Ingenieure in der Produktion müssen Cybersecurity lernen
IT und OT verschmelzen in vernetzten Fabriken. Darum werden Automotive-Ingenieure künftig nicht mehr ohne IT-Sicherheitskompetenz auskommen. Doch noch ist ein breites Knowhow ausbaufähig. Ein Helfer könnte mal wieder KI sein.
Chris LöwerChrisLöwer
3 min
Produktionsexperten müssen heute mehr denn je Knowhow in Sachen IT-Security vorweisen können.BMW
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Der aktuelle
„Cisco Cybersecurity Readiness Index“ spricht eine klare Sprache: Während 86
Prozent der befragten Unternehmen in den letzten zwölf Monaten KI-bedingte
Sicherheitsvorfälle erlebt haben, sind nur 45 Prozent der Meinung, dass ihr
Unternehmen über die internen Ressourcen und das Fachwissen verfügt, um
umfassende Sicherheitsbewertungen durchzuführen. „Es gibt einen Konflikt
zwischen dem Verständnis der KI-Sicherheit und der Realität von Erfahrungen mit
KI-Bedrohungen“, folgern die Studienautoren. Sie bilanzieren: „Unternehmen
erkennen die Notwendigkeit für mehr Investitionen in die Cybersicherheit, aber
Talentmangel und ein bereits komplexes Betriebsumfeld sind ein Hindernis.“ Was
für die Automobilproduktion besonders gilt.
Die Cyberabwehr deutscher Unternehmen wird stetig besserCisco Systems
„Die Industrie ist heute durchgängig digitalisiert,
und die frühere Trennung zwischen IT und OT gilt praktisch nicht mehr“, erklärt
Juan Perea
Rodríguez,
Deutschland-Chef des Softwareunternehmens Splunk. Produktionsanlagen, Maschinen
und IoT-Komponenten sind Teil komplexer digitaler Netzwerke. „Gleichzeitig
treffen hier zwei Kompetenzwelten aufeinander: Ingenieure, die ihre Anlagen
perfekt kennen, aber wenig über moderne Cyberbedrohungen wissen, und
Security-Experten, die IT-seitig stark sind, aber kaum Einblick in industrielle
Steuerungen oder OT-Protokolle haben“, sagt Perea Rodríguez.
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Die
Automobilproduktion bildet da keine Ausnahme. Im Gegenteil, denn hier ist die
digitale Transformation weit vorangeschritten – und damit das
Bedrohungspotenzial. „Die Folge ist eine spürbare Lücke an Fachkräften, die
beide Perspektiven vereinen“, betont der Experte.
Hier treffen zwei Kompetenzwelten aufeinander: Ingenieure, die ihre Anlagen perfekt kennen, aber wenig über moderne Cyberbedrohungen wissen, und Security-Experten, die IT-seitig stark sind, aber kaum Einblick in industrielle Steuerungen oder OT-Protokolle haben
Juan Perea Rodríguez, Splunk
Die Produktion
braucht Allrounder
Doch welche speziellen Skills brauchen Automotive-Ingenieure,
um Sicherheit im OT-Umfeld zu gewährleisten? „Um industrielle Umgebungen
zuverlässig schützen zu können, benötigen Ingenieure künftig ein breites
technisches Profil“, betont Perea Rodríguez. Dazu gehöre ein tiefes Verständnis
für Netzwerke und die in der OT üblichen Protokolle, wie Modbus oder MQTT.
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„Gleichzeitig
müssen sie grundlegende Security-Prinzipien beherrschen – von sicherer
Zugriffskontrolle bis zu Cyberhygiene.“ Ein weiterer wichtiger Bereich sei die
Fähigkeit, Anomalien im Datenverkehr zu erkennen und zu bewerten, denn
OT-Security lebe stark von der frühzeitigen Identifikation ungewöhnlicher
Muster. Hinzu kämen regulatorische Anforderungen, die beispielsweise mit NIS2,
BSI-Gesetz oder der KRITIS-Verordnung immer komplexer würden. „Und nicht
zuletzt braucht es Teamfähigkeit“, unterstreicht Perea Rodríguez, „Moderne
industrielle Sicherheit funktioniert nur, wenn IT, OT und Security eng
zusammenarbeiten. Fachkräfte, die diese Welten verbinden können, sind
entsprechend stark gefragt.“
An hilfreichen Tools mangelt es
nicht
Dabei helfen
Tools, die Automotive-Ingenieure beherrschen sollten. „Da Security und Observability
in der Industrie heute datengetriebene Aufgaben sind, sollte man mit Tools
umgehen können, die genau diese Daten nutzbar machen“, erklärt Perea Rodríguez.
Etwa solche wie „Cisco Data Fabric“: Die Lösung bündelt Informationen aus
Anlagen, Sensoren, Netzwerken sowie Cloud-Services und führt diese in Echtzeit
zusammen. Darauf setzt Splunk mit der Enterprise Security Suite auf, die
sicherheitsrelevante Ereignisse korreliert und den Überblick über die gesamte
Umgebung ermöglicht. Ergänzend liefert die Splunk Observability Suite ein
durchgängiges Monitoring, das Störungen oder Performance-Abweichungen früh
sichtbar macht. So unterstützen diese Plattformen die Früherkennung von
Angriffen, verkürzen Reaktionszeiten und schaffen Transparenz über die gesamte
OT- und IT-Landschaft.
KI bietet hier die Chance, dass auch eher fachfremde
Ingenieure Cybersecurity-Skills entwickeln und nutzen können, um eine resiliente
Autoproduktion zu gewährleisten. „KI verändert die
Security-Arbeit grundlegend – und senkt die Einstiegshürden“, unterstreicht Perea
Rodríguez. Früher war es notwendig, Log-Dateien manuell auszuwerten oder
komplexe Muster selbst zu interpretieren. Moderne KI-gestützte Systeme
übernehmen diese Aufgaben: „Sie erkennen Auffälligkeiten automatisch, erklären,
wo Risiken entstehen, und liefern konkrete Handlungsempfehlungen“, so Perea
Rodríguez, der ergänzt: „Dadurch können auch Automotive-Ingenieure ohne tiefe
Security-Ausbildung fundierte Entscheidungen treffen.“
Kontrolle durch
KI
Das sieht auch Arian
van Hülsen, Director Technical Sales IIoT / AI & Data Analytics des
Softwareunternehmens PTC, so: „Künstliche Intelligenz ist ein
hervorragender Weg, um den Skill- und Fachkräftemangel zumindest abzumildern.“
Insbesondere KI-Agenten unterstützten Automotive-Ingenieure dabei,
Sicherheitsaufgaben zu übernehmen, ohne allzu tief in die IT einsteigen zu
müssen, wenn etwa Anomalien in Produktionsnetzwerken automatisch erkannt und
Gegenmaßnahmen vorgeschlagen werden. „Außerdem gibt es KI Tools, die als eine
Art ‚neuer Buddy‘ gute Lernmöglichkeiten für interaktive Trainings bieten“,
ergänzt van Hülsen.
Künstliche Intelligenz ist ein hervorragender Weg, um den Skill- und Fachkräftemangel zumindest abzumildern.
Arian van Hülsen, PTC
Auch beim Bundesamt
für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gibt man sich – vorsichtig - zuversichtlich:
„Generative KI kann eine Hilfe für Ingenieurinnen und Ingenieure sein, die sich
dem Thema nähern möchten“, sagt eine Sprecherin und warnt: „Da die Nutzung von
allgemeiner generativer KI aber mit dem Risiko der Halluzinationen verbunden
ist, sollten Ingenieurinnen und Ingenieure nicht auf klassische
Fortbildungsmethoden oder Literatur verzichten.“
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Vertrauen in
diese Tools sei ein kritischer Erfolgsfaktor, sagt van Hülsen: „Agentic AI darf
nicht als ‚Black Box‘ agieren.“ Die Entscheidungen, die KI-Agenten träfen, müssten
jederzeit nachvollziehbar und überprüfbar sein. Er rät dazu,
AI-Evaluierungsframeworks aufzubauen, eine Art Kontrollnetzwerk, bei dem
Agenten die AI überprüfen.
Entscheidendes
Fundament sei ein „Intelligent Product Lifecycle“: „Durch vollständige
Datenketten, Versionskontrolle und transparente Regelwerke werden
Entscheidungen für Auditoren, Management und Entwicklungsteams gleichermaßen
erklärbar“, schildert van Hülsen. Und das ist für Autoindustrie keine schlechte
Nachricht: Den Wert von PLC-Systemen muss man hier niemandem mehr erklären.