
KI soll den Mitarbeitern bei BMW die Instandhaltung erleichtern. (Bild: BMW)
Wenn eine Produktionsanlage im Werk stillsteht, ist Zeit ein kritischer Faktor. Für derartige Situationen hat BMW einen digitalen Assistenten auf Basis generativer KI entwickelt: Der „Factory Genius“ steht seit Kurzem den Instandhaltungsteams zur Verfügung und soll bei der Ursachenanalyse und Problemlösung unterstützen. Getestet wird das System zunächst im Werk Dingolfing, langfristig ist eine konzernweite Nutzung vorgesehen.
Digitale Hilfe im Störungsfall
Der Factory Genius wurde entwickelt, um den Zeitaufwand bei der Fehlersuche an Produktionsanlagen deutlich zu reduzieren. Bei Störungen können sich die Instandhalter nun direkt an den digitalen Assistenten wenden und erhalten innerhalb weniger Sekunden konkrete Lösungsvorschläge. Grundlage dafür ist ein internes Wissensmodell, das auf eine Vielzahl technischer Dokumente und Erfahrungsberichte zurückgreift – etwa aus Anlagenhandbüchern, Qualitätsdaten, Störungsprotokollen oder Schichtbüchern.
„KI-Anwendungen sind inzwischen aus einem modernen Produktionssystem nicht mehr wegzudenken und damit auch ein wichtiger Teil der digitalen Transformation bei der BMW Group. Das Beispiel Factory Genius zeigt, dass insbesondere generative KI die Abläufe für alle Beteiligten vereinfachen und dabei die Wirtschaftlichkeit erhöhen kann“, sagt Michael Ströbel, Leiter Prozessmanagement und Digitalisierung Order to Delivery bei der BMW Group.
Sprachverständnis und interaktive Assistenz
Technisch kombiniert der Factory Genius eine leistungsfähige semantische Suchmaschine mit einem Large Language Model (LLM), wie es etwa auch in Chatbots wie ChatGPT oder Gemini zum Einsatz kommt. Dadurch kann das System nicht nur Schlagworte, sondern auch Inhalte im sprachlichen Zusammenhang erkennen und passende Wartungsanweisungen extrahieren. Die besten Treffer werden mit Quellenverlinkung angezeigt und können auf Wunsch automatisch zusammengefasst werden.
Zusätzlich ermöglicht eine Chatfunktion den Dialog mit dem System – Nutzer können Rückfragen stellen, den Lösungsvorschlag präzisieren lassen oder alternative Anweisungen anfordern. Eine integrierte Übersetzungsfunktion erlaubt es, zwischen mehreren Sprachen zu wechseln – ein Vorteil vor allem bei internationalen Teams oder Standorten, etwa dem neuen BMW-Werk im ungarischen Debrecen, wo nicht alle technischen Dokumente in Landessprache vorliegen.
Entwicklungsprozess: Pilotphase in Dingolfing
Die technische Basis für den Factory Genius wurde im Frühjahr 2024 im Karosseriebau des Werks Dingolfing gelegt. Parallel dazu entwickelten auch andere Werke, darunter Spartanburg (USA) und Rosslyn (Südafrika), vergleichbare Anwendungen. Ziel war überall das gleiche: eine schnellere, fundierte Informationssuche bei Störungen sowie für Schulung und Wartung. Die zentrale Digitalabteilung in München konsolidierte diese Entwicklungen zu einer übergreifenden, unternehmensweiten Lösung.
Die erste Ausbaustufe dieser sogenannten „Best-of“-Anwendung ist inzwischen weltweit über eine interne Plattform verfügbar und bildet damit die Grundlage für eine einheitliche Wartungsassistenz innerhalb des Konzerns.
Potenzial für weitere Einsatzfelder
Die zugrundeliegende Technologie des Factory Genius ist laut BMW nicht auf die Instandhaltung begrenzt. Da das System modular aufgebaut ist und verschiedenste Dokumenttypen verarbeiten kann, sei es auch für weitere Produktionsbereiche denkbar – etwa zur Unterstützung in der Qualitätssicherung, Logistik oder Montage.
Darüber hinaus ist die Lösung cloudbasiert und kann dadurch zügig global ausgerollt werden. Das entspreche auch der strategischen Zielsetzung, weltweit vernetzte Smart Factories zu betreiben, wie sie unter anderem im Werk Dingolfing seit Jahren systematisch aufgebaut werden.