Fahrzeugproduktion im Mercedes-Benz Werk Sindelfingen | Pressefoto 2023Vehicle Production at the Mercedes-Benz Sindelfingen plant | Press photo 2023

Auf dem Weg zur Elektromobilität schaltet Mercedes aufgrund der aktuellen Marktbedingungen einen Gang herunter. (Bild: Mercedes-Benz)

Der Autobauer Mercedes-Benz hat den Plan einer ausschließlich vollelektrischen Generation von Baureihen ab 2028 verworfen. Das teilte das Unternehmen am Montag auf Anfrage mit. Demnach soll die Produktion flexibel für Verbrenner- und Elektroantriebe aufgestellt sein. Zuvor hatte das Handelsblatt über den Entwicklungsstopp einer neuen Plattform für elektrische Modelle wie etwa der S-Klasse berichtet. Konkret zu der Plattform äußerte sich der Autobauer zunächst nicht. Mercedes teilte jedoch mit, dass bis in die 2030er-Jahre hinein sowohl Elektroantriebe als auch Verbrenner produziert werden sollen. "Das Tempo der Transformation bestimmen die Marktbedingungen und die Wünsche unserer Kundinnen und Kunden", teilte das Unternehmen mit. Michael Bauer, Leiter der Produktion Europa und Südafrika, gab sich auf dem Automobil Produktion Kongress 2024 entspannt hinsichtlich des Strategiewechsels seines Arbeitgebers: „Wir sind in der Lage beides zu produzieren – ob elektrisch oder Verbrenner. Das ist die Ernte der Arbeit der Vergangenheit.“ Den Angaben nach schafft Mercedes-Benz weiter die Voraussetzungen für eine bilanziell CO2-neutrale Neuwagenflotte im Jahr 2039. Der Autobauer geht davon aus, dass der weltweite Anteil von Elektroautos und Plug-in-Hybriden an seinen Neuwagenverkäufen in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts bis zu 50 Prozent erreichen wird.

Politische Unsicherheiten verunsichern die Autobauer

"Die sich verändernden Rahmenbedingungen im Bereich der Elektromobilität sowohl auf der Nachfrageseite als auch in Bezug auf potenzielle regulatorische Veränderungen haben Konsequenzen auf strategische Entscheidungen der Branche", fasst Fabian Brandt vom Beratungsunternehmen OIiver Wyman die aktuelle Lage zusammen. Tatsächlich gibt die Politik seit geraumer Zeit keine klare Linie vor – im Gegenteil. Beginnend mit der plötzlichen Streichung der staatlichen Förderung für Elektroautos Ende 2023, über zahlreiche Äußerungen ranghoher Politiker bezüglich der Zukunft von Verbrennern –  solche Diskussionen helfen nicht gerade dabei, der Elektromobilität Schwung zu verleihen. Die Branche brauche sehr klare Vorgaben und diese müssten vor allen Dingen stabil sein. Dabei gebe es sicher gute und schlechte Vorgaben, aber wichtig sei vor allen Dingen, dass sie über die Zeit Bestand haben, fordert Brandt. "Die Politik ist gefragt, einen klaren und auch belastbaren Rahmen zu setzen."

Autobauer müssen zwischen zwei Strategien wählen

Klar ist, dass es keine Königsweg gibt im Umgang mit der Umstellung auf eine neue Technologie, gerade weil man das genaue Timing der Transformation unmöglich vorhersehen kann. Für Branchenkenner Brandt gibt es deshalb nur zwei sinnvolle Ansätze. "Entweder setzt man sich selbst einen Fahrplan und fährt diesen sehr konsequent ab. Das Umrüsten ganzer Werke beispielsweise legt einen OEM strategisch in einem höheren Maße fest." Wenn es dann funktioniere, habe man auch einen höheren Effizienzgewinn an der Stelle, weil man größere Stückzahlen, weniger Komplexität und optimal ausgerichtete Werke habe.

Beim anderen Ansatz wahre man sich ein höheres Maß an Flexibilität, um schnell auf Veränderungen eines sich potentiell wandelnden Umfelds eingehen zu können. "Diese Strategie passt insbesondere für Premium-Hersteller, die eher kleinere Stückzahlen und größere Margen pro Fahrzeug haben", so Brandt. OEMs mit großen Volumina seien eher gezwungen, eine Entscheidung zu treffen.

Wirtschaftlichkeit von Plattformen ist unklar

Doch nicht nur in Europa zeigen sich Widerstände gegen die Transformation zur E-Mobilität. Auch in Amerika hebt der Elektromarkt nicht stark ab. Zudem regt sich auf politischer Seite Widerstand gegen weitere Subventionen und damit weitere politische Förderung des Elektromarkts. "Wenn sich der Elektrohochlauf verschiebt, stellt das natürlich auch die Wirtschaftlichkeit einzelner Elektroplattformen tendenziell in Frage." Allerdings sei auch ein Weiterbetrieb der klassischen, konventionellen Antriebstechnologie nicht für umsonst zu haben, sondern erfordere auch kontinuierliche Investitionen.

Neben der für Brandt wichtigsten Komponente, der Beständigkeit politischer Vorgaben, kommt auch die gesellschaftliche Debatte, die an vielen Stellen aktuell geprägt sei von einer überzogenen Kritik an der Elektromobilität. "Man kann das alles gut und schlecht finden, aber man muss schon auch sachlich bleiben und viele der Argumente, die aktuell gegen Elektromobilität vorgebracht werden, sind nicht wahnsinnig stichhaltig – vor allen Dingen nicht, wenn man den technologischen Fortschritt über die nächsten Jahre betrachtet", bilanziert der Experte

Mit Material von dpa

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