Volvos neuer EX90 soll als erstes komplett als Elektromodell entwickeltes Crossover den Aufbruch in eine neue Ära markieren. Denn klar ist: Die seit Jahrzehnten eine Reihe hinter den deutschen Premiummarken fahrenden Schweden steigen schneller als andere komplett auf Elektromobilität um. Weil Technologien, Antriebe und insbesondere die finanziellen Mittel fehlten, beschränkte sich der schwedische Automobilhersteller im chinesischen Konzern bislang aufs Wesentliche und speckte ab. Nach schweren Jahren sieht es mittlerweile jedoch besser aus denn je und Volvo wurde mit der elektrischen Schwestermarke Polestar zu einem Aushängeschild von Geely – inklusive Börsengang: „Wir begrüßen diesen wichtigen Meilenstein auf dem Weg von Polestar“, betont Jim Rowan, Vorstandsvorsitzender von Volvo Cars, und ergänzt: „Als unsere Schwestermarke und wichtiger Geschäftspartner spielt Polestar eine Schlüsselrolle in unserer strategischen Ausrichtung, bis 2030 vollständig elektrisch zu werden und die Zukunft der Mobilität zu gestalten.“
Die Zusammenarbeit beider Marken umfasst die gemeinsame Nutzung von Technologien und Entwicklungskapazitäten sowie das Erzielen von Skaleneffekten durch eine teils gemeinsame Fertigung und Lieferkette. Volvo hält knapp 50 Prozent an Polestar. Wie viele andere auch, stehe man kurzfristig vor geschäftlichen Herausforderungen, aber man sei zuversichtlich und konzentriere sich darauf, die strategischen Ziele zu erreichen, schätzt Rowan die Situation ein.
Europäischer Glanz mit Volvo, Polestar, Lotus
Volvo und Polestar sind aber nicht die einzigen Marken, die in Europa (wieder) glänzen sollen. Geely wollte Europa längst aufmischen, doch schwächelnde Marken wie London Taxi, Lynk & Co oder Lotus tun sich deutlich schwerer, in eine Erfolgsspur zu wechseln. Aus Lotus will man mittelfristig einen rein elektrischen Porsche-Konkurrenten machen. In Zuffenhausen sieht man das entspannt. Nach dem elektrisch angetriebenen Lotus Evija greifen die Briten bald mit dem elektrischen Hyper-SUV Eletre an, drei weitere Elektro-Asse sollen in den nächsten Jahren die Stromerszene aufmischen. Das E-Crossover basiert auf der Lotus-eigenen Electric Premium Architecture, einer Plattform, die sich durch einen besonders tiefen Schwerpunkt und eine große Flexibilität auszeichnet und verschiedene Fahrzeugkonzepte mit verschiedenen Batteriegrößen und Antriebsmodulen ermöglicht. Der Aufbau verspricht dynamische Fahrleistungen und hohe Agilität. Diese strahlt der Eletre bereits optisch aus. Der elektrische Antriebsstrang passt zum Auftritt, er leitet seine Kraft an alle vier Räder und leistet 441 kW/600 PS. Ein Wert, der erst den Anfang markiere, verspricht Lotus-Chef Matt Windle.
Zeekr als chinesische Antwort auf Tesla
Neben Volvo, Polestar und Lotus kommt Zeekr als chinesischem Tesla-Pendant die Rolle des Jokers zu. Wie viele andere Fahrzeuge ist der Zeekr 001 auf der variablen Sustainable Electric Architecture (SEA) der Geely Holding Group unterwegs. Die Leistungsdaten sind ebenso beeindruckend wie das Styling: 400 kW/544 PS, 768 Nm Drehmoment, Allradantrieb sowie von null auf Tempo 100 in 3,8 Sekunden. Die 100-kWh-Batterie im Unterboden lässt sich innerhalb von 30 Minuten auf bis zu 80 Prozent laden.
Gefertigt wird der Wettbewerber des Model S von Tesla in einer neuen Fabrik in der chinesischen Stadt Ningbo, die nicht zuletzt dank 5G-Technik als eine der modernsten Produktionsanlagen im Automobilbereich gilt. Der Datenturbo ermöglicht einen maximalen Verzicht auf Menschen in der Lackieranlage oder gar der Schweißabteilung, die mit über 300 Robotern vollständig automatisiert ist. Von überall auf der Welt lässt sich die Fertigung in Echtzeit planen, verfolgen und kontrollieren. Für den Produktionsprozess setzt man auf eine kontinuierliche Selbstoptimierung, welche die Qualität der Zeekr-Produkte teilautomatisch verbessern soll. In der Schweißlinie kommen etwa eine visuelle Kleberauftragsführung, Online-Messungen und Ultraschall-Selbstinspektionen zum Einsatz wie auch eine intelligente Selbstanpassung zur Schweißsteuerung, um den Schweißprozess kontinuierlich zu verbessern.
Zusammenarbeit mit Waymo und Mobileye
Vertrieben wird der Zeekr 001 online unter Mithilfe von sogenannten Zeekr Spaces, die sich in immer mehr chinesischen Metropolen finden lassen. Ähnliche Markenshops sind auch in Europa denkbar, denn ab dem kommenden Jahr könnte der Tesla-Wettbewerber den Sprung in die Alte Welt wagen. Noch wichtiger dürften für Geely jedoch die Vereinigten Staaten sein. So arbeitet Zeekr seit Kurzem mit dem Fahrdienstbetreiber Waymo bei der Entwicklung eines Elektrofahrzeugs für den Einsatz in der autonomen Ridehailing-Flotte Waymo One zusammen, die man in den USA betreiben will. Ein Elektrofahrzeug wird dazu in der Forschungs- und Entwicklungseinrichtung von Zeekr, dem sogenannten CEVT (China Euro Vehicle Technology Centre) in Göteborg (Schweden) entworfen und entwickelt. Waymo wird die Fahrzeuge ohne Führerstand oder Fahrerkabine in seinen autonomen Ridehailing-Fahrdienst integrieren.
Doch Waymo ist nicht der einzige internationale Konzern, mit dem die Geely-Tochter kooperiert. Zusammen mit Mobileye arbeiten die Chinesen am automatisierten Weg in eine unfallfreie Zukunft. Kommende Fahrzeuge auf der SEA-Architektur von Geely nutzen dazu eine Redundanz von Bremsen, Lenkung und Antrieb. Im Rahmen des sogenannten Open-EyeQ-Konzepts sollen 6xEyeQ5-System-on-Chips eine Integration von Zeekr-eigenen Softwaretechnologien mit Mobileye-True-Redundancy-Sensorik ermöglichen. Ammon Shashua, Präsident und CEO von Mobileye, sagt zur Ausweitung der Partnerschaft: „Das Vertrauen von Zeekr in Mobileye als Technologiepartner zeigt, dass wir in der Lage sind, unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen und unsere Branchenführerschaft weiter zu festigen.“