Ludwig Fazel, Leiter Strategie Group Technology und Platform Business sowie COO Volkswagen Group Components,

Ludwig Fazel: "Die Anzahl der E-Plattformen, die perspektivisch in unserer Industrie existieren, wird im Vergleich zur Verbrennerwelt sinken." (Bild: Volkswagen)

Herr Fazel, Anfang des Jahres hat Volkswagen mit Mahindra einen Liefervertrag über MEB-Komponenten unterzeichnet. Was liefern Sie?

Finale Verträge unterschrieben haben wir für unsere Einheitszelle, die von uns entwickelt und industrialisiert wird. Insgesamt geht es hier um eine Kapazität von 50 Gigawattstunden. Hinzu kommen Komponenten für Batteriesysteme. Weiterhin führen wir Gespräche über E-Antriebe und verschiedene Zellchemien.

Auf welchem Zeithorizont spielt sich das ab?

Für die erste Fahrzeuggeneration der neuen Mahindra-Plattform INGLO, also gut sechs Jahre.

Wann wird die Einheitszelle für Mahindra verfügbar sein?

Der Serieneinsatz ist für 2026 geplant. Zellen für Vorserienentwicklung liefern wir früher.

Bekommt Mahindra die Technologie, die zum jeweiligen Zeitpunkt auch für Modelle des Volkswagen-Konzerns verfügbar ist?

Genau. Wir verbessern unsere Plattformen und Komponenten kontinuierlich auf der Kosten- und Leistungsseite für unser eigenes Geschäft – und davon profitieren auch unsere Partner. Das ist der größte Unterschied unseres Komponentenvertriebsgeschäfts gegenüber klassischen Zulieferern.

Bereits vor zwei Jahren gab es Vorverträge mit Mahindra. Was war dann so zeitintensiv?

Im Zuliefergeschäft mit externen Partnern aktiv zu werden, war für Volkswagen ein völlig neuer Schritt. Vertragsgestaltung, Garantie, Kulanz, Lieferverpflichtungen – da mussten wir uns auch erst selbst ein Bild machen, an welcher Stelle wir uns wie positionieren wollen.

Haben Sie dafür ein dediziertes „Elektro-Team“?

Ich fing mit einem sehr kleinen Team an. Nukleus war die MEB-Kooperation mit Ford. Heute sind wir deutlich mehr. Im Zeitverlauf haben wir dann festgestellt, welchen konkreten Aufwand die Umsetzung eines solchen Geschäftsmodells bedeutet. Die aktuelle Plattformgeneration des MEB ist hochintegriert, es handelt sich nicht um Plug-and-Play-Komponenten. Bei Ford war der Aufwand für die Plattform-Adaption jedoch noch relativ gering, weil die Lieferung der vollumfänglichen MEB-Plattform die Grundlage für die Ford-Fahrzeuge bildet.

Klingt optimal für Volkswagen.

Die Herausforderung war hier eher, dass Ford die Plattform im eigenen Werk fertigen wird – in Köln, wo gerade faktisch eine Transformation zur MEB-Fabrik stattfindet. Das hieß: ein anderer OEM, mit anderen IT-Systemen, mit anderen Prozessen und anderen Freigabe- und Launch-Prozeduren, der eine Volkswagen-Plattform einrüstet. Die Herausforderung war die Industrialisierung.

Dieses Problem haben Sie bei Mahindra nicht.

Mahindra wollte selektive Einzelkomponenten aus der MEB-Plattform beziehen. Dort ist die Herausforderung, dass zum Beispiel der E-Antrieb aus dem Verbund der hochintegrierten MEB-Plattform herausgenommen wird und in Mahindras Plattform funktionieren muss. Da müssen wir andere Arten von Informationspunkten freigeben und Entwicklungssupport leisten. Die dortige Herausforderung ist also eine funktional-technische.

In punkto Ford gab es immer wieder Gerüchte, dass die Zusammenarbeit beim MEB hakt. Können Sie Entwarnung geben?

Neben der Verantwortung für das MEB-Projekt steuere ich auch die strategische Kooperation mit Ford, die ja auch Plattformprojekte im Nutzfahrzeugbereich umfasst. In dieser Rolle spreche ich mit Ford auch regelmäßig über eine mögliche Erweiterung unserer Zusammenarbeit.

Sie sind nun in der Rolle des Zulieferers. Volkswagen war berüchtigt für seinen Umgang mit Zulieferern. Wie ist das, wenn man am Mindset der Menschen in den eigenen Reihen arbeiten muss?

Ich war zehn Jahre in einer Managementberatung tätig und habe dabei die Automobilbranche aus der Dienstleisterrolle wahrgenommen. Diese Rolle hat viele Gemeinsamkeiten mit der Zuliefererrolle. Wenn man solch ein neues Geschäftsmodell wie wir bei Volkswagen aufbaut, muss man natürlich die beteiligten Fachbereiche überzeugen, diese neue Rolle anzunehmen und sich darauf einzulassen. Man sitzt in Gesprächen mit einem OEM nun auf der anderen Seite des Tisches. Da muss man einen gewissen Druck aushalten und auch intern die Fachbereiche sensibilisieren, damit sie unseren Partnern bei der Lösungsfindung helfen. Ich bin sehr froh, dass wir ein breites Netzwerk an Kolleginnen und Kollegen im Konzern haben, das uns tatkräftig unterstützt. Wir nehmen die Zuliefererrolle konsequent an und haben immer kürzere Reaktionszeiten.

Spielt bei der Entwicklungszusammenarbeit mit Xpeng das Plattformdrittgeschäft eine Rolle?

Zunächst: Vereinbart haben wir mit Xpeng die gemeinsame Entwicklung einer China-spezifischen Plattform, um das Mittelklassesegment für die Marke Volkswagen weiter zu erschließen. Diese Zusammenarbeit wurde nun auch auf die E/E-Architektur erweitert. Mit Blick auf die grundsätzliche Weiterentwicklung des Plattformgeschäfts mit externen Partnern denken wir generell darüber nach, wie sich die technische Integrationsfähigkeit unserer Einzelkomponenten in Kundenplattformen erleichtern lässt. Diese Anforderungen versuchen wir in künftige Plattformen einzubringen.

Die große Mehrheit der OEMs scheint das mit dem Drittgeschäft anders zu sehen.

Die Frage ist, ob man als OEM groß genug und bereit ist, um solch einen Weg wie Volkswagen zu beschreiten. Einige europäische OEMs waren bei der E-Mobilität auch ein bisschen später dran als wir. Unser Team für das Drittmarktgeschäft im Bereich Komponenten und Plattformen spricht regelmäßig mit OEMs bis hin zu Startups, um zu diskutieren, ob man bestimmte Volkswagen-Plattformen nutzen könnte, sei es für den globalen Einsatz oder aber in bestimmten Regionen. Dafür scheint es einen Grund zu geben.

Welchen?

Meine Meinung: Die Anzahl der E-Plattformen, die perspektivisch in unserer Industrie existieren, wird im Vergleich zur Verbrennerwelt sinken – aufgrund des Aufwands für Entwicklung, Konnektivität, Digitalisierung und der zu stemmenden Investitionen für das automatisierte Fahren. Bei nicht merklich veränderter Preissensitivität unserer Endkunden wäre der Aufwand für OEMs schlicht zu hoch und könnte von den Fahrzeugen finanziell nur schwer getragen werden. Die Konsequenz: entweder ziehen sich einige OEMs dann aus bestimmten Fahrzeugsegmenten zurück – oder sie beginnen zu kooperieren, indem sie ihre eigene Plattform anbieten oder indem sie auf andere Plattformen aufspringen.

Sind Sie mit dem bislang Erreichten zufrieden?

Sehr zufrieden, obwohl ich das aus Vertriebs- und Akquisesicht ja nie vollständig sein darf. Drei Jahre vor dem Ford-Produktionsstart ein Team zu übernehmen, das aus einer Handvoll Leuten bestand, und ohne Erfahrung innerhalb des Konzerns, wie dieses neue Geschäftsmodell funktionieren wird – das war eine Herausforderung. Ford bringt den Explorer und wir haben sogar in einem kostensensitiven Markt wie Indien Fuß gefasst. Ich bin sehr stolz auf das gesamte Team.

Sie möchten gerne weiterlesen?