
In der Eisenacher Montage ist Platz Mangelware. (Bild: Opel)
In einer historisch bedeutsamen Stadt wie Eisenach spielt der Blick zurück stets eine wichtige Rolle. Nicht nur aufgrund der Wartburg, auf der Martin Luther vor rund 500 Jahren die Bibel übersetzte. Auch im Opel-Werk der Stadt ist Tradition zu spüren und zu sehen. Die Bürogebäude auf dem Werksgelände würden Fans der Kultserie „Stromberg“ ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Besonders im Vergleich zu anderen hochmodernen Einrichtungen auf den Fabrikgeländen der Konkurrenz strahlt das Eisenacher Gelände eine angenehme Form von Pragmatismus und Bodenständigkeit aus. Doch fernab dieser nostalgischen Begleiterscheinungen geht der Blick der Belegschaft nach vorn. Besonders seit der Jahrtausendwende durchlief Eisenach viele Transformationen. Die Mitarbeiterzahl reduzierte sich im Laufe der Jahre stetig, ebenso wie die Produktvielfalt. Doch sämtlichen Unkenrufen zum Trotz blieb der Standort bestehen und ist nun damit beauftragt, Opels Flaggschiff-Modell zu bauen – den Grandland. Wie genau dessen Produktion abläuft, lesen Sie hier.
Wartungsbedarf soll frühzeitig erkannt werden
Da das Werk kein eigenes Presswerk besitzt, ist die erste Station der Karosseriebau. Jörg Biehler ist ein Opel-Veteran und hat schon mehrere Konzernmütter von Opel im Laufe seiner Dienstjahre kommen und gehen sehen. Erst lange GM, dann kurz die Groupe PSA, bis diese 2021 zu Stellantis wurde. Instandhalter Biehler ist geblieben und schnell wird klar, dass er eine besondere Beziehung zu seinem Werk hat. Der Karosseriebau befindet sich im Hauptgebäude E40 und zum Teil im Gebäude E100. Hier wird seit Herbst 2024 ausschließlich die neue Generation des Grandland produziert. Die Unterbodengruppe entsteht im Gebäude E100, das mit modernen Steuerungen und Stellantis-Standards für Robotik ausgestattet ist. Etwa 90 Prozent der Schweißprozesse laufen adaptiv, was eine präzise Einstellung von Passungen ermöglicht.
Zur Qualitätsüberwachung wird ein System eingesetzt, das Schweißprozesse in Echtzeit analysiert und Abweichungen wie erhöhte Widerstandswerte meldet. Ergänzend werden die Bewegungen auf dem Shopfloor überwacht - beispielsweise das Schließen von Spannern, um Wartungsbedarf frühzeitig zu erkennen. Die Karosserie durchläuft die Aufbaustufe zwei, in der Seitenwände angebracht und erste manuelle Arbeiten wie die Montage von Türen durchgeführt werden. Kamerasysteme prüfen dabei mithilfe von maschinellem Lernen Attribute wie Clips oder Stopfen. Zusätzlich misst Online-Messtechnik Spaltmaße und Abstände, die von Mitarbeitern korrigiert werden.
Die Integration des neuen Modells erfolgte parallel zur laufenden Produktion des Vorgängermodells – eine komplexe Aufgabe, die Biehler und seine Kollegen nur mit großer Flexibilität meistern konnten. Heute kommen auch Cobots zum Einsatz, die Mitarbeitende beispielsweise bei Schweiß- und Hebearbeiten unterstützen.
Opel setzt im Lack auf Emufedern
Die Lackiererei arbeitet nach dem Vier-Wet-Verfahren, das Ende 2022 implementiert wurde. Es umfasst drei nasse Schichten – Basislack 0, den regulären Basislack und Klarlack – sowie den vierten Teil, das PVC- oder auch Sealing-Material. Alle Schichten werden gemeinsam in einem Ofendurchlauf getrocknet, was die Effizienz steigert, und Energiekosten senkt. Vorherige Verfahren wie das Drei-Wet-Verfahren oder separate Primerprozesse wurden 2019 durch einen großen Linienumbau abgelöst, erzählt Martin Schnepfe aus der Anlagenplanung der Lackiererei.
Der Prozess beginnt mit der Vorbehandlung und Phosphatierung der Karosse für den Korrosionsschutz, gefolgt von der kathodischen Tauchlackierung. Nachfolgend werden die Oberflächenkontrollen und die Abdicht-Prozesse durchgeführt, darunter Unterbodenschutz und Nahtversiegelungen. „Arbeiten wie Nahtkontrolle, Verstreichen und Spachteln wollen wir automatisieren, um Investitionen effizienter zu gestalten“, sagt Schnepfe. Ein Highlight der Lackiererei ist die Zweifarblackierung, die mit Abkleben, Nass-Demaskieren und Inspektionen erfolgt. Das Eagle-Eye-System übernimmt den Großteil der Fehlerkorrekturen automatisiert, erkennt Fehlerpunkte und meldet diese an die Mitarbeiter, so Schnepfe.
Insgesamt dauert der Lackierprozess etwa neun bis zehn Stunden. Selbstredend spielt auch in Eisenach Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle: Bestehende Anlagenteile wurden optimiert, um Ressourcen zu schonen. Eine Besonderheit im Lack: Die Nutzung von Emufedern. Die Entscheidung basiere auf der Philosophie, ohne zusätzliche Hilfsstoffe zu arbeiten. Diese Anlagen ermöglichten eine präzise Reinigung der Karosse und passten gut zu den Anforderungen des Vier-Wett-Prozesses, so Schnepfe.

Eine Linie für alle Antriebsvarianten in der Montage
„Die Montage in Eisenach vereint jahrzehntelange Erfahrung mit modernster Technologie“, sagt Marc Vockenberg, Bereichsleiter Fertig- und Endmontage. Hier wurden Manager, Mitarbeiter sowie Auszubildende geschult, um effiziente Produktionssysteme zu erlernen. „Eisenach galt bereits unter General Motors als das modernste, kompakteste und effizienteste Werk “, so Vockenberg. Über die Jahre hat sich der Standort transformiert. Angefangen mit der Produktion des Vectra, folgten Kleinwagen wie Adam und Corsa. „Der Adam, mit seiner Vielfalt, ist für viele Mitarbeiter ein Symbol des Werks, und der Anblick eines Adam auf der Straße weckt bis heute Stolz“, so der Bereichsleiter. Nun macht das Opel-Flaggschiff, der neue Grandland, die Kollegen sehr stolz. Das Werk ist heute optimiert und flexibel genug, den Grandland in allen Antriebsvarianten auf einer Linie zu fertigen. Aufgrund geografischer Einschränkungen – das Werk ist von Bahnlinien, Straßen und einem Fluss umgeben – mussten bestehende Flächen effizient genutzt werden. Ein Hochregallager unter anderem mit automatisierten Staplern kompensiert den begrenzten Platz.
Die flachen Hierarchien in der Matrixorganisation ermöglichten es, Ideen schnell umzusetzen, und die Nähe zur Entwicklungszentrale in Rüsselsheim fördere Innovationen wie die Color Edition mit schwarzem Dach, die von Eisenach aus in andere Werke und Produktfamilien übernommen worden sei. „Eisenach war stets ein Ort des kreativen und pragmatischen Denkens“, sagt Vockenberg.
Heute produziert Eisenach den größten Opel im Stellantis-Verbund, den Grandland – einschließlich der vollelektrischen Variante. Die Batteriefertigung wurde im Werk integriert, mit Platz für unterschiedliche Batterievarianten und einem hohen Automatisierungsgrad. Beispielsweise tragen Roboter Wärmeleitpaste auf, um die Batteriemodule optimal zu kühlen, und ein Reibverfahren mit 80 Schrauben sorgt für Dichtigkeit.
Qualitätskontrolle auf besonderem Spurstand
Die Endkontrolle startet, sobald die Programmierung aller Steuergeräte abgeschlossen ist. „Die Fahrzeuge durchlaufen hier das Outside Conformity Gate, in dem mit Kamerasystemen bis zu 68 Attribute geprüft werden. Dazu gehören die korrekte Montage von Reifen, Felgen und Emblemen“, erklärt Monika Bode, Leiterin Endkontrolle Qualität. Aufgrund der Umstellung auf den neuen Grandland erfolgt die Prüfung aktuell noch manuell. Zusätzlich ist ein Unterboden-Prüfgate im Aufbau. Hier checkt die KI Leitungen, Kabel und Federn. Ein weiteres Gate ist für das Türmodul geplant, um Fensterheber und Kabelverlegungen zu kontrollieren.
„Besonders stolz sind wir auf unseren integrierten Spurstand, der Spur, Scheinwerferjustierung und Fahrerassistenzsysteme in einem Stand kalibriert. Viele andere Werke benötigen dafür zwei getrennte Stände“, so Bode. Mit einem Partner habe man dieses System entwickelt, das auf kleinstem Raum alle relevanten Einstellungen vornimmt. Das Fahrzeug wird zentriert und aus dieser Nullstellung erfolgen alle Justagen. Dazu gehören auch die Kalibrierung der Frontkamera, der Parksensoren und neuerdings des Corner-Radars. Dabei wird der Stand regelmäßig mit einem 3D-vermessenden Kalibriergerät nachjustiert. Ergänzt wird die Prüfung durch einen Rollenprüfstand für Bremsen, eine Rüttelstrecke zur Geräuschüberprüfung und einen Wassertest zur Dichtheitskontrolle.
Neben der Qualität steht Kompetenzförderung für die Werksleitung an höchster Stelle. „Unsere Mitarbeiter sind flexibel geschult und können alle Takte übernehmen – von der Oberflächenprüfung bis zur Spureinstellung“, sagt Bode. Dies sei von Anfang an eine bewusste Entscheidung gewesen, um die Flexibilität im Werk zu erhöhen. Pro Schicht arbeiten hier etwa 40 Personen, und alle sind für verschiedene Aufgaben trainiert.