Eine Hand mit Gummihandschuh kontrolliert den lack beim VW ID.3.

Im vergangenen Jahr lieferte der Volkswagen-Konzern 15 Prozent weniger Fahrzeuge aus. Bild Volkswagen

Viel Schatten – aber auch Licht: Das Corona-Jahr 2020 setzte dem Volkswagen-Konzern erheblich zu. Die Umsatzerlöse gingen im Vergleich zu 2019 um rund 30 Milliarden Euro zurück, der Gewinn brach um fast die Hälfte auf 10,6 Milliarden Euro ein. „Mit einem operativen Ergebnis vor Sondereinflüssen von über 10 Milliarden Euro haben wir die Erwartungen aus der ersten Hochphase der Pandemie im Frühjahr 2020 deutlich übertroffen“, sagte Frank Witter, Konzernvorstand Finanzen und IT. Insbesondere die schnelle Erholung auf dem „zweiten Heimatmarkt“ in China sowie ein starkes viertes Quartal hätten zu diesem Ergebnis sowie der Tatsache beigetragen, dass nur 15 Prozent weniger Autos als im Vorjahr ausgeliefert wurden.

Einzig Porsche trotzt dem Gewinneinbruch

Die Geschäftszahlen der einzelnen Marken offenbaren zumindest einen Lichtblick – Porsche. Der Premiumhersteller konnte seine Auslieferungen um drei Prozent steigern und schneidet mit einem operativen Ergebnis von vier Milliarden Euro und einer Umsatzrendite von gut 15 Prozent vergleichsweise gut ab. Weniger als fünf Prozent haben die Zuffenhausener im Vergleich zum Vorjahr vor Zinsen und Steuern verloren. An sie soll laut Diess der unprofitable Luxushersteller Bugatti übergeben werden, so dass anschließend ein Joint Venture mit dem kroatischen Sportwagenspezialisten Rimac gegründet werden kann. Porsche soll dabei jedoch nur einen Minderheitsbetiligung übernehmen. In Bezug auf Audi vermeldete der Vorstandsvorsitzende zudem einen Absatzrekord von plus fünf Prozent im Vorjahresvergleich, das operative Ergebnis rettet dies jedoch nicht: Trotz einer Umsatzrendite von über fünf Prozent fiel es mit 2,7 Milliarden Euro knapp 40 Prozent geringer aus als 2019.

Für die restlichen Marken des Konzerns war 2020 ein dunkles Jahr: Das operative Ergebnis von VW wurde von 3,7 Milliarden auf 454 Millionen Euro dezimiert – ein Rückgang von 88 Prozent. Im Vergleich dazu wirken selbst die rund 54 Prozent bei Skoda sowie die 70 Prozent Einbußen bei Bentley weniger einschneidend. Bei drei Marken musste der Konzern gar ein Ergebnis im Minusbereich hinnehmen: So verzeichnete Seat nach einem Vorjahresplus von 445 Millionen nun einen Verlust von knapp 340 Millionen Euro. Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) kehrte das Plus von 510 Millionen in ein Minus von 454 Millionen Euro und bei MAN schlugen letztlich gut 60 Millionen Euro Verlust zu Buche. Zwar betonte Frank Witter, die Restrukturierungsmaßnahmen bei MAN würden sich erst im ersten Quartal dieses Jahres bemerkbar machen, über die schlechten Ergebnisse im Bereich Nutzfahrzeuge hilft es wenig hinweg. Lediglich Scania konnte mit einem Rückgang von 50 Prozent in der Gewinnzone verbleiben.

Volkswagen investiert in alle Bereiche der E-Mobilität

Angesichts der Transformation, in der die Automobilindustrie steckt, ist nicht schwer zu erahnen, in welche Richtung der Weg aus der Krise führen soll – Elektromobilität, Softwarekompetenz, Kostenreduktion. Rund 422.000 Elektrofahrzeuge konnte der Konzern im vergangenen Jahr absetzen, 2021 sollen es eine Million werden. Was folgt sind die üblichen Jahressprünge samt zugehöriger Zielsetzung: 2025 sollen batterieelektrische Fahrzeuge bereits 20 Prozent der gesamten Flotte, 2030 sogar 50 Prozent ausmachen. „Unser profitables Verbrennergeschäft wird uns ermöglichen, diesen Wandel zu finanzieren“, erläuterte Herbert Diess. Einen festen Ausstiegstermin hinsichtlich des Verbrennungsmotors nannte er jedoch nicht, sondern verwies auf die Bestrebungen der einzelnen Marken sowie die unterschiedlichen Begebenheiten auf den Absatzmärkten. Im Gegensatz zu den Ausstiegsfristen anderer OEMs müssen es im VW-Konzern somit Angebot und Nachfrage richten.

Unterdessen wird der OEM in allen Bereichen der E-Mobilität aktiv: 46 Milliarden Euro werden in den nächsten fünf Jahren in die Elektromobilität und die Hybridisierung der Flotte fließen. Über weitere Produktionsstarts des VW ID.4, neue Mehrheitsbeteiligungen in China oder die Verfünffachung des Ladenetzes hinaus will Volkswagen sich vor allem beim Thema Batteriezellen absichern. Allein in Europa sollen bis Ende des Jahrzehnts sechs Gigafabriken mit einer Gesamtkapazität von 240 Gigawattstunden entstehen. Neben dieser Eigenfertigung erhofft sich das Unternehmen zudem erhebliche Kostenvorteile von einer neuen Einheitszelle. Sie soll ab 2023 eingeführt und im Jahr 2030 in bis zu 80 Prozent aller E-Autos des Konzerns verbaut werden. Im besten Fall markiert sie gar den Übergang zur Festkörperzelle. Die Batteriekosten sollen dadurch im Einstiegssegment schrittweise um bis zu 50 Prozent und im Volumensegment um bis zu 30 Prozent reduziert werden.

Synergien und Skalierung sind Prämissen des Erfolgs

Damit die Skaleneffekte voll zur Geltung kommen, wird Volkswagen seinen Plattformansatz weiterführen. Zunächst wird dafür die Produktion des Modularen E-Antriebs-Baukastens (MEB) auf weitere Werke ausgeweitet. 2022 sollen schließlich auch Fahrzeuge auf Basis der Premium Platform Electric (PPE), die mehr Beschleunigung, höhere Reichweiten und kürzere Ladezeiten bietet, auf den Markt kommen. Bis Mitte des Jahrzehnts plant der OEM schließlich die Einführung der reinelektrischen Scalable Systems Platform (SSP), auf der dann Modelle aller Marken und Segmente gebaut werden können. „Die SSP-Plattform wird perspektivisch alle andere Plattformen ersetzen“, unterstreicht Diess.

Damit ist es hinsichtlich der Synergieeffekte jedoch längst nicht bestellt. Vor allem im Bereich Softwarekompetenz will der Konzern kräftig nachlegen. Mit bis zu 10.000 Beschäftigten soll die 2020 gegründete Car.Software-Organisation gar zu Europas zweitgrößter Softwareschmiede nach SAP werden. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt integrieren wir die Softwarefähigkeiten von 15 Unternehmen“, erläutert Vorstandsvorsitzender Diess. Bis 2025 sollen die Eigenentwicklungen von aktuell zehn auf mindestens 60 Prozent gesteigert werden, so dass alle Bestandteile, die für die Gesamtfunktion der Software kritisch sind, künftig aus eigenem Hause kommen. „Innerhalb von zwei Fahrzeuggenerationen wird sich die Automobilindustrie radikal verändern“, merkt Diess an. Software werde bis dahin zu einer wichtigen Erlösquelle. Die Grundlagen dafür liefert das Betriebssystem VW.OS. Für PPE ist noch die Version 1.2, für SSP letztlich der konzernweite Rollout einer Version 2.0 geplant.

Die Ambitionen werfen einen Schatten

Volkswagen als Tech-Player und führender Anbieter von Elektromobilität? Ambitionen kann der Konzern zweifelsohne vorweisen. Doch wie gestaltet er den Weg dorthin? Indem er aus der Not eine Tugend macht. Das besagte Verbrennergeschäft soll den Cashflow für die Kosten der Elektromobilität gewährleisten und deshalb noch profitabler werden. Weniger Modelle, geringere Fixkosten: Volkswagen verkauft das Zögern beim Verbrennerausstieg als Finanzierungsgrundlage. Zusätzlich plant der designierte Finanzvorstand Arno Antlitz, die Kostendisziplin zu verbessern, um schnellstmöglich in den Zielkorridor von sieben bis acht Prozent operative Umsatzrendite zurückzukehren. Im Vergleich zu 2020 sollen die Fixkosten bis 2023 um rund zwei Milliarden Euro beziehungsweise fünf Prozent, die Materialkosten um sieben Prozent und die F&E- sowie Sachinvestitionsquote auf jeweils rund sechs Prozent gesenkt werden.

Wie schnell den Ambitionen jedoch Steine in den Weg gelegt werden können, zeigt das erste Quartal des angebrochenen Jahres. Mit den Engpässen bei Halbleitern habe der Konzern bereits rund 100.000 Autos in der Produktion verloren, überschlägt Diess die Auswirkungen der jüngsten Krise. Ein Umstand, der im Laufe des Jahres schwer aufzuholen sei. „Die Situation ist noch immer unübersichtlich“, konstatiert er. Bisher habe sich Volkswagen zu stark auf die Tier 1-Supplier verlassen. Die Lieferung kritischer Halbleiter würde künftig direkt mit den Tier-2 und -3 Lieferanten abgesprochen werden, führt der Vorstandsvorsitzende weiter aus. Dadurch sollen auch in kritischen Situationen Anpassungen möglich sein. Eine Lieferkette für Europa aufzustellen, hält er aufgrund des weltweiten Marktes hingegen nicht für zielführend. Trotzdem: Würde es bei dem aktuellen Produktionsrückstand bleiben, wäre dies mit Blick auf das Krisenjahr 2020 sicherlich zu verkraften. Denn wo Licht ist, ist auch Schatten.

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