Nicklas Magnusson, Ovako

„Grüner Stahl ist ein schwieriges Thema“

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Foto von Nicklas Magnusson. Stahl ist im Fahrzeugbau unverzichtbar, jedoch auch ein erheblicher CO2-Kostenfaktor. Nicklas Magnusson, Process Development Manager for Climate & Environment bei Ovako, erläutert, warum OEMs beim Einkauf umdenken müssen, um zukünftige Emissions-Regularien nicht zu reißen. Magnusson verantwortet die Nachhaltigkeits- und Dekarbonisierungsstrategie des Konzerns. Vor seinem Wechsel zu Ovako war er Team Lead Climate Neutrality beim schwedischen Bauunternehmen Skanska. Ovako produziert Stahl nahezu vollständig auf Basis von Recyclingschrott und fossilfreiem Strom. Magnusson sieht sein Unternehmen als Benchmark für alle, die ihre Scope-3-Emissionen konsequent senken wollen. Im Interview erklärt er, wie sich Near-Zero-Stahl konkret auf den CO2-Fußabdruck, die Beschaffungskosten und die Lieferantenstrategie auswirkt. Er spricht über Investitionen in Wasserstoffanlagen, die Rolle vollständiger PCF-Berechnungen entlang der Lieferkette und die Risiken wachsender Emissionskosten durch CBAM und den EU-ETS. Zudem zeigt er, wie Rückführlogistik für Stahlschrott Closed-Loop-Systeme ermöglicht und welche ISO-Normen eine transparente Datenintegration bei OEMs erleichtern.
Nicklas Magnusson verantwortet die Nachhaltigkeits- und CO2-Strategie des Konzerns. Vor seinem Wechsel zu Ovako war er als Team Lead Climate Neutrality bei dem schwedischen Bauunternehmen Skanska tätig.

Stahl ist im Fahrzeugbau unverzichtbar – doch auch ein großer CO2-Kostenfaktor. Process Development Manager Nicklas Magnusson von Ovako erklärt im Interview, warum OEMs beim Einkauf umdenken müssen, um nicht an Emissions-Regularien zu scheitern.

Der schwedische Stahlproduzent Ovako agiert mit einem Produktionsmodell, das fast vollständig auf Recyclingschrott und fossilfreiem Strom basiert. Nicklas Magnusson, dort als Process Development Manager for Climate & Environment tätig, sieht in seinem Arbeitgeber die Benchmark für Beschaffer, die ihre Scope-3-Emissionen schnell senken müssen.

Wie sich Near-Zero-Stahl konkret auf CO2-Fußabdruck, Beschaffungskosten und Lieferantenstrategien auswirkt – und wie OEMs durch PCF-Transparenz regulatorischen Risiken gezielt vorbeugen können –, erklärt der Schwede im Interview.

Herr Magnusson, Ihr Near-Zero-Stahl emittiert 80 Prozent weniger CO2 als der Branchendurchschnitt– was bedeutet das für die Automobilindustrie?

Wir beliefern die Automobilindustrie seit Langem mit hochwertigem Engineering Steel, etwa für Antriebs- und Fahrwerkskomponenten. Unser geringer CO2-Fußabdruck beginnt bei der schrottbasierten Stahlproduktion, ist aber auch das Ergebnis zahlreicher Investitionen, die wir über die Jahre getätigt haben. Zum Beispiel haben wir auf elektrische Wärmebehandlungsöfen umgestellt, wir arbeiten vollständig mit fossilfreier Elektrizität, wir haben energieeffizientere Brenner eingeführt und wir betreiben mittlerweile einen der größten Elektrolyseure Europas, um Stahl mit fossilfreiem Wasserstoff vor dem Walzen wieder zu erhitzen. Wichtig ist auch, dass wir all unsere Produkte mit vollständigen Berechnungen zum Product Carbon Footprint hinterlegen – so erhalten unsere Kunden volle Transparenz und Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Wie hoch sind aktuell die Investitionskosten pro Tonne Stahl beim Umstieg auf wasserstoffbasierte Erwärmung?

Die Kostenleistung unserer Wasserstoffanlage hängt in erster Linie von den Preisen für Strom, Emissionszertifikate und konventionelle Brennstoffe ab. Wir haben unsere bestehende Infrastruktur beibehalten, was uns erlaubt, bei der Stahlerhitzung flexibel zwischen fossilfreiem Wasserstoff und herkömmlichen Brennstoffen zu wechseln – je nach Bedarf. Als First Mover sichert uns diese Flexibilität die Wettbewerbsfähigkeit, da wir bei der Stahlerhitzung nicht vollständig auf Wasserstoff angewiesen sind. Die Anlage erforderte eine Investition von rund 23 Millionen Euro, kofinanziert von der staatlichen schwedischen Energieagentur und unterstützt durch unsere Industriepartner.

Wie bewerten OEMs den Preisaufschlag für grünen Stahl im Vergleich zu den prognostizierten CO2-Kosten im Rahmen der CBAM-Vorgaben?

Grüner Stahl ist ein etwas schwieriges Thema, da es keine standardisierte Definition gibt. Aus unserer Sicht wenden wir keine Massenbilanzierung an und nutzen auch keine „Green Labels“ mit Preisaufschlag – wir wollen, dass alle unsere Kunden gleichermaßen von unseren Dekarbonisierungsmaßnahmen profitieren. Stattdessen sprechen wir über den Cradle-to-Gate-CO2-Fußabdruck unserer Lieferungen und ermutigen unsere Kunden, diesen Aspekt bei der Lieferantenauswahl gleichwertig mit anderen Faktoren zu bewerten. Die schrittweise Einführung von CBAM und der Abbau kostenloser Zertifikate im EU-ETS werden die Emissionskosten deutlich erhöhen – besonders in den kommenden Jahren. Dadurch werden Stahlhersteller, die bei der Dekarbonisierung hinterherhinken, mit veränderten Kostenstrukturen konfrontiert – was wiederum ein Risiko für deren Kunden bedeutet. Der Weg zu Net-Zero-Steel erfordert viele Investitionen, aber ich denke, dass steigende Emissionskosten in den kommenden Jahren als das größere Risiko wahrgenommen werden, wenn Kunden ihre Lieferanten bewerten.

Bieten Sie eine Rückführlogistik für Stahlschrott an, um ein echtes Closed-Loop-System zu etablieren?

Wir betreiben bereits Closed-Loop-Modelle mit Kunden, wo die Rahmenbedingungen stimmen – zum Beispiel, wenn die Transportwege effizient sind. In solchen Fällen haben wir eine sehr gute Kontrolle über die Qualität und Zusammensetzung des zurückgeführten Schrotts, was uns wiederum ermöglicht, den Legierungseinsatz in der nächsten Produktionsrunde zu optimieren.

Welche ISO-Zertifizierungsstandards erfüllen Sie, um OEMs die direkte Integration Ihrer CO2-Daten in ihre PCF-Systeme zu ermöglichen?

All unsere PCF-Berechnungen basieren auf den Produktkategorieregeln (Product Category Rules) für Stahlprodukte, die bei der Erstellung von Umweltproduktdeklarationen vom Typ III (EPDs) gemäß ISO 14025 verwendet werden. Die Berechnungen sind außerdem an die ISO 14067 angelehnt, welche die Anforderungen an die Berichterstattung zum CO2-Fußabdruck von Produkten festlegt.