
Sowohl die alte Biden-Regierung als auch der neue US-Präsident Trump wollen mit protektionistischen Maßnahmen der heimischen Autoindustrie wieder auf die Beine helfen. (Bild: GM)
Donald Trump ist als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt und hat bereits in seiner Antrittsrede im US-Kapitol in Washington mit einigen wenig überraschenden, gleichwohl drastischen Maßnahmen für Aufsehen gesorgt. Neben einigen 180-Grad-Kehrtwenden in der Migrations-, Sozial- und Innenpolitik oder der Aufkündigung des Pariser Klimaschutzabkommen, wolle Trump den nationalen Energienotstand und wieder in großem Maßstab auf Öl- und Gasproduktion setzen. Er sagte „We will drill, baby, drill!“ – in den USA solle ohne nachzulassen nach Öl gebohrt werden, US-Energie solle in die ganze Welt exportiert werden.
Auch die weltweite Automobilindustrie dürfte angesichts der ersten von Trump angekündigten Executive Orders aufhorchen: Mittels der neuen America First Trade Policy wolle der 78-Jährige die heimische Autoindustrie retten. Dazu gehört die Abkehr von der Elektromobilität: Jeder Amerikaner solle das Auto kaufen können, das er möchte. „Wir werden in Amerika wieder Autos bauen, und das in einem Tempo, das sich noch vor wenigen Jahren niemand hätte träumen lassen“, sagte Trump. Konkret bezieht er sich auf das sogenannte Elektroauto-Mandat, eine Vorschrift der Umweltschutzbehörde, wonach Autobauer verpflichtet werden, CO2-Emissionen Fahrzeuge der kommenden Generationen deutlich zu senken. Eine Pflicht zum Bau von E-Autos bedeutet dies jedoch nicht.
Welche neuen Strafzölle drohen der Branche?
Obwohl Trump in seiner Antrittsrede noch keine weiteren Details zur neuen Außenhandelspolitik nannte, wird erwartet, dass er die heimische Autoindustrie auch mittels rigiderer Zollpolitik schützen wird. Schon im vergangenen Jahr kündigte er hohe Importzölle auf alle Waren aus Mexiko und Kanada sowie weitere Zölle auf chinesische Waren an, die auch für Unternehmen aus Deutschland, insbesondere aus der Autoindustrie schwerwiegend sein könnten. Viele OEMs und Zulieferer haben Standorte in Mexiko und bedienen von dort aus den US-Markt. Am ersten Tag seiner Amtszeit verfügte Trump schriftlich zwar noch keine neuen Strafzölle, kündigte mündlich jedoch an, ab Februar Zölle in Höhe von 25 Prozent gegen Mexiko und Kanada verhängen zu wollen. Zudem deutete der Präsident weitere Zölle auf ausländische Importe an.
Für Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management ist das keine Überraschung: „Der Trend zum Protektionismus hat sich auch unter Biden in den letzten Jahren abgezeichnet, jetzt wird er sich weiter verschärfen.“ Exporte würden immer schwieriger umzusetzen sein, Unternehmen aus Europa sollten dringend nach Wegen suchen, Wertschöpfung in den USA zu generieren, so der Automobilexperte. Eine große Herausforderung sei dabei, die Flexibilität der Produktion sicherzustellen, um verschiedenste Modelle direkt vor Ort herstellen zu können. „Deutsche Hersteller und Zulieferer sind auf den US-Markt angewiesen, doch der Trend zu ‚Build where you sell‘ wird immer wichtiger.“
Die chinesische Regierung zeigte sich besorgt angesichts der jüngsten Entwicklung in den USA, vor allem im Blick auf den angekündigten Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Bei Handelsfragen sei man derweil bereit, den Dialog und die Kommunikation zu stärken. „Wir hoffen, dass die Vereinigten Staaten und China zusammenarbeiten werden, um eine stabile, gesunde und nachhaltige Entwicklung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen China und den USA zu fördern“, sagte Außenamtssprecher Guo Jiakun in der ersten öffentlichen Reaktion Chinas auf Trumps Amtseinführung.
Trumps erste Wirtschafts-Maßnahmen auf einen Blick:
- Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen
- Nationaler Energienotstand - Öl- und Gas-Produktion soll verstärkt werden
- Abkehr von Elektroauto-Förderung
- Neue Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf Waren aus Mexiko und Kanada ab 1. Februar
- weitere allgemeine Zölle auf ausländische Import angekündigt
Welche Konsequenzen hat das Verbot von China-Software?
Nichtsdestotrotz müssen sich vor allem die chinesischen OEMs jetzt neue Strategien für den US-Markt ausdenken. Noch vor der Vereidigung der neuen Trump-Administration brachte die Vorgängerregierung unter Joe Biden ein lang vorbereitetes Verbot russischer und vor allem chinesischer Autosoftware ab dem Modelljahr 2027 sowie entsprechende Hardware ab 2030 auf den Weg. Dabei gehe es im Wesentlichen um Vernetzungs- und Fahrerassistenz-Technologien, über die sich Gegner aus dem Ausland Zugang zu Daten verschaffen könnten.
„Das wird den Handelskonflikt zwischen den USA und China weiter verschärfen, vor allem in Bezug auf kritische Innovationsthemen wie Soft- und Hardware im Auto“, betont Stefan Bratzel. „Das Leben der chinesischen Player auf dem US-Markt wird definitiv nicht leichter.“ Chinas OEMs seien jetzt gezwungen, für entsprechende Anwendungen und Innovationen Partner in den USA zu suchen, was neben den massiven Zoll-Beschränkungen zusätzliche Kosten verursachen könnte, so der Experte. US-Präsident Biden hatte im Mai 2024 Sonderzölle auf chinesische E-Autos in Höhe von 100 Prozent verhängt.
Europa muss jetzt Naivität ablegen
Für Bratzel ist klar: „Wollen die Chinesen in Amerika weiter Autos verkaufen, müssen Sie sich Hard- und Software in Europa oder sicherheitshalber gleich aus den USA anschaffen. Niemand weiß zum jetzigen Zeitpunkt, ob sich unter Trump die Situation weiter verschärft.“ Derweil werde sich der Fokus der chinesischen Player verstärkt auf Europa und auf den Markt in Deutschland richten. Einige Konzerne aus dem Reich der Mitte haben bereits angekündigt, eigene Produktionsstandorte in Europa aufzubauen, unter anderem auch um die neuerlichen Zollschranken der EU zu umgehen.
„Europa braucht China, China braucht Europa,“ betont Branchenkenner Bratzel. Dennoch sieht er eine Gefahr, die auch die US-Regierung zum Handeln veranlasst sah: „Wir müssen in Europa aufpassen, rund um die Vernetzungs- und Cybersecurity-Themen nicht die gleiche Naivität an den Tag zu legen, wie es viele in der Vergangenheit getan haben. Natürlich gegenüber Russland, aber auch in Richtung Fernost.“
Deutsche Industrie zeigt sich besorgt - und fordert EU-Plan
Angesichts der Entwicklungen in den USA tun sich noch mehr Sorgenfalten in der deutschen Wirtschaft auf. Laut einer aktuellen Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), für die mehr als 2.000 Unternehmen befragt wurden, erwarten knapp ein Drittel der Firmen deutliche Nachteile durch höhere Energiekosten gegenüber den Vereinigten Staaten, 28 Prozent fürchten immense Einbußen infolge einer schwächeren Weltwirtschaft.
Vor allem Unternehmen aus der Industrie sehen sich durch die Maßnahmen Donald Trumps stärker betroffen. Der IW-Umfrage zufolge rechnen 40 Prozent der befragten Firmen mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen durch die neue Energiepolitik. Dass nun der globale Handel beeinträchtigt wird und sich die eigenen Absatzmöglichkeiten verschlechtern, erwartet gut ein Drittel. Zudem, so das Wirtschaftsinstitut, befürchten die Unternehmen, dass Subventionen für US-Unternehmen, neue Zölle und unterschiedliche Umweltstandards das Geschäft negativ beeinflussen werden. „Die neue Trump-Regierung wird deutsche Unternehmen unter Druck setzen. Vor allem eine koordinierte europäische Strategie kann die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen sichern“, sagt IW-Experte Michael Grömling.
Ins gleiche Horn bläst auch der Verband der Automobilindustrie (VDA): Auf der Jahrespresskonferenz in Berlin betonte VDA-Präsidentin Hildegard Müller, dass es angesichts der geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen mehr Pragmatismus und eine besser aufeinander abgestimmte Industrie- und Innovationspolitik innerhalb der EU geben müsse. „Das Leitmotiv ist ein einfaches: Mehr EU wagen, unsere Wirtschaftsmacht strategisch gemeinsam ausbauen, unsere internationale Relevanz vor dem Hintergrund geopolitischer Veränderungen sichern“, so Müller. „Dabei gilt: Mehr EU heißt nicht mehr Bürokratie und Klein-Klein. Es geht um die großen Fragen“. Müller forderte eine europäische Energie- und Kapitalmarktunion, einen gemeinsamen Strommarkt sowie weitere Freihandelsabkommen nach dem jüngsten Mercosur-Vorbild - einem EU-Handelsabkommen mit mehreren lateinamerikanischen Ländern.
VW setzt auf Wachstum - Neue Werke in Planung?
Volkswagens Konzernchef Oliver Blume sieht den eigenen Wachstumskurs indes nicht gefährdet. „Der nordamerikanische Markt spielt für uns eine große Rolle. Er ist zentraler Bestandteil unserer Wachstumsstrategie“, sagte der Chef von Europas größtem Autobauer der Braunschweiger Zeitung/Wolfsburger Nachrichten.
Durch die Stärkung des US-Geschäfts will Volkswagen unabhängiger werden vom chinesischen Markt. „Ich halte es für extrem wichtig, in allen Regionen ein starkes Standbein zu haben, um das Geschäft des Volkswagen-Konzerns flexibler und robuster aufzustellen“, sagte Blume. Vorbild dieser Strategie sei die Konzerntochter Porsche.
In den USA investiere der Konzern 15 Milliarden Dollar, in Kanada fünf Milliarden. Das sei ein „extrem starkes Statement für Nordamerika“, betonte Blume. Unternehmen, die sich so stark engagieren, sollten von niedrigen Zöllen profitieren. „Wir werden mit der neuen US-Administration in bewährter Weise zusammenarbeiten“, sagte Blume. Man sehe, dass auch viele US-Firmen eng verwurzelt seien mit Kanada und Mexiko. „Wir haben in Donald Trumps erster Amtszeit einen wirtschaftlich denkenden Präsidenten kennengelernt, der sich positioniert, der polarisiert und dann konsequent in die Umsetzung geht.“
Unter Zugzwang stehen auch die Konzerntöchter Porsche und Audi. Wie das Handelsblatt von Insidern erfuhr, denke man im VW-Konzern darüber nach, eigene Produktionsstandorte für Porsche und Audi in den USA aufzubauen. Dem Bericht zufolge gelte ein Ausbau des VW-Werks in Chattanooga als am wahrscheinlichsten. Teil der Überlegungen sei auch das neue Werk der Pick-up-Marke Scout in South Carolina. Der VW-Konzern bestätigte diese Informationen bislang nicht.
Zipse will Deal mit Trump
Wie Blume setzt auch BMW-Chef Oliver Zipse auf Kompromissbereitschaft: Gegenüber der Welt sagt der Manager auf einem Wirtschaftsgipfel in Berlin, man solle über weniger statt mehr Handelshemmnisse diskutieren. Zipse sieht hierfür die EU in der Pflicht.
„Betragen die Einfuhrzölle für Fahrzeuge aus den USA in Europa zehn Prozent, sind es umgekehrt nur 2,5 Prozent. Schaffen wir einheitliche Bedingungen: ein Zollsatz von 2,5 Prozent auf beiden Seiten“, rechnete der BMW-Boss vor. Entsprechende Vorschläge wolle er der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorlegen. Diese hatte einen sogenannten strategischen Dialog der europäischen Autobranche ins Leben gerufen.
Eines der wichtigsten Werke im Produktionsverbund von BMW steht in den USA: Der Standort Spartanburg verfügt über ein Fertigungsvolumen von weit über 400.000 Fahrzeuge pro Jahr. Auch in Mexiko betreiben die Münchner ein Werk, das Modelle für den Weltmarkt fertigt. Die USA sind für BMW ein wichtiger Markt, im vergangenen Jahr machte der Absatz etwa 16 Prozent aller Konzernverkäufe aus.
Mit Material von dpa