Porsches Produktion ist von einer Reihe wichtiger Anläufe geprägt. Vor allem der elektrische Macan und die E-Variante des Cayenne halten den Sportwagenbauer auf Trab. Im Interview erklärt Produktionsvorstand Albrecht Reimold alle Details.

„Weltweit bevorzugen unsere Kundinnen und Kunden unterschiedliche Antriebskonzepte. Darauf müssen wir uns in unserem Produktionsnetzwerk einstellen", sagt Albrecht Reimold. (Bild: Porsche)

Herr Reimold, starten wir mit einem Blick zurück: Das Jahr 2024 war bei Porsche von mehreren Produktionsanläufen geprägt. Wie genau sah Ihr Jahr 2024 aus?

Unsere Produktoffensive haben wir bereits in 2023 mit dem neuen Cayenne gestartet. Es folgten in 2024 der neue Panamera, Taycan, 911 und schließlich der elektrische Macan. Ich habe in meinem Berufsleben schon viele Produktanläufe an unterschiedlichen Standorten in Europa begleitet. Zur Routine wird das nie. Es kommen immer wieder neue Herausforderungen auf einen zu – insbesondere bei einem völlig neuen Modell wie dem elektrischen Macan. Ihn mussten wir beispielsweise in eine bestehende Linie in Leipzig integrieren. Dort laufen nun im Rahmen einer sogenannten Flex-Fertigung drei verschiedene Antriebsarten auf einem Band: Verbrenner, Plug-in-Hybride und vollelektrische Fahrzeuge. Das war schon anspruchsvoll. Umso wichtiger ist es, alle Beteiligten frühzeitig und umfassend zu qualifizieren – die eigene Mannschaft, aber auch unsere Zulieferer. Gerade auch angesichts der zunehmenden Software-Umfänge.

Sie sagen, die Fahrzeugsoftware wird zu einem Produktionsfaktor. Was meinen Sie damit?

Die Entwicklung findet natürlich an anderer Stelle statt. Zudem sind die Steuergeräte oft bei den Lieferanten „vorgeflasht“. Die eigentliche Inbetriebnahme geschieht jedoch im Werk. Die Software muss so programmiert sein, dass sie in der Taktzeit installiert werden kann. Dafür mussten wir die entsprechenden Kompetenzen aufbauen. Gerade mit Blick auf die sehr komplexe Elektronik-Architektur des elektrischen Macan.

Lassen Sie uns auf einen Anlauf im Speziellen schauen – den des elektrischen Macan in Leipzig. Wie haben Sie die Produktion auf die PPE-Architektur vorbereitet?

Zunächst mussten wir die logistischen Abläufe neu konzipieren. Das war noch vergleichsweise einfach, denn es entspricht prinzipiell den Abläufen bei einem Verbrenner: Dort kommen Motor und Tank, beim E-Fahrzeug Batterie und Elektromotor. Wesentlich komplexer war die Planung der Hochzeit – also der Moment, in dem Antrieb und Karosserie verbunden werden. Beim Verbrenner kommen Tank, Fahrwerk und Motor zusammen. Beim E-Fahrzeug ist die Batterie das zentrale Bauteil. Die Elektromotoren sitzen in der Mitte der Achsen, die Hochvoltverkabelung muss berücksichtigt werden. Die Station wird dadurch komplexer und auch länger. Für die Integration des elektrischen Macan haben wir die Hochzeit neu geplant und von 24 auf 60 Meter verlängert. Aus vier wurden neun Stationen.

Albrecht Reimold spricht auf dem APK 25:

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Haben Sie sich für die Perlenkette entscheiden, um flexibel zu bleiben – auch mit Blick auf die Zukunft? Man hätte auch eine dezidierte E-Linie in Leipzig bauen können.

Flexibilität ist uns sehr wichtig – weil sich die Märkte und die Kundenbedürfnisse höchst unterschiedlich entwickeln. Zudem steht Porsche für hochindividualisierte Fahrzeuge. Gerade da ist die Perlenkette essenziell. Sie ermöglicht uns, die logistischen Ströme präzise zu steuern – also das richtige Material zum richtigen Zeitpunkt an den richtigen Ort zu bringen. Das sorgt für Liefertreue, geringe Kapitalbindung und zeitgenaue Anlieferung.

Bleiben wir beim Thema Logistik: Welche Auswirkungen hat die Fertigung von drei unterschiedlichen Antriebsarten auf einer Linie auf die Intralogistik – aber auch auf die Anlieferung? Sie haben neue Lieferanten, zum Beispiel für Batterien oder Hochvoltkomponenten.

Grundsätzlich gilt: Bei uns wird nach Kundenauftrag produziert. Oberstes Ziel ist immer Liefertreue. Dazu braucht es eine sehr intensive Vorbereitung – vor allem bei neuen Lieferanten, die keine Automotive-Erfahrung mitbringen. Sie müssen verstehen, wie präzise und konsequent bei uns gearbeitet wird. Die Teile müssen in der richtigen Reihenfolge und mit voller Datentransparenz geliefert werden. Die Datenanbindung ist heute sicherlich eines der zentralsten Elemente.

Welche Erfahrungen aus dem Taycan-Anlauf sind in die Vorbereitung für den elektrischen Macan in Leipzig eingeflossen? Gab es Herausforderungen, die Sie dadurch vermeiden konnten?

Wir haben beim Macan vor allem von den Erfahrungen in den Bereichen Hochvolt und Software profitiert. Darüber hinaus gilt: Jeder Anlauf hat seine Eigenheiten und unerwartete Herausforderungen. Insofern ist Flexibilität für uns in der Produktion enorm wichtig. Zudem müssen wir die vielen Schnittstellen beherrschen, die unseren Job besonders spannend, aber auch anspruchsvoll machen. Letztendlich müssen wir liefern – auch bei der Effizienz und bei den Fabrikkosten.

Leipzig ist in vielerlei Hinsicht ein Leuchtturm-Standort von Porsche. In Sachen Nachhaltigkeit und Digitalisierung gilt es als Vorzeigewerk. Welche Use Cases nehmen Sie aktuell aus Leipzig mit, um sie beispielsweise in Zuffenhausen umzusetzen?

Die beiden Standorte sind nicht direkt vergleichbar. Leipzig ist auf der grünen Wiese entstanden und Zuffenhausen ist ein Brownfield-Standort. Aber natürlich schauen wir uns genau an, weshalb Leipzig 2023 zur „Fabrik des Jahres“ gekürt wurde und was wir daraus für Zuffenhausen ableiten können. Leipzig steht beispielsweise stark für Smart-Factory-Themen. Diese übertragen wir nach Möglichkeit auch auf Zuffenhausen. Ein anderes Beispiel ist die Oberflächeninspektion: Sie wurde in Leipzig eingeführt und ist inzwischen auch in Zuffenhausen im Einsatz. Natürlich gibt es auch den anderen Weg von Zuffenhausen nach Leipzig. Generell gilt: Viele Prozessoptimierungen basieren auf einer Kombination aus Hardware-Technologien und digitalen Elementen. Wir testen den Piloten immer erst an einem Standort und rollen die Prozesse dann auf andere Werke aus.

Im Mehrmarkenwerk in Bratislava steht 2025 der Anlauf des elektrischen Cayenne an. Wenn ich richtig informiert bin, wird es das erste Elektrofahrzeug sein, das dort gefertigt wird…

Da muss ich Sie korrigieren: Ich war von 2012 bis 2016 in Bratislava und hatte die Ehre, damals den E-Up als erstes E-Auto des Volkswagen-Konzerns dort in den Anlauf zu bringen.

Stimmt – aktuell wird dort allerdings kein Elektrofahrzeug gebaut, bis der besagte elektrische Cayenne startet. Was ist für den Anlauf jetzt noch zu tun?

Auch in Bratislava sprechen wir über eine flexible Produktion von Verbrennern, Plug-in-Hybriden und vollelektrischen Fahrzeugen – und damit analog zu Leipzig über die Integration eines weiteren Antriebsstrangs in eine bestehende Linie. Eine Besonderheit ist, dass die Batteriemodule für den elektrischen Cayenne aus der Slowakei kommen. Aus unserem Smart Battery Shop in Horná Streda. Dort bauen wir die Module selbst, ehe sie von unserem Lieferanten in den Batterierahmen integriert werden.  Einen besonderen Fokus legen wir beim Cayenne erneut auf die Software und das Lieferantennetzwerk. Aktuell laufen die Vorserienfahrzeuge. Bisher zeigt sich das Mehrmarkenwerk in Bratislava wie gewohnt: zuverlässig, präzise und hoch kompetent.

Albrecht Reimold wurde 1961 in Öhringen geboren. Nach einer Ausbildung zum Werkzeugmacher studierte er Produktionstechnik an der Fachhochschule Heilbronn und startete 1987 seine Karriere bei der Audi AG in Neckarsulm. Dort übernahm er im Laufe der Jahre zentrale Führungspositionen in der Fertigung und Produktionsplanung, unter anderem für die Modelle Audi A8, A2 und R8. 2009 wurde er Werkleiter am Standort Neckarsulm. 2012 wechselte er als Vorstandsvorsitzender und Technikvorstand zur Volkswagen Slovakia nach Bratislava. Seit Februar 2016 ist Albrecht Reimold Vorstand für Produktion und Logistik bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG in Stuttgart.
Reimold: „Tatsächlich sind bei uns mehrere Pilotprojekte für einen humanoiden Roboter in Vorbereitung.“

Lassen Sie uns noch einmal gezielt auf den digitalen Aspekt der Produktion schauen – speziell auf den digitalen Zwilling. Welche konkreten Anwendungen sind bei Porsche aktuell auf dem Shopfloor verfügbar?

Das beginnt bereits bei der Produktkonzeption. Dort starten wir gemeinsam mit der Technischen Entwicklung sogenannte virtuelle Prozessgespräche. Dabei simulieren wir zum Beispiel Fügefolgen. Das ist gerade bei E-Fahrzeugen wichtig, weil die Hochvoltverkabelung weniger flexibel ausgelegt ist als bei klassischen Fahrzeugen.  Auch unsere Anlagen konzipieren wir anhand virtueller Datenmodelle. Bei der Umformung von Aluminium-Außenhautteilen simulieren wir zum Beispiel die kompletten Ziehprozesse. Dies ermöglicht uns, sogenannte „No-Touch-Werkzeuge“ zu fertigen. Das sind Werkzeuge, die kaum noch eine Einarbeitung benötigen. Das spart enorm viel Zeit und Kosten. Wir simulieren außerdem den Hochlauf der Fabrik – bis hin zum digitalen Zwilling der gesamten Fabrik. Grundlage dafür sind durchgängige und saubere Daten, auf die wir am Ende KI und digitale Planungstools setzen.

Wenn wir über KI sprechen, geht es oft auch um neue Formen von Automatisierung. BMW setzt in Spartanburg beispielsweise den humanoiden Roboter Figure 02 ein, Mercedes testet Apollo. Wie spannend sind humanoide Roboter für Sie?

Das ist ein hochspannendes Feld. Allerdings sind wir nicht mit den genannten Herstellern vergleichbar, weil wir deutlich geringere Stückzahlen haben und einen hohen Individualisierungsgrad. Tatsächlich sind bei uns mehrere Pilotprojekte für einen humanoiden Roboter in Vorbereitung.  Unabhängig davon setzen wir auf hochautomatisierte Produktionsabläufe. So haben wir in Leipzig beispielsweise vollständig mannlose Karosseriebauanlagen. Auch in der Lackiererei in Zuffenhausen ist der Automatisierungsgrad sehr hoch: Hier geht es um das perfekte Zusammenspiel von Applikationstechnik, Temperaturen und Öfen, um ein perfektes Lackbild zu erhalten.

Schauen wir auf eine der großen Herausforderungen unserer Zeit: die steigenden Energiepreise. Welche Strategien verfolgen Sie, um dem entgegenzuwirken?

Unsere Prioritäten sind klar: Erstens vermeiden, zweitens optimieren, drittens Eigenstrom produzieren und schließlich Zukauf. Seit ich 2016 bei Porsche gestartet bin, ist die Energieversorgung ein zentrales Anliegen. Ich habe damals im Vorstand die Patenfunktion für Nachhaltigkeit übernommen. Dabei habe ich direkt durchgesetzt, dass wir in Zukunft an unseren Standorten in Zuffenhausen, Weissach und Leipzig nach und nach ausschließlich zertifizierten Strom aus erneuerbaren Energiequellen nutzen.  Natürlich gab es anfangs Diskussionen über die Kosten. Aber wir haben auch eine Verantwortung gegenüber der Umwelt und Gesellschaft. Ganz abgesehen davon, dass sich die Investitionen häufig auch wirtschaftlich rechnen. Darüber hinaus ist Energieautarkie in Krisensituationen ein wichtiges Thema. Vollständig autark sind wir zwar nicht, aber wir kommen dem näher. Dabei sind wir auch kreativ und entwickeln eigene Lösungen – etwa unseren Batteriespeicher in Leipzig. Für ihn nutzen wir gebrauchte Taycan-Batteriemodule als Pufferspeicher, auch für das öffentliche Netz.

Die hohen Energiepreise kommen nicht von ungefähr. Wir sind derzeit konfrontiert mit großen geopolitischen Spannungen. Ist die Idee, von einem Werk aus für die ganze Welt zu produzieren, schwieriger geworden?

Das ist definitiv eine große Herausforderung. Anderseits ist es aufgrund unserer vergleichsweise geringen Stückzahlen und der vielen Derivate in den Modellreihen fast unmöglich, eigene Werke in einzelnen Märkten ökonomisch sinnvoll abzubilden. Das gilt in der Regel auch für eine Integration von Porsche-Modellen in den Produktionsverbund des VW-Konzerns. Insofern setzen wir auch in Zukunft auf unser flexibles Produktionsnetzwerk mit Standorten in Zuffenhausen, Leipzig, Bratislava und aktuell noch Osnabrück. Darüber hinaus gehen wir behutsam neue Wege. Beispielsweise in Malaysia: In Kulim haben wir mit Sime Darby ein CKD-Werk aufgebaut. Von dort aus beliefern wir die Märkte in Malaysia und Thailand erfolgreich mit dem Cayenne. Dieses Produktionsmodell ist aber nicht überall übertragbar.

Dennoch wird eine lokale Fertigung etwa in den USA sicherlich konzernweit diskutiert?

Bei Porsche gibt es im Moment keine Planungen für ein Werk in den USA. Natürlich legen die aktuellen Ereignisse um die Zölle diese Frage nahe. Aber wir haben schlicht nicht das erforderliche Volumen.

Zum Abschluss: Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für die Porsche- Produktion im Jahr 2025 und darüber hinaus?

2025 wollen wir vor allem die Prozesse für die Produktion des elektrischen Macan weiter verfeinern. Parallel haben wir die Volatilität der Weltmärkte im Blick. Sie erfordert von unserer Produktion ein hohes Maß an Flexibilität. Ebenso der Antriebsmix. Ich persönlich bin ein großer Fan der Elektromobilität, fahre seit Jahren Taycan. Weltweit bevorzugen unsere Kundinnen und unsere Kunden aber unterschiedliche Antriebskonzepte. Darauf müssen wir uns in unserem Produktionsnetzwerk einstellen. Denn Porsche steht für diese Vielfalt - in all seinen Modellreihen.  

Zur Person:

Albrecht Reimold wurde 1961 in Öhringen geboren. Nach einer Ausbildung zum Werkzeugmacher studierte er Produktionstechnik an der Fachhochschule Heilbronn und startete 1987 seine Karriere bei der Audi AG in Neckarsulm. Dort übernahm er im Laufe der Jahre zentrale Führungspositionen in der Fertigung und Produktionsplanung, unter anderem für die Modelle Audi A8, A2 und R8. 2009 wurde er Werkleiter am Standort Neckarsulm. 2012 wechselte er als Vorstandsvorsitzender und Technikvorstand zur Volkswagen Slovakia nach Bratislava. Seit Februar 2016 ist Albrecht Reimold Vorstand für Produktion und Logistik bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG in Stuttgart.

Albrecht Reimold, Porsche

Albrecht Reimold wurde 1961 in Öhringen geboren. Nach einer Ausbildung zum Werkzeugmacher studierte er Produktionstechnik an der Fachhochschule Heilbronn und startete 1987 seine Karriere bei der Audi AG in Neckarsulm. Dort übernahm er im Laufe der Jahre zentrale Führungspositionen in der Fertigung und Produktionsplanung, unter anderem für die Modelle Audi A8, A2 und R8. 2009 wurde er Werkleiter am Standort Neckarsulm. 2012 wechselte er als Vorstandsvorsitzender und Technikvorstand zur Volkswagen Slovakia nach Bratislava. Seit Februar 2016 ist Albrecht Reimold Vorstand für Produktion und Logistik bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG in Stuttgart.

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