Peter Fintl im Interview mit der Automobil Produktion | Peter Fintl ist seit August 2022 Vice President Technology & Innovation bei Capgemini Engineering. Er glaubt, dass es schon bald viele neue Angebote für günstigere E-Autos geben wird.

Peter Fintl ist seit August 2022 Vice President Technology & Innovation bei Capgemini Engineering. Er glaubt, dass es schon bald viele neue Angebote für günstigere E-Autos geben wird.

Herr Fintl, wie wird sich der Markt für kleine Elektroautos entwickeln?

Der Bereich der Einstiegsmobilität hat sich deutlich verteuert. Die Zeiten, in denen man ab 10.000 Euro einen Neuwagen bekommen hat, sind vorbei. Strengere Abgasnormen, erhöhte Sicherheitsstandards aber auch gestiegene Rohstoffpreise gelten als Preistreiber für Verbrenner-Kleinwagen. Gleichzeitig sieht man bei den Elektro-Kleinwagen unter 30.000 derzeit noch ein geringes Angebot. Mittelfristig geht aber die Entwicklung Richtung Preisparität zwischen Verbrenner- und Elektrofahrzeugen. Und das bedeutet nicht nur eine Nivellierung nach oben. Es besteht eine große Chance, dass das sehr effiziente Konzept des Elektroautos durch Fortschritte in der Batterietechnologie und neuen Ansätzen in der Fahrzeugkonstruktion und - fertigung signifikant günstiger werden kann. Das heißt, dass es perspektivisch elektrische Angebote mit vernünftiger Reichweite unter 20.000 Euro vor Förderungen geben kann.

Für wie realistisch halten Sie solche Angebote in den nächsten zwei bis drei Jahren? Volkswagen will beispielsweise erst in zwei Jahren mit einem Einstiegspreis von 25.000 Euro beim ID.2 starten.

Ich glaube, dass die Chance besteht. Es gibt eine technologische Perspektive, die belastbar ist. Diese zeigt, wie sich Batteriezellen günstiger fertigen lassen und welche Rohstoffe dazu nötig sind. Da sprechen wir etwa von Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien beziehungsweise anderen phosphatbasierten Batteriesystemen. Ein weiterer heißdiskutierter Kandidat ist etwa die Natrium-Ionen-Batterie, für welche in China die Massenproduktion noch 2023 aufgenommen wird. Generell gilt: Rohstoffkosten, Energiedichte, Fertigungsverfahren – all diese Parameter stimmen zuversichtlich. Daher ist bei den Batteriekosten durchaus noch Luft nach unten. So sehe ich realistische Möglichkeiten, dass Fahrzeuge mit Batteriekapazitäten um die 30 Kilowattstunden für die Einstiegsmobilität ab 15.000 Euro zu haben sein können. Und damit auch in dieser Klasse bestehende Verbrennermodelle in Sachen Umweltbilanz und Lebensdauerkosten überholen.

Der Druck aus China ist im Kleinwagensegment besonders hoch, oder?

Genau. Die europäischen Hersteller haben momentan einige Lücken im Portfolio. Es ist Fakt, dass die chinesische Industrie die Rahmenbedingungen, die die Regierung industriepolitisch geschaffen hat, bestens genutzt hat und ihre batterieelektrischen Modellpaletten entsprechend ausgebaut hat. Diverse Wettbewerber stehen nun vor Europas Tür. Chinesische Hersteller bieten nicht nur konkurrenzfähige BEV-Mittelklassemodelle an. Auch gibt es in China elektrifizierte Modelle im A- und B-Segment. Einige davon gelangen schon über Joint Ventures mit europäischen Herstellern auf den hiesigen Markt. Was man aber auch sieht: Die derzeit verfügbaren Einstiegsfahrzeuge aus China treffen nicht vollständig die Kundenerwartungen europäischer Käufer, obwohl die Grundkonzepte der Fahrzeuge im Großen und Ganzen stimmig sind.

Welche Anreize braucht es, damit auch die Hersteller verstärkt auf kleinere Fahrzeuge setzen? Die Margen sind bei größeren Modellen deutlich höher.

Die Industrie hat nur bestimmte Ressourcen zur Verfügung – sei es bei der Entwicklungskapazität, der Produktion oder der Verfügbarkeit von Bauteilen wie Batteriezellen. Also investieren Hersteller in Produkte und Segmente, mit denen auskömmliche Gewinne erwirtschaftet werden können. Dass die Einstiegsmobilität dann vielleicht nur Priorität B hat, ist aufgrund der dort herrschenden knappen Margen nachvollziehbar. Generell hat dies auch dazu geführt, dass die Modellpalette für Kleinwagen derzeit deutlich kleiner ist als vor einigen Jahren. Aber: Es gibt sowohl von staatlicher als auch von privater Seite Hebel, um elektrische Einstiegsmobilität zu gestalten. Einerseits lässt sich dies über zielgerichtete Förderungen herbeiführen. Man kann aber auch eine Stufe früher ansetzen und Maßnahmen fördern, um die Zell- und Batteriefertigung schneller günstiger zu machen. Denn hier spielen Skaleneffekte oder neue Zellchemien eine große Rolle.  

Welche Hersteller sehen Sie aktuell vorne?

Das Rennen ist noch ziemlich offen. Entscheidend wird jetzt sein, wer sich günstige Batteriezellen sichern kann – eventuell auch mit neuer Zellchemie, denn diese sind derzeit der bestimmende Kostenfaktor. Und dann wird die Frage entscheidend sein, wie viele Innovationen man etwa in der Produktarchitektur oder auch der Fertigung zulassen möchte. Wer durch mutige, innovative Möglichkeiten Wege findet, die Herstellkosten signifikant zu senken, wird zu den Gewinnern zählen.  

Wie wichtig könnte der Aspekt Umweltbilanz auf lange Sicht noch werden?

Die Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema. Heute muss sich die Industrie oft den Vorwurf gefallen lassen, zu große, zu schwere und damit ineffiziente Fahrzeuge anzubieten. Dies gilt sowohl für Modell mit klassischem Verbrenner als auch für Fahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb. Ich sehe es aber eher als ein gesellschaftliches Problem denn als Anbieterproblem. Kunden schätzen das Fahrgefühl, die empfundene Sicherheit und den Komfort von SUV-artigen Fahrzeugen. Deswegen werden diese Fahrzeuge gebaut und auch gekauft. Das SUV war nie das effizienteste Konzept, aber der Kunde hat entschieden. Für mich ist schwer vorstellbar, dass die Gesellschaft plötzlich und friktionsfrei auf rein frugale Mobilität umschaltet. Hier benötigt es einen breiten Diskurs, welche Vorgaben und Maßnahmen konsensfähig sind. Genau so darf man den sozialen Aspekt der Mobilität nicht außer Acht lassen. Auch wenn es ohne Zweifel nicht immer Auto-Mobilität sein muss – aber bezahlbare, individuelle Mobilität ist für viele Menschen mit Autobesitz verknüpft und daher ein emotional wahrgenommenes Thema.

Reicht eine gesellschaftliche Diskussion oder bedarf es spezieller Fördermittel explizit für effiziente und sparsame Elektroautos?

Europa sollte auch das Einsteigersegment nicht gänzlich Unternehmen aus China überlassen. Denn diese werden sich nicht nur etablieren, sondern sich über die Jahre weiter nach oben vorarbeiten. Das sieht man exemplarisch an den koreanischen Anbietern. Mit bescheidenen Mitteln gestartet, gehören sie heute zu Technologieführern bei E-Fahrzeugen und zum Inventar auf deutschen Straßen. Um den notwendigen beschleunigten Hochlauf der E-Mobilität in Europa sicherzustellen, erscheinen politische Begleitmaßnahmen sinnvoll. Neben den vielgeschmähten Kaufprämien zählen dabei vor allen Dingen auch Anreize für eine europäische Produktion und Ladeinfrastruktur zum Werkzeugkasten. Auch muss man darüber nachdenken, wie neue Nutzungs- und Finanzierungsmodelle weiterhin leistbare individuelle Mobilität sicherstellen können.

Zur Person:

Peter Fintl

Peter Fintl ist seit August 2022 Vice President Technology & Innovation bei Capgemini Engineering. Zuvor war er neben seiner Rolle als Director Technology & Innovation bei Capgemini auch Country Director für Österreich und die Slowakei. Fintl war zudem fast 7 Jahre Geschäftsführer der Microsys Technologies Inc. und ist seit Oktober 2014 Partner bei SSG Fintl-Gruber-Lassnig.

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