Dominik Lechleitner, TU Graz
„Emissions-Minimierung geht auch ohne umfassende Daten “
Forscht am Institut für Fahrzeugtechnik der TU Graz: Dominik Lechleitner.
(Bild: Veronika Harrer / TU Graz)
Wie lässt sich der CO2-Abdruck eines Autos senken, bevor es überhaupt gefahren wird? Dominik Lechleitner von der TU Graz sieht im Simulations-Tool OPED einen Ansatz, um Scope-3-Emissionen schon in der Konzeptphase gezielt zu reduzieren.
Nachhaltigkeit im Fahrzeugbau entscheidet sich längst nicht mehr nur im Fahrbetrieb, sondern auch in den vor- und nachgelagerten Stufen der Wertschöpfung. Dominik Lechleitner, Senior Researcher in Automotive and Digital Engineering an der TU Graz, verfolgt mit dem hauseigenen Tool OPED einen softwarebasierten Ansatz, um Scope-3-Emissionen bereits in der Konzeptphase sichtbar und somit reduzierbar zu machen.
Im Interview dazu erläutert der Österreicher, wie sich sein Ansatz in bestehende Entwicklungsprozesse integrieren lässt, wo die größten Hebel und Grenzen liegen – und warum gerade jetzt LCA-Datenbanken (Life Cycle Assessment) wichtiger denn je sind.
Herr Lechleitner, Ihr Tool koppelt Scope‑3‑Emissionen direkt an das E‑Powertrain‑Design. Welche Lieferanten‑Datenquellen fließen dabei ein?
Zur ganzheitlichen Ermittlung der Scope-3-Emissionen des gesamten Antriebsstrangs ist natürlich eine gewisse Anzahl an Datenquellen erforderlich. Die Emissionen speziell von Zulieferteilen (zum Beispiel einem Wälzlager) können elegant über den digitalen Produktpass berücksichtigt werden, sofern dieser verfügbar ist. Alternativ können die Daten aus den Emissionsberichten der Zulieferer entnommen werden – gemäß Greenhouse Gas Protocol ist deren Veröffentlichung bereits in vielen Ländern vorgeschrieben. Wir liefern mit unserer Software aber auch übliche Emissionsdaten für alle Komponenten des Antriebsstrangs mit aus. Zur Ermittlung von In-Use-Emissionen machen wir das auch für den Strommix. So ist eine detaillierte Kenntnis gar nicht notwendig und man kann eine Emissions-Minimierung auch ohne Bereitstellung umfassender Daten durchführen.
Benötigen OEMs dafür neue PLM‑Schnittstellen oder lässt sich Ihr Modell in bestehende Systeme einbinden?
Unsere Lösung funktioniert grundsätzlich eigenständig und ist nicht auf konkrete PLM-Schnittstellen angewiesen. Es ist also keine Änderung an bestehenden PLM-Systemen notwendig. Wir arbeiten aktuell auch an eigenen Schnittstellen zu diversen LCA-Tools – tagesaktuelle Emissionsdaten werden somit automatisch eingebunden und Nutzer müssen nichts weiter eingeben.
Welche Resultate haben Sie bei der Einbindung von nachhaltigen Alu‑ und Stahl‑Lieferketten erzielt?
In der vorgestellten Optimierungs-Studie wurden neben konventionellen Lieferketten für das Aluminimum im Gehäuse und den Stahl im Getriebe auch nachhaltigere Alternativen untersucht. Solche „grünen“ Lieferketten haben oft deutlich geringere Emissionen, sind dafür aber auch etwas teurer. Die Verwendung von nachhaltigem Stahl erzielte zwar geringere Emissionen, aber die generierten Antriebe waren auch spürbar teurer. Wesentlich attraktiver zeigte sich die Verwendung von nachhaltigem Aluminium. Hier haben wir sogar Lösungen gefunden, die um acht Prozent niedrigere Emissionen bei sonst gleichen Produktionskosten aufweisen. Aber diese Ergebnisse sind nicht allgemeingültig und müssen für jeden Antrieb neu generiert werden. Genau dies ist mit unserer Software auf Knopfdruck möglich.
Wo liegt die größte Datenlücke, um Scope‑3‑Optimierung von der Simulation in die Serie zu überführen?
Vor einigen Jahren war die Datenlage betreffend Emissionen noch durchaus karg. Ich würde sagen, größere Datenlücken gibt es heute kaum noch. Die Einführung des digitalen Produktpasses ab 2027, verpflichtende Emissionsberichte sowie immer weiterwachsende LCA-Datenbanken leisten hier einen großen Beitrag. Die Herausforderung sehe ich eher woanders: Aktuell ist die systematische Minimierung von Emissionen im Entwicklungsprozess kaum bis gar nicht etabliert. Das heißt, es wird in der Regel zuerst der Antrieb komplett entwickelt, und im Nachgang werden dessen Emissionen bestimmt und dann ad acta gelegt. Gerade vor dem Hintergrund der Berichtspflicht, der CO2-Bepreisung und einer gesteigerten Wahrnehmung bei Kunden ist eine systematische Methode zur direkten Minimierung der Emissionen ein klarer Wettbewerbsvorteil. Genau da setzen wir mit unserer Software an: Ausgehend von Fahrzeuganforderungen werden innerhalb von 24 Stunden optimale Lösungen hinsichtlich Kosten, Energieeffizienz, Bauraum und Scope-3-Emissionen generiert, welche dann als Basis für das A-Sample dienen. Übrigens sind nachhaltige Antriebe oft auch sehr kostengünstig umsetzbar. Das heißt, wir sehen hier noch großes Potenzial bei OEMs und Zulieferern und freuen uns immer auf spannende Anfragen aus der Industrie.