Herr Arreche, auf Ihrem Werk ruhen große Hoffnungen im VW-Konzern. Die lang ersehnte Electric Urban Car Family, wozu auch der ID.2 zählt, wird hier künftig gebaut. Wann soll die Produktion der neuen Modelle starten?
Die SEAT S.A. leitet des Clusters zur Entwicklung der Electric Urban Car Familie für den Volkswagen Konzern, die den Zugang zu Elektroautos demokratisieren soll. Die Produktion des CUPRA Raval – die radikale Interpretation des urbanen EV, startet Ende 2025. Dieses provokante Auto wird Konventionen in Frage stellen und definieren die urbane Mobilität für die neuen Generationen neu.
Wie läuft der Prozess bisher?
Bisher haben wir keine Engpässe. Das ist besonders in der aktuellen Situation sehr wichtig.
Seat und Cupra sind innerhalb des Volkswagen-Konzerns eine der wenigen Marken, bei denen es aktuell gut läuft, insbesondere dank Cupra. Macht Sie das als Werkleiter stolz?
Ja, es macht uns sehr stolz. Einerseits sind wir das Leitwerk für die Electric Urban Car Family und steuern das Projekt hier vor Ort. Wir entwickeln die Fahrzeuge in Martorell, was für uns eine große Bedeutung hat. Plattformen sind zwar Konzernprojekte, aber die Entwicklung der Hüte findet hier statt. Das ist wichtig für uns. Viele Experten aus anderen Werken kommen hierher, um die Vorserien zu sichten und zu prüfen, und das erfüllt uns mit Stolz.
Empfinden Sie den aktuellen Erfolg auch als eine zusätzliche Verantwortung oder besonderen Druck?
Jeder Projektstart bringt einen gewissen Druck mit sich, da wir immer wirtschaftlich arbeiten müssen. Bei Elektroautos ist es schwieriger, weil die Batteriekosten noch hoch sind. Da müssen wir also noch härter arbeiten. Aber der Druck ist nicht größer als bei anderen Projekten. Wir wissen, dass wir viel daran arbeiten müssen, die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Generell gibt es aber einfach keinen Plan B, keinen anderen Weg zur Dekarbonisierung Europas als den Wandel zur Elektromobilität. Und da müssen wir unsere Kunden einfach überzeugen.
Wie wird die aktuelle Lage in Deutschland hier in Spanien wahrgenommen? Die deutschen Werke stehen vor großen Herausforderungen…
Dies ist ein Thema, das den Volkswagen-Konzern in Deutschland betrifft. Wir sollten berücksichtigen, dass die Automobilindustrie vor einem umfassenden Wandel steht und aufgrund des mangelnden Engagements der politischen Vertreter bei der Förderung der Elektrifizierung gefährdet sein kann. Daher ist die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie ernsthaft gefährdet, und wir brauchen die Unterstützung der öffentlichen Verwaltungen.
Wie bewerten Sie die Stimmung bezüglich der aktuellen Fokusverschiebung auf Spanien?
Ich habe immer das Gefühl gehabt, dass uns die deutschen Kollegen wertschätzen und professionell bewerten. Durch die Elektroauto-Initiative sehen wir uns gestärkt, da wir hier etwas Neues und Bedeutendes aufbauen können.
Ihr Kollege aus Palmela, Thomas Hegel Gunther, betonte uns gegenüber den besonderen Austausch der Werke auf der iberischen Halbinsel. Wie nehmen Sie diesen wahr?
Sehr intensiv. Vor Kurzem war ich in Pamplona, und wir haben uns mit den Teams dort getroffen. Wir teilen Benchmark-Ideen und arbeiten zusammen, insbesondere bei Projekten wie den neuen Elektromodellen. Diese Kooperation stärkt uns als Einheit und ermöglicht es uns, gemeinsam effizientere Lösungen zu entwickeln.
In Valencia entsteht die Batteriezellfabrik. Was erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit?
Die Zusammenarbeit hat bereits begonnen. Einige unserer Mitarbeiter sind schon in die Gigafactory eingebunden. Wir profitieren gegenseitig von unseren Erfahrungen. Die Powerco Gigafactory wird ein wichtiger Partner für uns, insbesondere bei der Batterieproduktion.
Wie wichtig ist speziell der große Erfolg von Cupra für das Werk in Martorell?
Der Erfolg von Cupra ist unglaublich. Die Art und Weise, wie die Cupra-Modelle in den Markt eingetreten sind, ist einmalig. Unsere Produktion von Cupra-Fahrzeugen wird in den kommenden Monaten weiter steigen. Als ich vor zwei Jahren hier anfing, haben wir noch mehr Seat Aronas, Ibizas und Leon-Modelle gebaut. Jetzt ist Cupra zunehmend in unseren Produktionslinien vertreten.
Auf unserem Automobil Produktion Kongress im Mai 2024 sprachen Sie bereits über Maßnahmen zur Effizienzsteigerung. Können Sie Ihre Strategie noch mal konkretisieren?
Es ist wichtig, wirtschaftlich zu denken. Wir analysieren ständig, ob alle Tätigkeiten notwendig sind und ob sie effizienter gestaltet werden können. Diese Mentalität muss man immer im Hinterkopf behalten. Ich sage oft: Wenn ich zu Hause bin, ist es besser, alles auf einmal zu erledigen, statt dreimal hin und her zu gehen. Diese Denkweise sollten wir auch bei der Arbeit anwenden, um unsere Produktivitätsziele zu erreichen. Wir führen wöchentliche Nachverfolgungen durch, um sicherzustellen, dass alle Maßnahmen, die wir zu Beginn des Jahres festgelegt haben, umgesetzt werden. Es gibt keine Ausreden. Wenn eine Maßnahme nicht funktioniert, suchen wir nach Alternativen. Produktivität ist keine kurzfristige Aufgabe, sondern eine langwierige Einstellung, die wir über Jahre entwickeln.
Haben Sie Beispiele für besondere Automatisierungslösungen?
Ja, das haben wir implementiert – nicht nur für lackierte Fahrzeuge, sondern auch bei vorbehandelten Fahrzeugen. Wir nutzen jetzt automatisierte Systeme, die kleine Fehler erkennen, schleifen und polieren, ohne dass Mitarbeiter manuell nach Fehlern suchen müssen. So minimieren wir Verschmutzungen und schleifen und polieren diese automatisch. Zusätzlich setzen wir stark auf Digitalisierung, zum Beispiel bei Qualitätskontrollen. Wir verwenden 3D-Druck und andere digitale Hilfsmittel, um die Effizienz zu steigern und Maschinen einzusetzen, wo sie uns unterstützen können. Zudem arbeiten wir an prädiktiven Systemen, die auf Basis von KI Vorhersagen treffen können. Ein Beispiel ist die Türmontage: Wenn wir Unregelmäßigkeiten feststellen, können wir Kollegen darauf hinweisen, was zu prüfen ist. Ziel ist es, durch KI die einzelnen Arbeitsschritte zu verknüpfen, um Vorhersagen und Optimierungen in der Produktion zu ermöglichen.
Sie haben bereits künstliche Intelligenz in vielen Bereichen implementiert. Wie sieht es mit der Automatisierung aus? Gibt es konkrete Ziele in diesem Bereich?
In Bereichen wie Karosseriebau und Lackiererei läuft fast alles automatisiert, nur wenige Menschen überwachen den Prozess. In der Montage könnten wir mehr Automatisierung erreichen, wenn wir die Produkte anders konstruieren werden, mit modularen Bauteilen, die einfach eingeklinkt werden können. Momentan ist das bei der aktuellen Konstruktion sehr schwierig.
In welchen Modulen sollten Fahrzeuge konstruiert werden, um mehr Automatisierung in der Montage zu ermöglichen?
Module wie komplette Fronten, Türen und Heckbereichen wären hilfreich. Mit dieser Bauweise ließen sich Fahrzeuge einfacher und automatisierter montieren. Es wäre effizienter und kostengünstiger, als viele kleine Einzelteile zu automatisieren. Mit zukünftigen Modellen können wir die Montage deutlich stärker automatisieren.
Welches war das größte Bottleneck, das Sie in den letzten Monaten aufgelöst haben?
Das größte Bottleneck hatten wir in der Lackvorbehandlung. Wir haben 2 KTL Hallen mit unterschiedlichen Kapazitäten und 8 Modellen, die nicht durch beide Hallen gehen konnten. Mit Hilfe der Karosserien Steuerung und die Flexibilisierung der Anlagen, haben wir im Februar einen Rekord von über 2.600 Fahrzeugen an einem Tag erreicht.
Könnte das Werk theoretisch täglich 2.600 Fahrzeuge produzieren?
Ja, das ist unsere maximale Kapazität. Allerdings haben wir die Produktion momentan aufgrund von Anpassungen an den Linien etwas reduziert, weil wir die neuen Electric Urban Car Family integrieren. Sobald die Anpassungen abgeschlossen sind, werden wir in der Lage sein, zu unseren normalen Produktionszahlen zurückzukehren
Sie können also flexibel sowohl Verbrenner als auch Elektrofahrzeuge produzieren?
Ja, das ist unser Vorteil im Vergleich zu anderen Werken. Wir können auf zwei Linien weiterhin Verbrenner produzieren und auf einer Linie Elektrofahrzeuge. Das gibt uns die Möglichkeit, je nach Marktnachfrage flexibel zu reagieren.
Wie wichtig ist die Weiterbildung der Mitarbeiter, insbesondere im Hinblick auf Elektromobilität und die Batterieproduktion und wie nehmen die Mitarbeiter die Maßnahmen an?
Weiterbildung ist entscheidend. Wir haben das größte Schulungsprogramm, das ich je gesehen habe. Es geht dabei nicht nur um technische Schulungen, sondern auch darum, das richtige Mindset zu fördern. Die Mitarbeiter müssen offen für Veränderungen und neue Technologien sein. Nur so können wir die Transformation erfolgreich gestalten. Die Mitarbeiter sehen die Veränderungen als Chance, sie sind optimistisch und motiviert. Durch die Kombination aus technischer Ausbildung und der Förderung einer innovativen Denkweise schaffen wir eine positive Stimmung.
Wenn die Elektrifizierung Martorells abgeschlossen ist – wie geht es dann weiter, auch für Sie persönlich?
Meine größte Herausforderung sind die nächsten zwei Jahre, insbesondere der Anlauf der neuen Modelle und die Elektrifizierung von Martorell. Danach werde ich weitersehen. Momentan konzentriere ich mich voll auf diese Ziele.