt sowie Spitzenlasten der Energienetze ausgeglichen werden, benötige es van Eikels zufolge bidirektionales Laden. „Wir brauchen ein intelligentes Energiemanagement. Weshalb macht das noch keiner?“, fragt der Experte als Einleitung seiner Erklärung. Immerhin beschäftigt sich Audi nicht erst seit gestern mit der V2G-Technologie (Vehicle-to-Grid). Dennoch hält er eine derartige Netzintegration in Deutschland erst bis 2030 für realistisch.

Jens van Eikels, Leiter Projekthaus Laden bei Audi
Jens van Eikels, Leiter Projekthaus Laden bei Audi, nennt V2G als Erfolgsfaktor für die Elektromobilität (Bild: facesbyfrank)

Die Hürden des bidirektionalen Ladens

Im besten Fall wird der entscheidende Erfolgsfaktor damit zu einer Zeit marktreif, in dem die Elektromobilität aus politischer Sicht längst alternativlos sein sollte. Von steigenden Energiepreisen und krisenbedingten Engpässen ganz zu schweigen. Zu den maßgeblichen Hürden zählt der Projektleiter erstens die Technik, also etwa das Ein- und Ausspeisen über das Fahrzeug, die Batteriealterung und den Wirkungsgrad.

Zweitens würde die Regulatorik die Umsetzung durch fehlende oder überregulierte Rahmenbedingungen blockieren. Der Austausch mit Politik und Interessensvertretern sei jedoch im Gang, so van Eikels. Zwei weitere Faktoren seien Steuern und Kosten. „Heutzutage versteuern sie den Strom zwei Mal: wenn sie ihn beziehen und wenn sie ihn abgehen.“ Für den Kunden ergebe sich kein finanzieller Vorteil. Gepaart mit den Anschaffungskosten für die notwendige Wallbox-Installation ergebe sich ein gehöriges Abschreckungspotenzial.

Einfachere Steuerungs- und Zählmethoden – weg von tradierten, geeichten Zählern – führen in diesem Sinne zur fünften Hürde von V2G. Die Energieversorger müssten sich auf die Elektroflotten verlassen können. Sollten Engpässe auftreten, wäre das Image der Elektromobilität sichtlich beschädigt. Es sei ein Zusammenspiel zweier Fraktionen, erklärt der Audi-Mitarbeiter auf der Bühne. Scheitert einer der aufgezählten Bestandteile, bricht das Kartenhaus zusammen.

Charging Hubs machen Laden zum Luxusgut

Auch Ralph Hollmig schlägt im Anschluss an seinen Kollegen in die gleiche Kerbe. „Das Problem wird sein, dass alle zur gleichen Zeit das Gleiche wollen – gerade in den Städten. Nicht jeder wird Zuhause oder am Straßenrand laden können.“ Die Schlussfolgerung klingt logisch und paradox zugleich: Audi plant exklusive Charging Hubs mit HPC-Schnelladepunkten. Anstatt sich ausschließlich auf das gefächerte Angebot freier Anbieter oder HPC-Partner wie Ionity zu fokussieren, soll „Luxus“ den Weg bereiten.

Der Anlauf erfolgte in Nürnberg. Im kommenden Jahr sollen Hubs in Salzburg, Berlin, München sowie weiteren Standorten folgen. Bis 2024 werde es insgesamt acht deutsche Standorte, berichtet der zuständige Projektleiter und Leiter Premium Laden. Letzteres bedeute mehr als der Dreiklang aus WC, Überdachung und Licht. Anstatt „nur blind Ladeinfrastruktur hinzustellen“, werde Audi Quality Time zurückgeben – etwa in einer Lounge. Die Ladestationen basieren dabei auf Containerwürfeln mit gebrauchten Lithium-Ionen-Batterien, die sich bei Bedarf erweitern lassen.

„Es geht nicht um Quantität, sondern um Qualität“, fasst Hollmig die Strategie zusammen. Und verdeutlicht damit das wohl größte – gesellschaftliche – Problem: Eine drohende Klassengesellschaft, bei der es einerseits an Schnelladepunkten, Toiletten oder Überdachungen mangelt, während andererseits eine Handvoll Hubs als Aushängeschilder fungieren. Teslas Supercharger wurden in diesem Sinne unlängst demokratisiert. Im Interview mit Automobil Produktion hatte es Henner Lehne, Branchenanalyst von S&P Global Mobility, bereits treffend formuliert. „Machen wir uns nichts vor: Die E-Mobilität wird noch auf einige Jahre ein Thema für Besserverdiener sein.“

Die Lounge des Audi Charging Hubs
Die Audi Charging Hubs können etwa um eine Lounge erweitert werden. (Bild: Audi)

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