Die Smart Factory prägt die Automobilproduktion derzeit so stark wie nie zuvor – von der Implementierung von IoT, KI und Robotik bis hin zu Big Data in den Produktionsprozessen. Von den neuen Technologien erhoffen sich Hersteller und Zulieferer gleichermaßen einen gewaltigen Sprung in Sachen Effizienz, Nachhaltigkeit und Flexibilität. Doch die Schaffung von resilienten und echtzeitfähig vernetzten Fertigungsnetzwerken ist vor allem in bestehenden Werken und IT-Systemen eine Herkulesaufgabe für die Verantwortlichen. Auf dem Automobil Produktion Kongress 2024 diskutieren Jose Arreche, Director of the SEAT S.A plant Martorell & Barcelona, Rene Wolf, Director Manufacturing Vehicle Operations, Ford of Europe, sowie Arno Güllering, bei ZF als Senior Vice President Operations – Division Electrified Powertrain Technology tätig, die zentralen Chancen und Risiken der neuen Technologien.
Smart Factory braucht Expertise und Standards
„Am wichtigsten bei der Transformation ist es natürlich, die Abläufe nicht zu stören“, sagt Seat-Werkleiter Arreche mit Blick auf die zentralen Herausforderungen der Transformation bestehender Standorte. Wichtig sei es zudem, das vorhandene Knowhow der eigenen Mitarbeiter zu nutzen, die die Herausforderungen im eigenen Umfeld genau kennen und mit entsprechender technischer Unterstützung auch lösen können, ergänzt Rene Wolf. „Ideal ist, wenn ein Werk ein Mindset entwickelt, in dem Ingenieure selbst digitale Lösungen mit vorantreiben“, sagt auch Arno Güllering. Gleichzeitig profitiere man bei der Digitalisierung der Produktion immens von einem werksübergreifenden Austausch, um Best Practices zu entwickeln. „Erfolgreiche Projekte werden geteilt“, betont auch Rene Wolf.
Einig sind sich die drei Experten zudem bei der Notwendigkeit zur Standardisierung von IT-Lösungen, die etwa Ford in der eigenen Organisation mit dedizierten Mitarbeitern vorantreibt. Wichtig sei hierbei, die Prozesse und Lösungen von der Basis her aufzubauen, stimmt Seat-Experte Arreche zu: Bei der Standardisierung müsse man die Fehler eines Top-Down-Ansatzes vermeiden und stattdessen vor allem den Input derjenigen Experten im Unternehmen nutzen, die entsprechende Lösungen täglich nutzen und mit deren Problemen und Chancen vertraut sind. Außerdem betont der Werksleiter die Relevanz von qualitativ hochwertigen Datensätzen als Grundlage für alle digitalen Systeme. Häufig bestehe hier insbesondere bei der Anbindung von Zulieferern ein Problem.
Zudem dürfe man nicht den Fehler machen, digitale Technologien monolithisch zu betrachten, ergänzt Arno Güllering, der auf den modularen Ansatz von ZF verweist. Man arbeite daran, smarte Technologien entlang des gesamten Produktionszyklus einzuführen und intelligent miteinander zu verbinden. Dies umfasse etwa digitale Modelle und Simulationen, das Ziel der Maßnahmen sei es jedoch, einen echtzeitbasierten digitalen Zwilling der jeweiligen Standorte zu erstellen, der durch einen modularen Aufbau schnell aktualisiert werden kann.
KI erhöht die Produktqualität
Einigkeit besteht seitens der Experten auch in der Frage nach den künftigen Potentialen von KI. Vor allem die Möglichkeit, Fehler in Produkten und Prozessen schnell zu erkennen und zu beheben, sei ein sinnvoller erster Use Case der Technologie, erklärt etwa Jose Arreche. Eine Ansicht, die auch Rene Wolf teilt: Die erfassten Datenmengen in den Werken seien schlichtweg zu groß, um diese ohne smarte Technologien auf Muster oder Anomalien zu untersuchen. ZF setze entsprechende Systeme bereits in der eigenen Qualitätssicherung ein, erklärt Arno Güllering.