Die Chery-Strategie für Europa
Wie Chery mit seinen Marken Europa erobern will
"Wollen deutscher sein als die Deutschen“, heißt es bei Chery - hier das R&D-Center.
Chery
Ende des Jahres kommt Chery mit den Marken Jaecoo und Omoda nach Deutschland. Der chinesische Autobauer will mit Substanz wachsen und plant den Bau eines zweiten Werks im Herzen Europas.
Vor zwei Jahren waren Cherys Ambitionen groß. Der
chinesische Autobauer wollte Europa und insbesondere Deutschland im Sturm
erobern. Dafür sollten drei Marken als Speerspitzen dienen: Omoda, Jaecoo und
die rein elektrische Premiummarke Exlantix. Omoda, Jaecoo und die rein
elektrische Premiummarke Exlantix. Aus dem Trio ist vorerst ein Duo
übriggeblieben. Im Dezember steht in Deutschland der Marktstart an. Warum so
spät? Offenbar hat man in Wuhu erkannt, dass das Unterfangen „Wir kapern
Europa“ doch nicht so einfach umzusetzen ist. Zudem hat man aus den Fehlern von
Konkurrenten wie BYD und Great Wall Motor gelernt und geht jetzt strategischer
vor. Ein Schritt nach dem anderen lautet die Devise.
Stufe eins ist ein ehemaliges Nissan-Werk nahe Barcelona
Auch gezwungenermaßen: Aufgrund der von der EU verhängten
Steuern hat sich Chery Anfang 2024 mit dem spanischen Unternehmen Ebro (ein
Joint Venture von Chery und EV Motors) zusammengetan. In einem ehemaligen
Nissan-Werk nahe Barcelona will man demnächst erste Modelle im CKD-Verfahren
(Complete Knocked Down) aus angelieferten Komponenten aus China fertigen.
Aktuell ist es noch das SUV Ebro S700, das auf dem Chery Tiggo 7 basiert.
Später sollen dort auch Fahrzeuge der Chery-Tochtermarken Omoda und Jaecoo vom Band
laufen. Logistisch ist das kein Problem, denn die Kapazität der Fabrik liegt
bei 200.000 Einheiten pro Jahr. Dazu gehört, dass Chery die europäische
Komponentenbeschaffung an diesem Standort ausbaut, um EU-Inhaltsvorgaben zu
erfüllen und die Belastung durch Zölle auf in China gebaute Elektrofahrzeuge zu
verringern. „Unser Ziel ist es, mindestens 50 Prozent Nicht-China-Anteile zu
erreichen“, erklärte Charlie Zhang, Executive Vice President von Chery
International, bereits vor einigen Monaten. Ein zentraler Bestandteil dieser
Strategie ist die Beschaffung von Batterien außerhalb Chinas. Dabei soll es
nicht bleiben. Geplant ist mittelfristig die Errichtung einer vollwertigen
Fertigungsstätte auf dem Alten Kontinent. Diese dürfte dann für die
Premiummarke Lepas gedacht sein. Ein Auto „Made in Germany“ wäre für die
Chinesen ein echtes Pfund. Nicht nur in Deutschland, sondern vor allem auf dem
Heimatmarkt, wo der Verdrängungswettbewerb der Autobauer immer härter wird.
Schon vor geraumer Zeit hat Chery die Fühler zu Volkswagen
ausgestreckt, um Fahrzeuge vor Ort bauen zu lassen. Im Gespräch sind die Werke
in Dresden und in Osnabrück. „Die Situation in Deutschland ist kompliziert“,
ließ Charlie Zhang bereits mehrfach verlauten. Seien es die rechtlichen
Rahmenbedingungen oder die Kosten der Arbeitskräfte. Vermutlich ist es auch
deshalb um diese Kooperation in jüngster Zeit etwas ruhiger geworden.
Fragt man in der Chery-Konzernzentrale in Wuhu nach, geben sich die Verantwortlichen
zugeknöpft: „Wir haben leider keine neuen Informationen!“ Ob mit VW oder einem
anderen Partner: Der Plan der Chinesen klingt schlüssig: Die deutschen und
europäischen Hersteller drosseln die Produktion, und Chery steht bereit, in die
Bresche zu springen. Berichte, wonach Chery eine Fabrik in der Türkei aus dem
Boden stampfen will, hat der Autobauer aus Wuhu sofort ins Reich der Fabeln
verwiesen. Allerdings ist Chery offen für Partnerschaften. Das passt ins Bild.
Chery würde sich über einen Bieterwettstreit freuen, um die besten Konditionen
für ein zweites europäisches Werk zu erzielen.
Bei Chery will man deutscher sein als die Deutschen
Das ändert jedoch nichts an der grundsätzlichen Ausrichtung.
„Wir wollen deutscher sein als die Deutschen“, gab Charlie Zhang unlängst auf
der Chery Global Innovation Conference als Maxime aus und erklärte, wie Chery
dies erreichen will. Neben der bereits angesprochenen Fertigungsqualität setzt
der Autobauer auch auf klare Kommunikation. „Wir haben 2025 gelernt, dass wir
mit Kunden und Zulieferern zusammenarbeiten müssen“, führte Zhang aus. Dass
dieses Prinzip lokale Wertschöpfungsketten mit hiesigen Zulieferern
einschließt, liegt auf der Hand. Eine zentrale Rolle spielen dabei das
Entwicklungszentrum im hessischen Raunheim und jenes in Cornellà de Llobregat bei
Barcelona. Bis Ende des Jahres will Chery rund 45 Händler unter Vertrag haben.
Die Manager aus Wuhu haben aus den Fehlern von Konkurrenten wie BYD und vor
allem Great Wall Motor gelernt und knüpfen erst ein Vertriebsnetz, sobald man die
Produkte ins Land bringt. „Wir wollen die Local Heroes“, erklärt
Chery-Händlerentwickler Benjamin Hopkins. Die Idee, die chinesischen Produkte
in den Ausstellungsraum zu stellen, stößt bei einigen Ford- und Opel-Händlern
auf großes Interesse. Dabei kommt es Chery nicht auf prunkvolle Bauten an. „Uns
ist wichtig, dass der Service stimmt“, sagt Hopkins. Allerdings legen die Chinesen
Wert auf eine ansprechende Optik und ein angenehmes Kundenerlebnis. Deshalb
sind sogenannte Fähnchenhändler außen vor. Das schadet dem Image.
Das Prinzip lautet: solide wachsen, statt schneller Erfolge
auf dem Papier, die genauso schnell wieder verpuffen. Also wird es bei Chery
keine Deals mit großen Autoverleihern wie Sixt geben, nur um schnelle
Zulassungen zu bekommen, wie das BYD praktiziert hat. Martin Geißler von der
Unternehmensberatung Advyce & Company bleibt dennoch skeptisch. „Aus meiner
Sicht ist Chery in Deutschland nahezu chancenlos. Die Modelle fügen sich
nahtlos in den China-SUV-Einheitsbrei ein - ohne jedes Alleinstellungsmerkmal. Diese
wiederholten chinesischen Markteintritte in einen gesättigten Markt ohne echtes
Highlightprodukt erscheinen mir wenig durchdacht. So gibt es kaum eine Chance,
die Marke emotional aufzuladen“, stellt der Analyst fest und fügt hinzu „Das
Ganze kommt mir eher vor, wie eine theoretische Übung von Marketingstudenten
vor, wie eine zu Ende gedachte Strategie.“
Die Marken Jaecoo und Omoda locken mit niedrigen Preisen
Bei der Entscheidung, welche Modelle wann nach
Deutschland kommen, orientiert sich der chinesische Autobauer an den
Erfahrungen, die er bereits in anderen Märkten wie Spanien, Italien, Polen oder
Großbritannien gesammelt hat. Den Anfang macht der Jaecoo 7 als Plug-in-Hybrid
mit einem Preis von unter 40.000 Euro. Im Januar folgen die BEV- und
Vollhybridversionen des Omoda 5 mit einem Einstiegspreis von weniger als 30.000
Euro. Im Februar kommt der große Omoda 9 als PHEV, der knapp 50.000 Euro kosten
soll. Im Sommer rollen der Omoda 7 PHEV und der Jaecoo 5 BEV, die sich die
Plattform teilen, nach Deutschland. In einem Jahr steht das kantige iCar bei
den deutschen Händlern. Auch die Premiummarke Exlantix mit dem
Tesla-Model-Y-Gegner Exlantix ET steht in den Startlöchern. Noch ist nicht
klar, wann das Chery-Trio vollständig ist. Zu groß ist die Gefahr der
Kannibalisierung. Schließlich soll ja irgendwann mit Lepas eine weitere
Premiummarke folgen. „Ein weiterer Punkt ist die Notwendigkeit, Europa nicht
als homogenen Markt, sondern mit länderspezifischen Anforderungen zu
betrachten. Ob Chery daraus etwas gelernt hat, wird sich in den nächsten
Monaten zeigen – die Etablierung nationaler Vertriebsgesellschaften in den
Hauptmärkten ist allerdings schon ein positives Signal um die Charakteristiken
jedes Marktes abzudecken“, erläutert Nicola Borgo, Berater bei Arthur D.
Little. Ob dieser Plan aufgeht, wird die Zeit zeigen.