Jörg Burzer, Produktionsvorstand von Mercedes-Benz auf dem Automobil Produktion Kongress 2023 in München

Für Jörg Burzer, Produktionsvorstand von Mercedes-Benz, soll der Mensch trotz der Transformation der Fabriken im Fokus bleiben. (Bild: FacesbyFrank)

Die Zeitspanne zwischen der geplanten Landung von Mercedes-Produktionsvorstand Jörg Burzer aus China und dem Beginn seines Vortrags auf dem Automobil Produktion Kongress 2023 war durchaus knapp bemessen. Am Ende hielt die 'Lieferkette' stand und der 53-Jährige startete pünktlich. Derartige Abhängigkeiten von Zulieferern kennt Burzer selbst nur zu gut. Denn der gebürtige Nürnberger ist verantwortlich für die weltweite Supply Chain des Premium-Herstellers sowie für die Produktion. Deren Transformation sei ohne die Digitalisierung nicht möglich, so Burzer. Das sieht auch sein Amtskollege bei Seat so – Markus Haupt eröffnete den Kongress. Die großen Herausforderungen beschäftigen beide Vorstände naturgemäß gleichermaßen. Doch während Mercedes-Benz voll auf die Elektromobilität setzt und dieses Ziel bis 2030 zu 100 Prozent erreichen möchte, fährt man bei Seat noch eine gemischte Strategie, wie Markus Haupt bereits im Interview mit Automobil Produktion verraten hatte.

Seat setzt auf drei Säulen zur Effizienzsteigerung

"Wir treffen Entscheidungen aufgrund von Daten und nicht aufgrund von Erfahrungen", sagt Markus Haupt. Die Digitalisierung ist für ihn ein Tool, um die Effizienz und die Qualität der Produkte zu erhöhen. Supply Chain Control Tower heißt das Projekt, das für weniger Störungen in Seats Lieferkette sorgen soll. "Das System führt selbst Analysen und schlägt uns mit Hilfe von künstlicher Intelligenz Optimierungen unserer Lieferketten vor", erklärt Haupt. Man müsse den Informationsfluss so gestalten, dass alle Beteiligten Zugang haben. Aktuell liege man beim Onboarding der Zulieferer bei rund 90 Prozent. Tritt irgendwo ein Problem auf, schlägt ein Frühwarnsystem Alarm und die Produktion kann kurzfristig auf die neuen Umstände angepasst werden.

Markus Haupt auf dem Automobil Produktion Kongress 2023 in München
Seats Produktionsvorstand Markus Haupt eröffnete den Automobil Produktion Kongress 2023 in München. (Bild: FacesbyFrank)

Die zweite Säule ist Predictive Maintenance. "Wir kommen aus einer Welt der Corrective Maintenance", gibt Haupt zu. Jetzt erhofft man sich bei Seat eine deutliche Optimierung der Ressourcen. Zumindest bei der Qualitätskontrolle wünscht sich der Produktionschef perspektivisch eine gänzlich autonome Fabrik. Seat will, dass die Maschinen künftig Korrekturvorschläge machen. Bezogen auf die gesamte Produktion ergänzt Haupt: „Mir fällt die Vorstellung einer komplett menschenfreien Fabrik schwer.“ Noch würden die manuellen Tätigkeiten nicht gänzlich wegfallen. Aber grundsätzlich arbeite der Mensch zukünftig an einem anderen Arbeitsplatz.

Mercedes kooperiert bei der Digitalisierung

Sowohl für Markus Haupt als auch für Jörg Burzer soll bei all der Rationalisierung und Effizienzsteigerung der Mensch trotzdem im Mittelpunkt bleiben. Das Thema Qualifizierung spielt bei beiden OEMs daher eine wichtige Rolle. Um die Transformation der Produktion erfolgreich zu gestalten, brauche es die Mitarbeiter, sind sich beide einig. Für Jörg Burzer ist ein weiterer Kernpunkt die Digitalisierung. Damit diese schnell voranschreitet, kooperieren die Stuttgarter mit Siemens für den Bereich Connectivity, mit Microsoft für das Thema Cloud und mit Nvidia für den Digital Twin.

Das Produktionsökosystem MO360 stammt jedoch aus der eigenen Schmiede. Im nächsten Schritt soll es mit dem künftigen Operating System MB.OS zusammenwachsen. 2025 wollen die Schwaben ihr eigenes Betriebssystem starten und auf die ganze Modellpalette ausrollen. Bezogen auf die Produktion heißt das für Burzer: „Wir wollen Produkt und Prozess zusammenbringen.“

Mercedes setzt auf eigene Windparks und Solaranlagen

Neben der Digitalisierung sprach Burzer auch über das Überthema Nachhaltigkeit. Um das eigene Ziel, bis 2039 CO2-neutral zu werden, erreichen zu können, werden eigene Windparks und "über eine Millionen Quadratmeter Photovoltaik-Anlagen" errichtet. Ein zusätzlicher Fokus liegt auf Burzers "Herzensthema" – dem Batterierecycling. In Kuppenheim entsteht bis Ende des Jahres die erste eigene Anlage dafür.

An Baustellen mangelt es freilich nicht. Dennoch bleibt der Fokus darauf, die "begehrenswertesten Fahrzeuge der Welt zu bauen", erhalten. In diesem Zuge erteilt Burzer einer breiter gefächerten Orientierung hin zu einem Mobilitätsdienstleister eine klare Absage. "Wir glauben an die individuelle Mobilität. Für uns ist klar, dass sie auch nach 2030 eine große Rolle spielen wird. Darauf, dieses Kundenbedürfnis zu befriedigen, zielen wir ab."

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