Im Jahr 2023 startete Horse als Teil von Renault, ist inzwischen aber eine Division des Joint Ventures Horse Powertrain von Renault und Geely, der in Kürze Aramco als Spezialist für alternative Kraftstoffe beitreten wird. Seit der offiziellen Gründung im Mai vergangenen Jahres soll Horse die jahrzehntelange Expertise Renaults im Bereich der Hybridtechnik und effizienter Antriebe bündeln und mit den Fertigungs- sowie Technologiekompetenzen von Geely zusammenführen.
Nur knapp eineinhalb Jahre nach der Gründung feuert Horse bereits auf allen Zylindern und betreibt Standorte in sieben Ländern (Argentinien, Brasilien, Chile, Portugal, Rumänien, Spanien und Türkei) plus Entwicklungszentren in Spanien und Rumänien. Bei der globalen Expansion vom Hauptsitz in Madrid aus hilft unter anderem die eigene Vision rund um die Smart Factory.
Wie nutzt Horse digitale Zwillinge für mehr Effizienz?
Einen wichtigen Teil der digitalen Infrastruktur stellt dabei der digital Twin dar, das Horse seit September gemeinsam mit Dassault Systemes umsetzt. Neben besseren Prozessen und einer effizienteren Fertigung hilft das System dem Powertrain-Experten auch dabei, Ressourcen zu schonen und die eigenen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. „Einer der Bereiche, wo wir das bisher deutlich sehen, ist das Prototyping“, sagt CTO Julien Faure. Hier würden traditionell signifikante Mengen an Rohmaterialien und Energie verwendet. Durch den digitalen Zwilling habe man die Ressourcennutzung und den entsprechenden Materialausschuss deutlich senken können.
„Wenn wir etwa einen neuen Elektromotor für den Antriebsstrang entwickeln, können wir von diesem Motor einen digital Twin erstellen“, so Faure. Das virtuelle Modell erlaube Horse dann, verschiedene kritische Faktoren wie den Energieverbrauch, die Verteilung von Hitze und die Abnutzung am Material zu simulieren, ohne physische Tests durchführen zu müssen. Ein Anwendungsfall sei etwa die Evaluation verschiedener Kupferlegierungen für Motorwicklungen. „Durch die Analyse dieser Legierungen basierend auf Faktoren wie Leitfähigkeit, Langlebigkeit und den jeweiligen Recycling-Möglichkeiten waren wir in der Lage, die optimalen Materialien nicht nur im Hinblick auf die bestmögliche Performance auszuwählen, sondern auch die nachhaltigsten Lösungen zu finden“, erklärt Faure.
Gleichzeitig erlaubt es der digital Twin dem Unternehmen, schneller auf veränderte Kundenanforderungen zu reagieren. Möglich mache dies unter anderem der modulare Aufbau des eigenen Systems, das schnellere Modifikationen und Verbesserungen bestehender Lösungen erlaube. „Zudem verbessert der virtuelle Zwilling die Kollaboration unserer globalen Teams“, führt Faure weiter aus. „Dadurch, dass wir sicherstellen, dass die Informationen, mit denen unsere Mitarbeiter arbeiten, immer up to date sind, können wir Entscheidungen auf einer fundierten Basis treffen und schnell auf Kundenwünsche reagieren – seien es Performance-Upgrades, Design-Veränderungen oder auch Regularien in bestimmten Märkten.“
„Der virtuelle Zwilling verbessert die Kollaboration unserer globalen Teams“
Wie verändert Matrix Flow die Produktionsprozesse?
Ein weiteres System, mit denen Horse die Vision der smarten Fabrik Realität werden lässt, ist das Matrix Flow Produktionssystem, das unter anderem intelligent programmierbare Cobots sowie voll digitalisierte Fertigungslinien vorsieht, um ein Maximum an Effizienz und Nachhaltigkeit zu erreichen. Unter anderem am portugiesischen Standort in Aveiro nutzt Horse Real-Time Data Tracking, Automatisierung und autonome Plattformen, um die Fertigung flexibel an unterschiedliche Marktanforderungen und die jeweilige Versorgung mit Komponenten anzupassen.
Dieses Level an Automatisierung bringt sowohl mehr Effizienz als auch mehr Nachhaltigkeit: „Bei der Produktion der Power Electronics Box (PEB) haben wir durch Automatisierung die Energienutzung und den Ausschuss deutlich optimieren können“, sagt Antonio Vaz, Chief Process Engineering Officer bei Horse. Neben einer Halbierung der notwendigen Energie im Vergleich zu traditionellen Linien habe man zudem die notwendige Produktionsfläche so um rund 30 Prozent reduzieren können.
Das Matrix-Flow-System biete erhebliche Vorteile gegenüber traditionellen Montagelinien, so Vaz. Durch den Einsatz mobiler programmierbarer Cobots (MPCs), die präzise Komponenten und Baugruppen genau zur richtigen Zeit an Arbeiter und Roboter liefern, reduziert das System Stillstandzeiten und steigert die Effizienz. Kleinere MPCs fungieren als mobile Arbeitsstationen, die Teile und Werkzeuge direkt an die Mitarbeitenden bringen und so den Arbeitsablauf optimieren.
„Die Flexibilität dieses Systems ermöglicht schnelle Anpassungen an die Produktion, sei es für neue Produkte oder Kapazitätsänderungen, und minimiert Materialhandhabung und Wartezeiten“, erklärt er. „Dadurch werden Aufgaben effizienter abgeschlossen. Zudem werden Produktionslinien in modulare, eigenständige Einheiten komprimiert, die leicht umkonfiguriert werden können, was die gesamte industrielle Layoutplanung verbessert. Diese Verbesserungen, zusammen mit dem Einsatz intelligenter Energiesysteme, tragen erheblich zur Senkung des Energieverbrauchs und der Betriebskosten bei.“
Wie beeinflusst KI die Qualitätssicherung bei Horse?
Die Integration von KI und Cobotics sorgt dafür, dass die Fertigung wettbewerbsfähig bleibt, indem sie die Produktivität und Produktqualität steigert und gleichzeitig die Lebensqualität der Mitarbeitenden verbessert. Vaz betont, dass diese Technologien die Produktionszyklen verkürzen und die Zuverlässigkeit der Ergebnisse erhöhen. „Unsere KI-gesteuerten Qualitätskontrollsysteme mit visueller Erkennung haben zum Beispiel einen erheblichen Mehrwert gezeigt; nach einer Phase des automatischen Lernens kann die Software selbstständig Fehler erkennen und so den Qualitätssicherungsprozess effizienter gestalten“, erklärt er.
Cobots unterstützen zudem bei ergonomisch ungünstigen Aufgaben während des Montageprozesses, was die Sicherheit insgesamt erhöht. Ihr Einsatz hat auch dazu geführt, dass weniger physischer Raum für die Produktion benötigt wird. „Das liegt daran, dass Cobots sicher neben menschlichen Mitarbeitenden arbeiten können, ohne dass Schutzbarrieren oder Gehäuse erforderlich sind, die normalerweise für traditionelle Industrieroboter notwendig wären“, sagt Vaz.
Darüber hinaus haben Cobots eine niedrigere Amortisationsgrenze aufgrund ihrer relativ geringen Anfangsinvestition und Betriebskosten. Das bedeutet, dass Unternehmen mehr Arbeitsstationen automatisieren können, ohne hohe Produktionsvolumen zu benötigen, um die Investition zu rechtfertigen.
Die Zukunft des Prozessengineerings
Vaz glaubt, dass sich die Rolle des Prozessengineerings in den nächsten fünf bis zehn Jahren aufgrund der Fortschritte in digitalen Tools und Automatisierung, die häufig unter dem Begriff Industrie 4.0 zusammengefasst werden, erheblich verändern wird. „Prozessingenieure müssen sich anpassen, um besser mit diesen Technologien zu interagieren und sich stärker auf datenbasierte Entscheidungsfindung zu konzentrieren“, erklärt er.
Neue Technologien wie autonome Roboter, IoT-Sensoren, KI und digitale Zwillinge werden in diesem Wandel eine zentrale Rolle spielen. Beispielsweise werden Prozessingenieure zunehmend digitale Zwillinge nutzen, um Produktionsumgebungen zu modellieren und zu optimieren.
„Darüber hinaus wird die Integration von automatisierten Fördersystemen, geführten Fahrzeugen und Cobots die Materialhandhabung straffen, sodass sich Ingenieure auf strategische Verbesserungen statt auf Routinetätigkeiten konzentrieren können. Dieser Wandel wird die Platz- und Energieeffizienz steigern und die Prozesszyklen verbessern.“
Dieser Artikel ist im englischen Original bei unserem Schwestermagazin automotive manufacturing solutions (ams) erschienen.
Automobil Produktion Kongress 2025
Am 15. Mai 2025 treffen sich auf dem Automobil Produktion Kongress in München wieder hochrangige Fach- und Führungskräfte, um über die Automobilfertigung der Zukunft zu sprechen. Gemeinsam streben Hersteller, Zulieferer und Dienstleister eine smarte, flexible sowie nachhaltige Produktion mit transparenter Lieferkette an. Seien Sie dabei und profitieren Sie von kollektiven Branchenwissen. 🎫 Jetzt Ticket sichern!