Standortvorteil im Zollkonflikt

Warum Tuscaloosa für Mercedes zum Schlüsselwerk wird

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Produktionsstart für den neuen EQS SUV bei Mercedes-Benz in Alabama, USAStart of Production for the new EQS SUV at Mercedes-Benz in Alabama
Seit 2022 wird in Alabama auch das elektrische Fullsize-SUV EQS produziert. 2027 kommt ein weiteres Modell dazu.

Im anhaltenden Zollkonflikt zwischen den USA und der Welt setzt Mercedes-Benz ein Zeichen: Das Werk in Tuscaloosa bekommt eine Schlüsselrolle im globalen Produktionsnetz – mit neuen Modellen, nachhaltiger Fertigung und elektrischer Zukunft.

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Auf der Automotive Manufacturing North America 2025 am 22. und 23. Oktober in Dearborn, Michigan, kommen Führungskräfte und Expert:innen der Automobilproduktion Nordamerikas zusammen. Mit dabei ist auch Jason Hoff, CEO von Mercedes-Benz North America. Er spricht über die strategische Ausrichtung und Produktionsperspektiven des Unternehmens in unsicheren geopolitischen Zeiten. Alle Details zum Event hier.

So sehr die rigide Zollpolitik der USA unter Donald Trump auch in der Kritik von vielen Wirtschaftsweisen steht, eines hat sie in jedem Fall bewegt: Hersteller vor allem aus Europa müssen grundlegend ran an ihre Produktionsstrategie, um im heißer werdenden globalen Wettbewerb überhaupt noch mithalten zu können. Einen Vorsprung hat der, der ohnehin schon mit Standorten in den USA vertreten ist – wie zum Beispiel auch Mercedes-Benz.

Die Schwaben legten schon Mitte der 1990er Jahre in Tuscaloosa, im US-Bundesstaat Alabama, den Grundstein für das seinerzeit größte Pkw-Werk außerhalb der heimischen Gefilde, um den steigenden Absatz in den USA besser bedienen und die weitere Internationalisierung des Premium-OEM Vorschub zu leisten. Neben dem BMW-Werk in Spartanburg ist der Standort mit der mit ihm verbundenen Gesellschaft Mercedes-Benz U.S. International (MBUSI) einer der größten Automobilexporteure in den Staaten – rund zwei Drittel der Jahresproduktion gehen ins Ausland.

SUVs sind das Herz von Tuscaloosa

Schon lange bevor der SUV-Hype den europäischen Markt ergriff, stand das Werk in Vance im Tuscaloosa County ganz im Zeichen der Geländelimousinen. Im Jahr 1997 begann dort die Produktion der ersten Generation der M-Klasse (W 163), dem ersten SUV im Portfolio von Mercedes-Benz. Seither werden am US-Standort, an dem 2024 gut 6.000 Menschen beschäftigt waren, ausschließliche SUV-Modelle gefertigt – seit 1997 insgesamt rund vier Millionen Einheiten. Dazu gehören die aktuellen Baureihen GLE, GLE Coupé, GLS und GLS Maybach. Seit 2022 werden in Alabama darüber hinaus die vollelektrischen Modelle EQS SUV, EQE SUV sowie seit 2023 die Maybach-Variante des EQE SUV. Insgesamt sind es 260.000 pro Jahr. Aus dem nahegelegenen Bibb County kommen die Batterien für die EQ-Modelle.

Tuscaloosa in Bildern

Luftaufnahme des Mercedes-Benz Werks Tuscaloosa, AlabamaAerial view of the Mercedes-Benz plant Tuscaloosa, Alabama
Für die Integration in die Fertigung des GLC muss Mercedes seine Kapazitäten in Tuscaloosa deutliche erhöhen. Momentan liegt die Jahresproduktion bei 260.000 Einheiten.
Ein Blick in die Produktion des EQE SUV im Wer TuscaloosaA glimpse into the production of the EQE SUV at the Tuscaloosa plant
Ein Blick in die Produktion des EQE SUV im Werk Tuscaloosa.
Produktionsstart für den neuen EQS SUV bei Mercedes-Benz in Alabama, USAStart of Production for the new EQS SUV at Mercedes-Benz in Alabama
Rund 6.000 Menschen sind am Mercedes-Standort in Alabama beschäftigt.
Das Mercedes-Benz Werk in Tuscaloosa, AlabamaThe Mercedes-Benz plant in Tuscaloosa
Neben den EQ-SUVs werden unter anderem auch GLE, GLE Coupé, GLS und Mercedes-Maybach GLS in Alabama gefertigt.
Fertigungsstraße: Die M-Klasse wird seit 1997 in Tuscaloosa/Alabama gebaut.Line: The M-Class has been built in Tuscaloosa, Alabama since 1997.
Die M-Klasse war 1997 das erste SUV, dass in Tuscaloosa vom Band lief.
Mercedes-Benz EV-Hochlauf: Neue Batteriefabrik schafft die Voraussetzungen für die Produktion des EQS SUV in den USMercedes-Benz EV ramp-up: new battery plant sets stage for EQS SUV production in the U.S.
Wenige Monate vor dem Produktionsstart des EQS SUV in den USA eröffnet Mercedes-Benz ein Batteriewerk in Bibb County.
Luftaufnahme der neuen Mercedes-Benz Batteriefabrik in Bibb County, Alabama.Aerial view of the new Mercedes-Benz battery plant in Bibb County, Alabama.
Luftaufnahme der neuen Mercedes-Benz Batteriefabrik in Bibb County, Alabama. Nachhaltigkeit stand bei der Planung im Fokus.
Batteriefertigung am Mercedes-Benz Standort Bibb County, AlabamaBattery production at the Mercedes-Benz Bibb County plant, Alabama
Mercedes' Batteriewerk nutzt Industrie 4.0-Technologien und eine umfassende Digitalisierung mit MO360, dem digitalen Mercedes-Benz Produktionsökosystem. B

Angesichts der von Trump angedrohten Importzölle auf Autos aus der EU hatte Mercedes bereits angekündigt, ab 2027 ein weiteres auf US-Kunden angepasstes Fahrzeug des Mittelklasse-Core-Segments in Alabama produzieren zu lassen – und damit sein Bekenntnis zum US-Markt auch im Oval Office Nachhall zu verschaffen. „Es ist ein natürlicher Schritt, ein weiteres Modell nach Alabama zu bringen“, begründete Mercedes-Boss Ola Källenius die Entscheidung. „Dies ist Teil unserer Strategie, unser Engagement in den Vereinigten Staaten zu vertiefen.“ Mittlerweile ist auch klar, welches Modell ab übernächstem Jahr in Tuscaloosa vom Band läuft: der GLC. Das SUV war im Jahr 2024 mit rund 64.000 von insgesamt 202.000 Einheiten das meistimportierte Modell von Mercedes in die USA – ein logischer Schritt möchte man sagen.

Für die Integration in die Fertigung des GLC muss Mercedes seine Kapazitäten in Tuscaloosa auf fast 400.000 Einheiten erhöhen. Die Aufnahme des GLC in das Produktionsprogramm von Tuscaloosa wird sich wiederum auf das Volumen und die Auslastung des Mercedes-Werks in Bremen auswirken, wo derzeit die meisten GLC-Modelle gefertigt werden.

Tuscaloosa auf holprigem Elektro-Pfad

Seit gut drei Jahren ist auch Mercedes‘ Werk am Black Warrior River auf elektrifizierten Pfaden unterwegs: Dort wird seither das EQS-SUV für die USA und den Weltmarkt hergestellt. Bis vor kurzem war es das einzige Werk in Mercedes‘ Produktionsverbund, das das elektrische Fullsize-SUV produzierte. Seit 2024 wird es auch im indischen Chakan gefertigt, dort allerdings nur als importiertes CKD-Kit. Um die Produktion des Elektroautos möglichst nachhaltig, effizient und digital zu gestalten, orientiert sich das Werk in Tuscaloosa an der Factory 56 in Sindelfingen. Durch frühzeitige Investitionen in eine flexible Fertigung sowie die Nutzung der digitalen Produktionsplattform MO360 will der Suttgarter OEM vollelektrische Fahrzeuge in großen Stückzahlen herstellen.

Nachhaltigkeit bei Batteriefabrik im Fokus

Ein zentraler Bestandteil der Wertschöpfungskette ist die Batteriefabrik im nahegelegenen Bibb County, die 2022 eröffnet wurde. Dort werden die Batteriesysteme für den EQS SUV auf einer rund 300 Meter langen Produktionslinie mit über 70 Arbeitsstationen gefertigt. Die Systeme basieren auf einer modularen Architektur, die auch in den EQS- und EQE-Limousinen verwendet wird. Ein Fokus lag bei der Planung der Fabrik auf dem Thema Nachhaltigkeit. So soll der gesamte Strombedarf des Standorts aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden.

Auch die Gebäudegestaltung sollte möglichst effizient gelingen: Schonung wertvoller natürlicher Ressourcen wird unter anderem Warmwasser mithilfe solarthermischer Energie erzeugt und Regenwasser gesammelt sowie weiterverwendet. Weitere nachhaltige Maßnahmen umfassen die intelligente, energieeffiziente Steuerung der LED-Beleuchtung und der Belüftung in der Batteriemontage. Zudem kommen moderne Klimaanlagen zum Einsatz, die mit umweltfreundlichen Kältemitteln und energiesparender Prozesstechnik arbeiten. Auch bei der Logistik wird auf Nachhaltigkeit geachtet: Die Gabelstapler werden nicht mehr mit Diesel, sondern mit Wasserstoff betrieben.

Dass Tuscaloosa angesichts des neuen Zollregimes der US-Regierung für Mercedes künftig eine immer zentralere Rolle spielen wird, ist unbestritten. Weniger sicher ist allerdings die Zukunft der Elektro-SUVs, die sich in den USA bislang eher schleppend verkauft haben und unter der aktuellen E-Auto-skeptischen US-Administration ohnehin weniger wohl gelitten sein dürften.

Laut Medienberichten wird die Produktion der Limousinen- und SUV-Varianten von EQS und EQE für den US-Markt Ende August 2025 pausiert – die Fertigung für alle anderen Märkte läuft in Tuscaloosa allerdings weiter. Der vorübergehende Produktionsstopp könnte mit den in USA Ende September auslaufenden Steuergutschriften für E-Autos zusammenhängen – allerdings waren weder EQE noch EQS für diese Gutschriften qualifiziert. Mit dem neuen elektrischen CLA und der kommenden Stromer-Variante des GLC wird Mercedes aber auch in den USA wieder zur Elektro-Offensive ansetzen – und damit auch Tuscaloosa zum Dreh- und Angelpunkt der internationalen Expansion machen.

🏭 Mercedes-Benz-Werk Tuscaloosa

Standort: Tuscaloosa County, Alabama, USA

Gesellschaft: Mercedes-Benz U.S. International (MBUSI)

Gründung: 1995

Produktionsstart: 1997 – mit der M-Klasse (W 163)

Beschäftigte: ca. 6.000 Mitarbeitende (Stand 2024)

Produktionsvolumen: ca. 260.000 Fahrzeuge pro Jahr

Exportanteil: Rund zwei Drittel der Jahresproduktion gehen ins Ausland

Aktuelle Modelle: GLE, GLE Coupé, GLS, GLS Maybach, EQS SUV, EQE SUV, EQE SUV Maybach