Einst war BMW eine rein sportliche Automarke. Der tolle 02er sorgte für einen frühen Befreiungsschlag in der bezahlbaren Mittelklasse, dann rollten die tollen Sportmodelle der M GmbH ein und mit dem V12-BMW des 750er trat man dem schwäbischen Stern Ende der 80er Jahre so hart vor das Schienbein, dass es bei vielen Schwaben noch heute schmerzt. 2018 steht BMW besser da als je zuvor, sucht sich wie viele Automarken jedoch auch selbst. Frontantriebe, Dreizylinder und die Angst, mit Überzeugung Begriffe wie Luxus oder gar Sportwagen in den Mund zu nehmen, machen den erfolgreichen Münchnern das Leben schwer und so hat sich das einst sportliche Image verwässert. Erst in den vergangenen zwei Jahren bekennt sich BMW bei allem Downsizing-Wirrwarr zu mehr Dynamik, Sportlichkeit und Exklusivität. Doch während Audi vor Jahren seinen R8 als Aushängeschild bekam und AMG mit hauseigenen Modellen wie SLS, GT, GT Viertürer und bald wohl auch einem kleinen GT-Sportler überaus erfolgreich auf Kunden- und Imagefang geht, hoffen viele vergeblich auf einen neuen Sportwagen von der M GmbH. Wer in den Katakomben der Garchinger unterwegs ist, wird unter verstaubten Tüchern das ein oder andere real anmutende Gedankenspiel finden. In die Serie schaffte es bisher keiner und so träumen viele nach wie vor vom legendären BMW M1. Einer spektakulären Flunder, die in diesem Jahr ihren 40. Geburtstag feiert.
In den 70er Jahren wollten alle deutschen Autohersteller heraus aus dem müden Mief der 50er und 60er Jahre. Luxuslimousinen und Coupés gehörten auch bei BMW längst zum sich stetig füllenden Markenportfolio. Doch es fehlte eine scharfe Kiste, der die aufstrebenden Bayern gegenüber der Konkurrenz von Mercedes und Porsche abgrenzte und den Kunden Lust auf mehr machte. Nach Jahren des Grübelns und zahlreicher Designstudien hatte man sich letztlich dafür entschieden, eine eigene Sportabteilung zu gründen. Die M GmbH sollte für mehr Konturschärfe und ein neues Markenimage sorgen. Der Erstling mit Namen M1 sollte die Automobilwelt aufhorchen lassen. Heute mutet die Historie des BMW M1 wie ein Volltreffer an. Doch beinahe wäre alles ganz anders gekommen. Denn da es bei den Serienmodellen jede Menge Arbeit gab und die Bayern nur wenig Erfahrung bei der Entwicklung von Tourenwagen hatten, bediente man sich kompetenter Partner. Während Giugaro für das einzigartige Design des Sporters verantwortlich zeichnete, sollte der italienische Sportwagenhersteller Lamborghini die bayrischen Entwicklungspläne umsetzen und den M1 in Eigenregie bauen. Doch als das Projekt M1 im Jahre 1976 / 77 auf die deutsch-italienisch geflaggte Zielgerade ging, ging Lamborghini nach allerlei Querelen letztlich Konkurs. Da die Kapazitäten bei BMW fehlen, wird der Auftrag zur Fertigung des BMW M1 über Nacht an den renommierten Karosseriespezialisten Baur in Stuttgart gegeben. Von 1978 bis 1981 produzieren die Schwaben 456 Bayern-Renner - letztlich ein Happy-End.
Heute - nach vier Jahrzehnten - ist der 4,36 Meter lange BMW M1 längst Legende. Das liegt nicht nur an der bewegenden Entwicklungsgeschichte im Triangel München - Stuttgart - Norditalien, sondern auch an der einzigartigen Komposition aus Design, Antrieb, Fahrleistungen und Exklusivität. Denn wenn es um einen echten deutschen Sportwagen geht, kam einem abgesehen von Jedermanns-Rennern wie Opel GT oder Ford Capri allein der Porsche 911 in den Sinn. Genau den wollte BMW mit dem M1 angreifen. Zu diesem Zweck gab man dem nur 1,14 Meter hohen M1 eine Kunststoffkarosse mit Gitterrohrrahmen und einen potenten Mittelmotor mit auf den Weg. Nach zwei Jahren Entwicklungszeit feierte die zunächst ausschließlich für den Rennsport gedachte Bayern-Flunder ihre Publikumspremiere auf dem Pariser Autosalon 1978. Die Flügeltüren waren verschwunden. Da der Wagen zunächst für den Renneinsatz gedacht war, verzichtete man aus Steifheitsgründen auf die charismatischen Seiteneinstiege.
Ampel auf der Mittelkonsole
Über Nacht avancierte der M1 zum exklusiven, mindestens 100.000 D-Mark teuren Porsche-Jäger. Hinter der engen, aber nicht unbequemen Fahrgastzelle, brabbelte ein 3,5 Liter großer Reihensechszylinder vor sich hin. Der mehr als 300 Kilogramm schwere Gussmotor des E 26 leistet in der Serienausführung als Sauger 204 kW / 277 PS und 262 km/h. Das maximale Drehmoment von 340 Nm steht bei 4.500 U/Min zur Verfügung. Den Spurt 0 auf 100 km/h schafft der 1,4 Tonnen schwere Renner in 5,6 Sekunden. Da man schon Teile der Entwicklung und die komplette Produktion aus der Hand gegeben hatte, legte man in München seinerzeit besonders viel Wert auf Antrieb, Motor und Getriebe. Jeder der drehfreudigen Sechszylinder wurde besonders sorgfältig zusammengebaut und hinterher fast schon hingebungsvoll mehrere Stunden warm- und eingefahren. Bei so viel Liebe zum Detail sahen die raren Kunden schon einmal großzügig über mangelnden Kopfraum, das zerklüftete Armaturenbrett und die schwergängige Lenkung hinweg. Ein engagierter Wochenendtrip im M1 ist eben nichts für Schwächlinge - heute wie damals.
Der Innenraum zeigt sich mit überschaubarer Instrumentierung bestenfalls zeitgemäß und die schwarze Plastikwüste wird allein durch eine Lederbespannung auf dem Armaturenbrett aufgewertet. M-Typisch befindet sich der erste Gang unten links und an Komfort gibt es neben elektrischen Fensterhebern und Spiegeln nicht viel mehr als eine manuelle Klimaanlage. Nett anzuschauen: die drei Taster auf der gebastelt anmutenden Mittelkonsole in den bunten Ampelfarben rot, gelb und grün für Nebelschlussleuchte, Warnblinkanlage und Spiegelheizung.
500.000 Euro - ernsthaft?
Doch ein Ausflug im BMW M1 bringt den ambitionierten Piloten schnell ins Schwärmen. Wenn der Reihensechszylinder sich nach der zarten Erwärmung sanft in ungeahnte Drehzahlhöhen aufschwingt und ein kraftvolles Konzert durch die dünne Plexiglasscheibe hinter den Sportstühlen tönt, dann ist die Umwelt vergessen und das Radio längst aus. Die Lenkung ist ungemein schwer und ungemein präzise. Das gilt auch für die manuelle Fünfgangschaltung aus dem Hause ZF, die allein für diesen Motor entwickelt worden zu sein scheint. Kaum zu glauben, dass dieser Wagen 40 Jahre alt sein soll, denn insbesondere das Triebwerke ist eine Wucht. Die Fahrleistungen lassen auch nach heutigen Maßstäben keine Wünsche offen. Kein Wunder, dass die 911er-Fahrer es mit der Angst zu tun bekamen. Hätten diese gewusst, wie mäßig gerade groß gewachsene Personen in dem M1 wohnen. Denn die niedrige Dachlinie ist neben kaum verstellbaren Sportsitzen nicht das einzige Problem. Das Lenkrad sitzt ähnlich verschroben wie im Lancia Delta Integrale und nach wenigen Kilometern macht die Abwärme des 3,5 Liter großen Reigensechszylinders jede Sitzheizung überflüssig.
Viele der M1-Modelle waren im Renneinsatz und hatten unter der Lamellenabdeckung deutlich mehr Leistung zur Verfügung. Besonders beliebt waren die rund 470 PS starken Procar-Modelle; die einzige Rennserie, in der der M1 wirklich etwas reißen konnte. Dank einer Tonne Leergewicht waren den Renn-M1 kaum beizukommen. Andere Versionen genossen wenig stilecht sogar eine Turboaufladung und kratzten an der magischen 1.000-PS-Marke. Ein echter Rennwagen ist der M1 jedoch auch in der Serienkonfiguration. Der 1,4 Tonnen schwere Bayer hängt in jedem Drehzahlbereich ungewöhnlich bissig am Gas. Gerne dreht er 5.000 U/Min oder mehr. Doch selbst niedertourig lässt sich der Reihensechser bewegen. Seine zahlreichen Qualitäten und die niedrigen Stückzahlen von 399 Straßenversionen sorgen dafür, dass der BMW M1 nicht nur eine Legende geworden ist, sondern sich seine Exklusivität bis heute bewahrt hat. In Europa sind noch die meisten M1 auf dem Oldtimermarkt zu finden. Doch für ein gut erhaltenes Modell ist unter 500.000 Euro kaum etwas zu machen und selbst eine mittelprächtige Version kostet leicht und locker 400.000 Euro - vor zehn Jahren war es rund ein Viertel.