Der Brennstoffzellen-Lkw Xcient Fuel Cell von Hyundai steht auf einer Straße.

Der Brennstoffzellen-Lkw Xcient Fuel Cell von Hyundai verfügt über ein 190-kW-Antriebssystem mit zwei 95-kW-Brennstoffzellen-Einheiten. (Bild: Hyundai)

Brennstoffzellentechnologie in der Dauerschleife: Immer wieder haben Automobilhersteller wie auch Zulieferer den Beginn einer neuen Antriebsära ausgerufen und man durfte von Jahr zu Jahr vermuten, dass die Technologie, die größere Reichweiten und kürzere Tankvorgänge als bei batterieelektrischer Mobilität verspricht, nun sicher kommt.

Die Strategie der Bundesregierung, die Brennstoffzelle vor allem im Fern- und Güterverkehr zu fördern, nicht jedoch bei Pkw, engt das Thema Brennstoffzelle hierzulande jedoch ein. Die meisten deutschen OEMs hätten FCEVs entweder ganz aufgegeben oder planen höchstens ein Derivat in Kleinserie einzuführen, stellen die Experten des Beratungsunternehmens Berylls fest. Aus Herstellersicht würden die Fahrzeuge nämlich nicht nur mit BEVs, sondern auch mit Plug-in-Hybriden und sogar 48-V-Systemen um immer knapper werdende Entwicklungsbudgets konkurrieren.

Japan und Südkorea als Vorreiter

Können Nutzfahrzeuge der Technologie zu einer Art zweitem Frühling verhelfen? Beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sieht man dies so. Insbesondere in Europa existiere mit den strengen Emissionsgrenzwerten ein klarer Treiber für Brennstoffzellenantriebe. Aufgrund des hohen Energiedurchsatzes werde zudem der Aufbau der Infrastruktur maßgeblich durch die Nutzfahrzeuge bestimmt, sagt Hartmut Rauen, stellvertretender VDMA-Hauptgeschäftsführer.

Laut einer Studie des Verbands, die von der FEV Consulting erstellt wurde, positionieren sich Japan und Südkorea bereits heute als Vorreiter hinsichtlich der Nutzung von Brennstoffzellenfahrzeugen als Teil einer Wasserstoffwirtschaft. Dadurch würden Brennstoffzellenfahrzeuge dort bereits im Jahr 2030 einen relevanten Marktanteil in Höhe von bis zu sechs Prozent (Japan) erreichen. Die drei großen Absatzmärkte China, USA und Europa würden mit geringem Zeitverzug folgen.

Im Nutzfahrzeugsektor herrscht mit Blick auf die Brennstoffzellentechnologie denn auch Bewegung. So verkündete Toyota mit dem Nutzfahrzeugspezialisten Hino Motors im Frühjahr die Entwicklung eines schweren Trucks, der rund 600 Kilometer ohne CO2- und andere Schadstoffemissionen zurücklegen soll. Beide Unternehmen forschen bereits mehr als fünfzehn Jahre an der Brennstoffzellentechnologie.

Das Fahrgestell des Lkw wurde speziell für den Einsatz als Brennstoffzellenfahrzeug angepasst. Umfassende Gewichtseinsparungen sollen eine hohe Ladekapazität ermöglichen – der wunde Punkt bei Brennstoffzellen-Trucks, denn bei gleichem Tankvolumen, wie ihn konventionelle Trucks aufweisen, schrumpft der Aktionsradius eines Vierzigtonners von gut 2000 Kilometern auf wenige hundert.

Schweiz als Testfeld für die Brennstoffzelle

Die Japaner greifen bei der Antriebstechnik auf ihre Erfahrungen im Pkw-Sektor zurück. Durch zwei Brennstoffzellenstacks, die bereits für die nächste Generation des Pkw-Modells Mirai entwickelt wurden, soll die Reichweite die genannten 600 Kilometer erreichen. Im Fahrbetrieb wird Wasserstoff in elektrische Energie umgewandelt, die einen Elektromotor antreibt. Als Emission entsteht dabei nur Wasserdampf. Ist der Tank leer, lassen sich die Wasserstoffbehälter laut den Japanern binnen wenigen Minuten wieder befüllen.

Auch aus Korea kommen deutliche Signale. So meldete Hyundai erst kürzlich die Verschiffung der ersten zehn Brennstoffzellen-Lkw Xcient Fuel Cell für den Einsatz in der Schweiz. Dabei handelt es sich um schwere Nutzfahrzeuge mit Brennstoffzellen-Elektroantrieb. Der koreanische OEM plant dort für dieses Jahr den Einsatz von 50 Fahrzeugen, bis 2025 sollen es 1.600 werden. Weshalb sich gerade das Alpenland zu einem Testfeld für den Brennstoffzellenantrieb im Nutzfahrzeug entwickelt, liegt an einem ausgeklügelten Mietmodell. 2019 gründeten Hyundai und das Schweizer Unternehmen H2 Energy das Joint Venture Hyun­dai Hydrogen Mobility (HHM). Das Unternehmen stellt die schweren Nutzfahrzeuge den Transport- und Logistikunternehmen im Pay-per-Use-Verfahren zu Verfügung, so dass es vonseiten der Kunden für die Fahrzeuge keiner Startfinanzierung bedarf.

In Hyundais Lkw, der im Übrigen nicht für den deutschen Markt produziert und homologiert wird, kommt ein 190-kW-Antriebssystem mit zwei 95-kW-Brennstoffzelleneinheiten zum Einsatz. Sieben Tanks bieten Hyundai zufolge eine Speicherkapazität von 32,09 Kilogramm Wasserstoff. Die Reichweite einer Tankfüllung liegt bei 400 Kilometern – dies für schwere 4x2-Nutzfahrzeuge mit Kühlaufbau, die als 34-Tonnen-Anhängerzug eingesetzt werden. Das Betanken der Nutzfahrzeuge soll sich in acht bis 20 Minuten bewerkstelligen lassen. Parallel zur Produktion des Xcient Fuel Cell entwickle man bereits ein Zugfahrzeug mit einer Reichweite von 1.000 Kilometern pro Tankfüllung für den Fernschwerverkehr, hört man vom OEM.

Die Serienproduktion von Brennstoffzellen im Daimler Truck Werk.
Die Daimler Truck AG bereitet die Serienproduktion von Brennstoffzellen vor. (Bild: Daimler)

Joint Venture von Daimler und Volvo

Zwei Schwergewichte des Nutzfahrzeugsektors haben sich unterdessen in Europa auf ein Joint Venture für die Serienproduktion von Brennstoffzellen geeinigt. Die Volvo Group und Wettbewerber Daimler Truck verkündeten Ende April die Unterzeichnung einer vorläufigen, nicht bindenden Vereinbarung zur Gründung eines 50:50-Joint-Ventures für die Entwicklung und Serienfertigung von Brennstoffzellen für schwere Nutzfahrzeuge und andere Anwendungsfelder.

Damit zielen die OEMs auf eine serienreife Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Brennstoffzellensystemen. Das Gemeinschaftsunternehmen soll als unabhängige und selbstständige Einheit agieren. Martin Daum, Vorsitzender des Vorstands der Daimler Truck AG und Mitglied des Vorstands der Daimler AG, sieht Brennstoffzellen für den Lkw-Einsatz im schweren Fernverkehr als eine entscheidende Lösung. Sie seien eine Technologie, bei der Daimler in den letzten zwei Jahrzehnten mit der Mercedes-Benz Fuel Cell GmbH bedeutendes Knowhow aufgebaut habe. „Die Partnerschaft mit der Volvo Group ist ein Meilenstein, um brennstoffzellenbetriebene Lkw und Busse nun auf unsere Straßen zu bringen.“

Martin Lundstedt, Präsident und CEO der Volvo Group: „Mit der Gründung dieses Joint Ventures zeigen wir deutlich, dass wir an die mit Wasserstoff angetriebene Brennstoffzelle für Nutzfahrzeuge glauben.“ Die deutsch-schwedische Beziehung soll themenbezogen bleiben, in allen anderen Geschäftsfeldern bleibe man weiterhin Wettbewerber, betonen die beiden Hersteller. Sowohl Daimler als auch Volvo zielen letztlich darauf hin, in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts schwere Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge für den anspruchsvollen und schweren Fernverkehr in Serie anzubieten.

Kurze Taktzeit der Produktion

Daimler Truck kündigte im Sommer zudem an, gemeinsam mit der Daimler Truck Fuel Cell mit Hochdruck an der Serienproduktion zu arbeiten. Wie man in Stuttgart betont, habe man rund um die Brennstoffzelle mit dem Standort im schwäbischen Nabern sowie weiteren Produktions- und Entwicklungsstätten in Deutschland und Kanada in den vergangenen Jahrzehnten bereits bedeutendes Knowhow aufgebaut. Nun investiere man in hochmoderne Anlagen, die von der Membranbeschichtung über die Stackherstellung bis hin zum Brennstoffzellen-Aggregatebau alle Prozessstufen abdecken sollen.

Dabei könne man aus der Expertise bei der Entwicklung der Brennstoffzellentechnologie auch für die Herstellung profitieren, sagt Andreas Gorbach, Leiter Daimler Truck Fuel Cell. Das oberste Gebot laute: Sauberkeit. Für einige Arbeitsschritte der geplanten Vorserienproduktion baue man daher einen Sauberraum mit gefilterter Luft auf. Die größte Herausforderung stelle jedoch das Erreichen einer kurzen Taktzeit der Produktion dar. Die Experten greifen daher teilweise auch auf Technologien der Verpackungsindustrie zurück.

Knowhow eines deutschen Zulieferers steckt in den Lkw der Nikola Motor Company, deren Herzstück ein Brennstoffzellenantrieb ist. Neben Innovationen wie einem elektro-hydraulischen Lenksystem, einem schlüssellosen Zugangssystem oder dem zentralen Steuergerät von Bosch hat der Zulieferer gemeinsam mit Nikola am Chassis sowie dem Antrieb Entwicklungsarbeit geleistet. Zum Paket zählt eine elektrifizierte Achse für schwere Nutzfahrzeuge mit Doppelantrieb, die Motor, Antriebselektronik und Getriebe in einem Gehäuse vereint. Global sei man noch vorne mit dabei und könne in Deutschland und Europa die ganze Wertschöpfungskette abbilden, so VDMA-Hauptgeschäftsführer Rauen mit Blick auf die Brennstoffzellentechnologie. Für sie und die entsprechenden Produktionssysteme sind derzeit also die Nutzfahrzeuge die Treiber.

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