Vor Jahren mochte man meinen, die leistungsstarken Supersportler ständen unter einem größeren Druck als der führende bei einem Formel-1-Rennen. Viele läuteten bereits den Abgesang auf ein ganzes Fahrzeugsegment ein; dabei ist die Nachfrage nach potenten Rennern auf der ganzen Welt größer als je zuvor. Mittlerweile wissen Hersteller wie Porsche, Lamborghini, Ferrari, McLaren oder Aston Martin, dass ohne eine entsprechende Elektrifizierung kaum noch etwas geht. Wenn die Grenzwerte weiter heruntergeschraubt werden und erste Innenstädte die Einfahrt von Verbrennern reglementieren, möchte man als Kunde eines Luxussportlers nicht draußen vor den Toren der Stadt parken und die letzten Kilometer mit dem Taxi oder einem Uber zurücklegen.
Ist ein entsprechendes Elektromodul an Bord, dürfte mittelfristig kaum eine Gefahr bestehen, dass der geliebte Bolide, der ohnehin kaum Erst- oder Zweitauto sein dürfte, wie ein Hund vor dem Geschäft angeleint draußen warten muss. Wer leistungsstark auf Autobahn oder Landstraße seinen Spaß hatte, kann die letzten Kilometer nach Hause gegebenenfalls im nahezu geräuschlosen Elektromodus zurücklegen. Lokal emissionsfrei und somit selbst für Öko-Aktivisten kaum zu verhindern. Dass die renommierten Autohersteller zumeist aus europäischen Landen für schärfere Grenzwerte oder gar etwaige Einfahrtsbeschränkungen so gut vorbereitet sind, liegt keinesfalls an einer neuen Denke in den Entwicklungsabteilungen, sondern einem überaus angenehmen Nebeneffekt. Denn der oder die Elektromotoren, die einem auch in zukünftig abgesperrte Innenstadtbereiche die Einfahrt ermöglichen, sind die gleichen, die die Verbrennertriebwerke zu völlig neuen Leistungsausbrüchen treiben.
Was der 916 PS starke McLaren P1 (737 PS zzgl. 179 PS Elektromotor) oder ein LaFerrari (800 PS zzgl. 163 PS Elektromotoren) noch nicht ganz konsequent versuchten, setzte der 887 PS starke Porsche 918 Hybrid (608 PS zzgl. 286 PS Elektromotoren) in die Realität um. Vollgas auf der Rennstrecke, grandiose Kurvenhatz auf der Landstraße und später rein elektrisch in die City rollen. Ganz ohne Schubblubbern, lautstarke Fehlzündungen oder einen wummernden Klappenauspuff. Die Sportwagen und Supersportler, die in den kommenden Jahren neu auf die finanzstarke Kundschaft zurollen, dürften kaum ohne unterstützende Elektromotoren auskommen. So lässt sich die Motorleistung des zumeist aufgeladenen Verbrenners von 600 bis 900 PS auf einen nahezu beliebigen Wert nach oben schrauben. Was dabei möglich ist, zeigt ein Hypersportler wie das Project One aus dem Hause Mercedes-AMG. Die Elektromotoren sorgen perfekt vernetzt in der Realität für einen grandiosen Boost und radselektiv eingesetzte Energieschübe. Wenn gewünscht lässt sich mit der Formel-1-Technik der jüngsten Vergangenheit jedoch auch nahezu lautlos in die Wohnsiedlung sollen.
Kurzstrecken rein elektrisch
"Motorsport ist für uns kein Selbstzweck. Unter maximalem Wettbewerb entwickeln wir Technologien, von denen später auch unsere Serienfahrzeuge profitieren", sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche, "Erfahrungen und Erfolge aus drei Konstrukteurs- und Fahrer-Weltmeisterschaften nutzen wir jetzt, um Formel 1-Technologie erstmals auf die Straße zu bringen: im Mercedes AMG Project One." Eine Strecke von rund 25 Kilometern soll die silberne Flunder elektrisch zurücklegen können. "Das Mercedes-AMG Project One ist das erste Formel-1-Auto mit Straßenzulassung. Unser hocheffizientes Hybrid-Aggregat aus dem Motorsport und die elektrifizierte Vorderachse sorgen für eine faszinierende Mischung aus Performance und Effizienz. Mit über 1.000 PS Systemleistung und mehr als 350 km/h Höchstgeschwindigkeit fährt dieses Hypercar genau so, wie es aussieht: atemberaubend", sagt Daimler-Entwicklungsvorstand Ola Källenius.
Aufgeladen wird an der heimischen Steckdose, denn Hybridsportler ohne Plug-In-Modul wie seinerzeit der McLaren P1 oder ein Honda NSX mit seinen 573 PS erscheinen angesichts der strengen gesetzlichen Vorgaben kaum eine große Zukunft zu haben. Ein BMW i8 oder ein Porsche 918 Hybrid tun sich da leichter, denn an der heimischen Steckdose in der Sammlungsgarage des Sportwagenfans erstarken die Modelle zumindest soweit, dass es für die ersten Kilometer ohne Verbrennereinsatz reicht. So können sich die Fans der norditalienischen Sportwagenmarke Lamborghini bereits auf den leistungsstarken Nachfolger des aktuellen Aventador freuen. "Ich kann soviel sagen, dass der Nachfolger des Aventador einen V12-Saugmotor behalten wird und eine Elektrifizierung bekommt", erklärt Lamborghini-Entwicklungs-Chef Maurizio Reggiani, "wenn es mir nach ginge, würden wir an einem hoch drehenden Saugmotor ohne Aufladung festhalten. Aber den gesetzlichen Rahmenbedingungen müssen wir uns stellen. Und das werden wir tun."
Elektrische Hypersportler
Eher fahrdynamische Gründe dürfte es haben, dass Aston Martin seinen Valkyrie nicht nur mit einem rund 1.000 PS starken V12-Verbrenner, sondern auch einem Elektromodul für zusätzlichen Boost beflügelt. Ähnlich sehen die Pläne von ausgemachten Sportwagenherstellern wie McLaren, Ferrari oder Porsche aus, die selbst dem Evergreen 911 der Baureihe 992 zur Modellpflege in gut drei Jahren ein Hybridmodul implantieren wollen. Dabei geht es sowohl um eine 48-Volt-Teilbordnetz als auch einen Plug-In-Hybrid. Entwicklungs-Chef August Achleitner: "Wir haben die Erfahrungen, die wir mit Hybrid-Versionen des Cayenne und Panamera sowie mit dem 918 Spyder gemacht haben, auf den neuen 911 übertragen. In Zukunft können wir ihn mit einem elektrifizierten Antrieb anbieten." Hierfür wird Porsche im hinteren Teil des Achtgang-Doppelkupplungsgetriebes einen scheibenförmigen Elektromotor einbauen. Das Unternehmen hat dafür einen neuen Zahnradsatz für das Fahrzeug entwickelt, der 100 mm kürzer ist als der alte, wodurch die Integration eines Hybridantriebs ermöglicht wurde.
"McLaren hat noch nie zuvor ein Fahrzeug wie den Speedtail gebaut. Als unser erster Hyper-GT ist der Speedtail das ultimative McLaren Roadcar; eine Fusion aus Kunst und Wissenschaft", sagt McLaren-CEO Mike Flewitt, "ein Hybrid-Antriebsstrang befindet sich in einem leichten Kohlefasergehäuse, das an schlanke Streamliner erinnert, die einst Geschwindigkeitsrekorde aufstellten, während das luxuriöse dreisitzige Cockpit eine erhabene Kombination aus einem unglaublichen Fahrerlebnis, unvergleichlichem Individualismus und innovativen Materialien bietet, die es in einem Straßenfahrzeug noch nie gegeben hat." Die spektakuläre Höchstgeschwindigkeit von über 400 km/h ermöglicht nicht nur die filigrane Aerodynamik und das endlos lange Heck, sondern auch ein Hybridtriebwerk, dessen Achtzylinderturbo mit Elektrounterstützung bis zu 1.050 PS mobilisieren kann.
Kaum ein Hersteller entwickelt gerade noch Sportler ohne Elektrifizierung. Der ein oder andere Super- oder gar Hypersportwagen lockt darüber hinaus sogar mit einem vollends elektrischen Antrieb. Beste Beispiel ist Pininfarina. Der Battista als Serienversion des PF0 feiert seine Weltpremiere auf dem Genfer Salon Anfang März und kommt mit technischer Unterstützung von Rimac Ende 2020 auf den Markt. Seine Elektromotoren sollen rund 1900 PS und 2.300 Nm maximales Drehmoment leisten. Pininfarina-CEO Michael Perschke verspricht für zwei Millionen Euro 0 auf 100 km/h in zwei Sekunden, 0 auf Tempo 300 in zwölf Sekunden und mindestens 400 km/h Höchstgeschwindigkeit bei minimaler Ladezeit. Die maximale Reichweite soll dabei mit 500 Kilometern mehr als alltagstauglich sein. Sein Preis: rund zwei Millionen Euro. Michael Perschke: "Wir haben ein ausgefeiltes Konzept erstellt, auf dessen Basis ein bahnbrechendes, vollständig elektrisch angetriebenes GT-Auto ab 2020 auf den Markt gebracht werden soll." Um die leistungsstarken Boliden braucht einem daher nicht Bange zu sein. Elektroantriebe sichern ihre Zukunft.