Porsche zeigt Mut und schickt ausgerechnet beim meistverkauften Modell den Verbrenner in Pension.

Porsche zeigt Mut und schickt ausgerechnet beim meistverkauften Modell den Verbrenner in Pension. (Bild: Porsche)

Die Hardcore-Fans starker Verbrennermotoren mussten ganz stark sein, als vor drei Jahren die Nachricht aus Stuttgart einschlug. Ausgerechnet beim beliebtesten Porsche dreht der Sportwagen-Spezialist den Benzinhahn zu: Den Macan gibt nur noch mit E-Motoren und einer dicken Batterie. Das in neun Jahren 850.000-mal verkaufte Sport-SUV mit hochdrehenden und kraftstrotzenden Benzinmotoren geht zumindest in Europa in den Ruhestand, steht jetzt neben der Luxuslimousine Taycan als zweiter reiner Stromer im Schaufenster. Damit geht die nobel-sportliche VW-Tochter das Risiko ein, dass sich viele Fans des Bestsellers abwenden, weil sie den Weg in die elektrische Zukunft nicht mitgehen wollen.

Um genau das zu verhindern, hat Porsche die gewohnte Form weitgehend beibehalten, um auch die E-Version auf Anhieb als Macan erkennbar zu machen. Die besten Argumente, zögernde Porsche-Fans vom elektrischen Neuling zu überzeugen ist eine Fahrt, etwa im Macan 4S, der mit einem Grundpreis von 90.700 Euro nach dem Top-Modell Turbo die Nummer zwei im Macan-Quartett ist.  

Dessen Verbrenner-Vorgänger war der GTS, der allerdings gut 6.000 Euro teurer kam. Beim Druck auf den eigentlich überflüssigen Startknopf fehlt jetzt natürlich das Brabbeln und Gummeln von einst. Der Stromer singt sein klimafreundlicheres Lied sanft und leise. Natürlich zeigt nahezu jedes E-Auto den meisten Verbrennern sein Heck, wenn es ums Beschleunigen aus dem Stand geht. Beim 4S ist das nicht anders. Er hat mehr Leistung als der Vorgänger GTS (330 kW/516 PS vs. 324 kW/440 PS); beeindruckender ist der Vorsprung des E-Motors beim Thema Durchzugskraft. Hier übertrumpft der 4S mit seinen 820 Newtonmetern seinen Ahnen um 270 Nm.

In einer für Porsche-Fahrer vielleicht nicht ganz unwichtigen Disziplin fährt der Macan 4S seinem Verbrenner-Vorgänger allerdings hinterher. Der schafft bis zu 275 km/h, der Stromer wirft bei 240 km/h den Anker. Aber Hand aufs Herz: Selbst Porsche-Fahrer sind in einer Zeit unterwegs, in der im öffentlichen Verkehr solche Bestleistungen nicht mehr zeitgemäß sind. Spürbar ist dagegen das kraftvolle Beschleunigen aus engen Kurven heraus oder beim Überholen auf der Autobahn. Da kommt auch die ausgeklügelte Fahrwerksabstimmung mit Luftfederung zur Geltung, zieht und schiebt den Macan in Richtung nächste Gerade. Kein Wanken der Karosserie, kaum Seitenneigung, das Sportlerherz gerät in Wallung. Ist das wirklich ein E-Auto? Wenn schnelle Biegungen in kurzer Folge zu meistern sind, hilft die ebenfalls neue Hinterachslenkung. Abseits der Piste fällt der Wendekreis auf, der das Prädikat „Altstadt-geeignet“ verdient.

Trick hilft beim schnellen Laden auch mit halber Spannung

Natürlich ist auch der neue Macan ein SUV und kein Geländewagen. Dennoch wird ihm bei Ausflügen in unwegsames Gebiet nicht bange. Dank Allradantrieb meistert er steile Auf- und Abfahrten auf lockerem Geläuf, krabbelt durch recht tiefes Wasser, ohne dass die 180 Batteriezellen auf Tauchstation gezwungen sind. Auch durch tiefen Matsch, an Schräglagen oder beim Klettern auf naturbelassene Hügel wird dem Porsche-Fahrer geholfen. Auf das Erklimmen von über Felsbrocken werden künftige Besitzer ohnehin mit Rücksicht auf den hohen Preis und ebensolche Werkstattkosten verzichten.

Der Einstiegs-Macan hat allerdings keinen Allradantrieb, kostet 80.700 Euro, gut 10.000 Euro mehr als der vergleichbare Verbrenner. Zum Vergleich: Das Schwestermodell Audi Q6-etron, dass sich Teile der Technik und den Unterboden teilt, ist ab 63.500 Euro zu haben. Beide Halbschwestern haben die gleiche Batterie im Untergeschoss. Sie liefert rund 100 kWh und ist beim Macan für eine Reichweite von rund 600 Kilometern gut. Geladen werden kann mit bis zu 270 kW. Da ein 800-Volt-Netz an Bord ist, geht das zudem recht schnell. Dockt der Porsche an einer entsprechenden Ladesäule an, kann der Akku in 21 Minuten von 10 auf 80 Prozent geladen werden. Bei einem Zwischendurch-Stopp sollen 10 Minuten ausreichen, Energie für weitere 100 Kilometer zu „tanken“. Sollte der Stromhunger an einer Ladesäule landen, die statt mit 800 nur mit 400 Volt betrieben wird, greift ein Trick: Dabei wird die Batterie in zwei Hälften mit halber Spannung geteilt, die dann mit eben jenen 400 Volt auskommen.

Ob sich die Porsche-Kunden umgewöhnen, bleibt fraglich

Erkennbar ist ein elektrischer Macan an der steil abfallenden vorderen Haube, unter der sich ein zusätzlicher Kofferraum („Frunk“) versteckt. Die konturierten Kotflügelgehäuse beheimaten das Tagfahrtlicht mit den vom Taycan bekannten vier waagrechten LED. Die Hauptscheinwerfer finden sich an den Enden des vorderen Stoßfängers. Mangels eines überflüssigen Kühlergrills ist der Gesamteindruck deutlich sportlicher: Über dem Asphalt eine schmale Lippe, die der besseren Aerodynamik dient. Im hinteren Bereich wölben sich die Kotflügel deutlicher als bisher nach außen. Leuchtender Abschluss ist die durchgehende Lichtleiste unter der flach abfallenden Heckscheibe, die einen Hauch Coupé-Feeling vermittelt.

Man wünscht den Porsche-Machern, dass ihre Feinarbeit die gewünschte Begehrlichkeit bei den Fans weckt, im nächsten Jahr nun doch auf ein E-Auto zu wechseln. Was die Sportlichkeit, das Fahrerlebnis und die Fahrleistungen betrifft, sollte der Macan den Nerv der verwöhnten Kunden treffen, auch wenn gerade diese Klientel wohl in Mehrheit (noch) zur Gruppe der Verbrenner-Freaks zählt. Ob die sich an Ladepausen gewöhnen können, so kurz sie mittlerweile auch sind, bleibt fraglich. Umdenken ist dennoch nötig. Schließlich sind bereits ein elektrischer 718 (Boxter/Cayman), ein ebensolcher Cayenne und ein neues Luxus-SUV in Arbeit.

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