Nachhaltige Automobilproduktion

Wie der Energiehunger im Karosseriebau gestillt werden kann

Von der Mine bis zur Oberfläche – erst nach einer Vielzahl komplexer Produktionsprozesse ist die lackierte Karosserie bereit für die Montage. Der Ressourcen- und insbesondere der nötige Energiebedarf bis zur Erreichung dieses letzten Herstellungsschritts ist dabei beträchtlich.

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Bei der Integration neuer Modelle in die Produktion müssen Autobauer die Reduzierung des Energieverbrauchs mitdenken. Einen guten Ansatzpunkt bietet vor allem der Karossierebau.

Über diesen Artikel:

Hannes Kittel ist seit 2021 als Doktorand im Konzeptteam der Karosserie-Vorentwicklung der Mercedes-Benz Group AG tätig. Er widmet seine wegweisende Dissertation der Entwicklung neuartiger Karosseriekonzepte. Im Rahmen dieser Arbeit konzipierte er, basierend auf einer tiefgreifenden Bottom-Up-Analyse der gesamten Karosseriefertigung, ein innovatives Modell. Dieses ermöglicht bereits in der Frühphase der Entwicklung eine substanzielle Steigerung der Energieeffizienz in der Produktion zukünftiger Fahrzeugkarosserien.

Neben Hannes Kittel (Erstautor) waren an der Forschungsarbeit als Co-Autoren Prof. Dr.-Ing. Tjark Siefkes und Dr.-Ing. Elmar Beeh vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. - Institut für Fahrzeugkonzepte (FK) sowie Dr. Calixte Rolland, Mercedes-Benz Group AG, beteiligt.

Der folgende Gastbeitrag ist ein Exzerpt der Dissertation von Hannes Kittel.

Die deutsche Automobilindustrie steht angesichts konjunktureller Herausforderungen unter starkem Druck. Gedämpfte Nachfrage - vor allem in China - sowie Unsicherheiten zur politischen Ausrichtung der Elektromobilität belasten die Hersteller. Sie müssen hohe Investitionen in die Transformation stemmen und zugleich Kosten senken. Bürokratie, neue Regulierungen, hohe Lohn- und Energiekosten sowie geopolitische Unsicherheiten verschärfen die Lage. Viele Unternehmen erwägen daher Produktionsverlagerungen ins Ausland.

Ein Ausweg liegt in der Steigerung der Energieeffizienz: Sie senkt Kosten, reduziert Abhängigkeiten von Importen und mindert energiebedingte Emissionen. Damit unterstützt sie Klimaschutz und die Umsetzung der Energiewende, wie in der nationalen Energieeffizienzstrategie verankert.

Energieeffizienz elementar für Produktentwicklung

Insbesondere Unternehmen mit energieintensiven Produktionsprozessen sind aufgrund des hohen Energieverbrauchs verstärkt gefordert diesen zu reduzieren. Diese kann durch die Steigerung der Energieeffizienz innerhalb der Produktion erreicht werden, wobei technologische Innovationen eine Schlüsselrolle einnehmen. Moderne, energieeffiziente Anlagen und eine intelligente Steuerung der Produktionssysteme bieten hier bereits signifikante Möglichkeiten.

Der Fertigungsprozess ist jedoch stark von den Produkteigenschaften abhängig, die durch die vorherige Entwicklungsphase vorgegeben werden. Um hier grundlegende Veränderungen zu bewirken, muss der Energieverbrauch als wichtige zusätzliche Kenngröße von Beginn an in die Produktentwicklung integriert werden. Die Produktentwicklung stellt bereits heute einen komplexen Prozess mit hohem Koordinationsaufwand dar, was sie kostenintensiv und risikobehaftet macht.

Um jedoch in Zukunft nachhaltige Verbesserungen zu erzielen, muss an der Wurzel des Problems angesetzt werden. Die frühzeitige Integration des Energiebedarfs in die Produktentwicklung ermöglicht die Identifikation substanzieller Energieeinsparpotenziale. Bereits in dieser initialen Phase werden maßgebliche Parameter für den späteren Energieverbrauch im Produktionsprozess determiniert. Folglich stellt die Produktentwicklungsphase einen kritischen Punkt dar, an dem die Weichen für eine energieeffiziente Produktion gestellt werden können.

Energetischer Fußabdruck bei E-Autos und Verbrennern

Die Transformation vom Verbrennungs- zum Elektroantrieb induziert eine signifikante Verschiebung der energieintensiven Phasen im Lebenszyklus eines Fahrzeugs. Dieser Kreislauf gliedert sich typischerweise in vier Phasen, beginnend mit der Pkw-Herstellung, gefolgt von der Energiebereitstellung (zur Herstellung von Kraftstoff oder elektrischem Strom) über den Fahrbetrieb, bis hin zur Entsorgungsphase (End-of-Life). Das Recycling spielt dabei tendenziell, mit einem vergleichsweise geringen Anteil am energetischen Gesamtbedarf, eine untergeordnete Rolle.

In der Nutzungsphase impliziert die Elektrifizierung des Antriebsstrangs einen Wechsel des Energieträgers von Kraftstoff zu elektrischer Energie. Obwohl die Stromerzeugung im Allgemeinen energieaufwendiger ist als die Kraftstoffgewinnung, zeichnet sich der Elektroantrieb im Fahrbetrieb durch einen deutlich niedrigeren Energiebedarf aus. So benötigt beispielsweise der rein elektrisch betriebene CLA über einer bilanzierten Distanz von 160.000 km im Fahrbetrieb nur etwa ein Vierteil der Energie, die sein Vorgängermodell mit Verbrennungsmotor verbraucht.

Allerdings führt unter anderem die Produktion der Batterie zu einer erheblichen Erhöhung des Energiebedarfs in der Herstellungsphase. Der Gesamtenergieverbrauch in der Produktion des elektrischen CLA verdoppelt sich dadurch nahezu im Vergleich zum Vorgängermodell. Dies resultiert in einer Verlagerung des energieintensivsten Abschnitts innerhalb des Lebenszyklus: Während beim Verbrennerfahrzeug der Fahrbetrieb noch für etwa 60 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs verantwortlich ist, entfallen beim rein elektrischen CLA nun rund 55 Prozent auf die Produktion des Fahrzeugs selbst. Zukünftig wird es daher von zunehmender Bedeutung sein, die Energieeffizienz in der gesamten Fahrzeugherstellung kontinuierlich zu steigern, insbesondere im Hinblick auf die fortschreitende Elektrifizierung und die tendenziell größeren Batterieeinheiten.

Der Energieverbrauch in der Karosseriefertigung

Im Kontext der Automobilindustrie stellt die Karosseriefertigung ein zentrales Element dar. Angesichts der bisher unzureichenden Datenlage hinsichtlich des Energiebedarfs in der Karosserieproduktion wurde der gesamte Herstellungsprozess im Rahmen einer ganzheitlichen Untersuchung energetisch analysiert. Hierbei bieten sich zwei methodische Vorgehensweisen an: Ein „Top-Down“-Ansatz, der den Energieverbrauch auf Ebene der Gewerke und Gebäude betrachtet und auf einzelne Bauteile umlegt. Alternativ kann ein „Bottom-up“-Ansatz verwendet werden, der zwar mit einem höheren Aufwand verbunden ist, jedoch eine detaillierte Erfassung und Auswertung der Energieverbräuche jedes einzelnen Prozessschritts vorsieht. Diese Erkenntnisse können in Zukunft eine entscheidende Rolle in der frühen Phase der Entscheidungsfindung spielen, um bereits während der Konstruktion fundierte Entscheidungen im Hinblick auf spätere Energiereduktionsmaßnahmen zu treffen. Im Kontext der vorliegenden Untersuchung wurde daher der „Bottom-up“-Ansatz gewählt.

Die Herstellung einer Karosserie umfasst eine Vielzahl von sequenziell aufeinander folgenden Prozessschritten. Zunächst erfolgt die Gewinnung und Aufbereitung der Rohmaterialien, woraufhin die Fabrikation der entsprechend erforderlichen Halbzeugarten stattfindet. Diese dienen als Ausgangsmaterial für die Bauteilfertigung, in der die einzelnen Komponenten der Karosserie ihre spezifische Form erhalten. Im Anschluss werden diese Einzelteile im Rohbau durch verschiedene Verfahren zu einer vollständigen Karosserie gefügt. Anschließend wird die Karosserie dem Oberflächenprozess zugeführt. Im Rahmen der Untersuchung wurden detaillierte Energieverbrauchswerte für jeden einzelnen Prozessschritt erfasst. Hierbei wurden sowohl die typischerweise eingesetzten, aber durchaus unterschiedlichen Fertigungsrouten, sowie auch die verschiedenen im Rohbau verwendeten Fügeverfahren berücksichtigt.

Rohbau: Fokussierung auf Fügeprozesse

Im Rahmen der energetischen Analyse des Rohbaus wurde zunächst eine Voruntersuchung hinsichtlich der dort eingesetzten Energieträger durchgeführt. Diese Auswertung ergab, dass der Rohbau, unter anderem aufgrund der dort eingesetzten Anlagen und Roboter, ein besonders stromintensives Gewerk darstellt. Die vielen aufeinanderfolgenden Einzelschritte erfordern große beheizte Flächen, auf die ebenfalls ein erheblicher Anteil von etwa einem Drittel des Gesamtenergiebedarfs auf Gebäudeebene entfällt.

In einer detaillierten Analyse wurden die elektrischen Energiebedarfe, die für die Durchführung des eigentlichen Rohbauprozesses erforderlich sind, genauer untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Anlagen der verschiedenen Aufbaustufen die Hauptenergieverbraucher darstellen. Aus diesem Grund wurde eine detaillierte Untersuchung der Fügeprozesse durchgeführt.

Da es eine hohe Anzahl unterschiedlicher Verfahren gibt, musste in einem ersten Schritt eine Auswahl der zu messenden Fügetechnologien getroffen werden. Dazu wurden die unterschiedlichen Baureihen unter anderem hinsichtlich ihrer meistangewandten Fügeverfahren analysiert, mit dem Ziel, den Großteil des im Rohbau benötigten Energiebedarfs zu berücksichtigen. Schließlich wurden vier Fügetechnologien festgelegt: Hohlstanznieten (HSN), Fließlochschrauben (FLS) und Durchsetzfügen (DSF) als mechanische Fügeverfahren, sowie das Widerstandspunktschweißen (WPS) als Vertreter der thermischen Fügeverfahren. Für diese Prozesse wurde anschließend das Spektrum aller im internen Rohbau gesetzten Fügepunkte untersucht, wobei der Fokus auf der Identifizierung der genau zu messenden Fügepunktnummern lag.

Abbildung 1: gemessener Stromverbrauch der Fügeverfahren

Hierbei wurde berücksichtigt, dass die Fügepunkte innerhalb eines Verfahrens hinsichtlich unterschiedlicher Parametereinstellungen stark variieren können. Eine spezifische Einstellung dient dazu, für jeden Fügepunkt den optimalen Fügeprozess zu ermöglichen, um eine perfekte Verbindung der Fügestellen gewährleisten zu können. Dazu müssen für eine Fügeaufgabe zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden, wie beispielsweise Gesamtblechdicke, Materialeigenschaften oder unterschiedlich eingesetzter Größen eines Hilfsfügeteils. Auf Basis dieser Parameter wurde eine Einteilung der Fügepunkte vorgenommen, um die Varianzen und damit den Einsatzbereich innerhalb einer Fügetechnologie zu bestimmen. Das Spektrum dieser Faktoren, bei dem spezifische Fügeverfahren zum Einsatz kommen, orientiert sich insbesondere an den internen Richtlinien hinsichtlich der freigegebenen Toleranzen durch den Hersteller. Daher kann es zwischen verschiedenen Herstellern zu erheblichen Unterschieden kommen.

Ziel dieser vorgelagerten Grundlagenuntersuchung war es, die gesamte erzielbare Spanne des Energieverbrauchs eines Fügeverfahrens abzudecken und eine Aussage hinsichtlich der optimalen Bedingungen für eine Technologie treffen zu können. Daher wurde entschieden, hauptsächlich die Ränder (Minimum und Maximum) der betrachteten Parameter zu fokussieren, um mögliche Einflüsse identifizieren zu können. Auf Basis dieser Voruntersuchungen wurden energetische Messungen in der Serienproduktion durchgeführt. Eine Gegenüberstellung der aufbereiteten Messergebnisse ist in Abbildung 1 dargestellt. Darin sind die jeweils höchsten und geringsten gemessenen Werte, die sich aus der gezielten Auswahl ergeben haben, abgebildet. Zudem sind für die entsprechenden Fügeverfahren die jeweiligen Mittelwerte der Messungen angegeben.

Mechanische und thermische Verfahren im Vergleich

Die Messergebnisse der betrachteten Fügetechnologien zeigen signifikante Unterschiede im Energiebedarf zwischen mechanischen und thermischen Verfahren. Im Vergleich zum Widerstandspunktschweißen, weisen mechanische Fügeverfahren einen deutlich geringeren elektrischen Energiebedarf auf. Im Mittel ist der Stromverbrauch der mechanischen Fügeverfahren um ein Vielfaches niedriger als der des Widerstandspunktschweißens.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem thermischen Verfahren des Widerstandspunktschweißens und den mechanischen Verfahren besteht darin, dass WPS in der Regel auf die Fügung von Werkstoffen gleicher Art beschränkt ist. Beim Vergleich des Widerstandspunktschweißens unterschiedlicher Werkstoffe fällt auf, dass für das Schweißen von Stahl im Allgemeinen ein geringerer Energiebedarf notwendig ist als für das Fügen von Aluminium. Die erhöhte elektrische und thermische Leitfähigkeit von Aluminiumwerkstoffen, im Vergleich zu Stahl, führt dazu, dass bei Aluminium eine höhere Stromstärke zum Verschmelzen der Blechpartner erforderlich ist.

Weiterhin zeigt sich, dass die Bandbreite zwischen dem geringsten und höchsten gemessenen Wert bei der thermischen Fügetechnologie deutlich größer ist als bei den mechanischen Optionen. Der Energiebedarf für das Widerstandspunktschweißen hängt von zahlreichen Parametern ab. So treten bei Messungen eines spezifischen Fügepunktes starke Streuungen auf, die auf fertigungstechnische Schwankungen zurückzuführen sind. Beispielsweise die Einzelblechdicken der Fügepartner oder das Volumen des Klebeauftrags haben einen Einfluss. Auch unterschiedliche Orientierungen der Fügepartner zueinander, sowie der Verschleiß der Elektrodenkappen können eine Rolle spielen. Beim Vergleich der Messungen mechanischer Fügeverfahren zeigt sich das Durchsetzfügen als energieeffizienteste Variante.

Wie verändert sich der Energiebedarf durch Hilfsfügeteile?

Abbildung 2: gesamte Energiebetrachtung der Fügetechnologien

Wird die Betrachtungsgrenze über den elektrischen Energiebedarf hinaus erweitert, können neben weiteren Energieträgern wie Druckluft auch die teils notwendigen Hilfsfügeteile selbst berücksichtigt werden. Im Vergleich zu den anderen betrachteten Fügeverfahren wird für einen Fügepunkt beim Hohlstanznieten und Fließlochschrauben jeweils ein Fügeelement eingesetzt. Energetisch gesehen bringt dies einige Nachteile mit sich. Die Fügeprozesse beider Verfahren benötigen ein zusätzliches Zuführsystem, das die Hilfsfügeteile vom Schüttgut separiert und an den jeweiligen Setzkopf befördert. Dieser Prozess erfordert Druckluft, was den Gesamtenergieverbrauch des Rohbaubetreibers erhöht. Bezieht man in diese Betrachtung noch den Energieverbrauch ein, der für die Materialerzeugung und die Herstellung des Hilfsfügeteils aufgewendet werden muss, steigt der Energieverbrauch bei diesen beiden Technologien erheblich an.

Bei einer Gesamtbetrachtung des Energieverbrauchs inklusive der Hilfsfügeteile, zeigt sich eine Verschiebung in der Rangliste der energetischen Verbraucher. Infolge des zusätzlichen Energiebedarfs durch die Hilfsfügeteile bringen nun FLS und HSN den höchsten Energieverbrauch mit sich. Im Vergleich zum HSN-Niet nimmt die FLS-Schraube den höchsten Energiebedarf ein. DSF und WPS bleiben im Durchschnitt die energieärmeren Verfahren.

Wie lässt sich im Rohbau Energie sparen?

Aus den Ergebnissen der Analyse des Rohbaus lassen sich erste konstruktive Ansätze zur Energieeinsparung ableiten. Ein erster naheliegender Ansatz wäre, die Reduktion der Anzahl, der benötigten Fügepunkte. Da es jedoch, wie bereits beschrieben, neben den direkten Fügetechnologien weitere Energieverbraucher gibt, wie beispielsweise die zur Ausführung der Prozessschritte notwendigen Roboter oder die Fördertechnik, muss in der Konstruktion großrahmiger gedacht werden.

Eine konstruktive Gestaltung, die auf eine Verkürzung des Prozesses abzielt, hat demnach eine entscheidende Auswirkung auf den Energieverbrauch einer Karosserie. Die Konstruktion sollte eine einfache Zugänglichkeit zu den Fügepunkten ermöglichen und damit gleichzeitig Taktzeiten verkürzen. Neben dem hohen energetischen Einfluss der Hilfsfügeteile der entsprechenden Fügetechnologien führt auch die Zuführung zu einem erhöhten Energieverbrauch und vor allem zu einer Steigerung der Punkt-zu-Punkt-Zeiten. Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Konstruktion einen massiven Einfluss auf den Energieverbrauch hat, der später im Rohbau entsteht.

Das Beispiel eines Längsträgers

Längsträger in einer Mercedes-Benz S-Klasse

Neben der hier dargestellten Betrachtung des Rohbaus wurden auch weitere Gewerke untersucht. Die Fertigungsverfahren, die zur Herstellung eines Bauteils notwendig sind, sind dabei nicht zu vernachlässigen. So wurden beispielsweise das Tiefziehen, zur Herstellung von Blechteilen, oder das Gießen, zur Fertigung von Strukturgussbauteilen, untersucht. Auf Basis dieser detaillierten Untersuchung ist es möglich, unterschiedliche Karosseriekonzepte miteinander zu vergleichen und davon zukünftige energiearme Bauweisen abzuleiten.

Ein solcher methodischer Vergleich soll hier am Beispiel eines Längsträgers, der im Heckwagen einer Karosserie verbaut ist, vorgestellt werden. Dieser kann üblicherweise auf Basis unterschiedlicher Fertigungsverfahren hergestellt werden. In dem vorliegenden Beispiel wird ein Längsträger aus Aluminium-Druckguss, wie er oftmals in Premiumfahrzeugen zum Einsatz kommt, einem Längsträger vergleichbarer Dimension aus einer Blechschalenbauweise gegenübergestellt. Längsträger aus Blech weisen ein höheres Gewicht auf und werden aus Kostengründen bevorzugt im niedrigeren Fahrzeugsegment eingesetzt. Auf Basis der grundlegenden Untersuchungen ist es nun möglich, diese beiden Varianten hinsichtlich des Energiebedarfs detailliert zu berechnen.

Beim direkten Vergleich beider Bauweisen zeigt sich, dass die Herstellung eines Gussbauteils einen deutlich höheren Energiebedarf aufweist. Dies ist zum einen auf die längere Prozesskette mit mehr Produktionsschritten bei der Herstellung von Strukturgussbauteilen zurückzuführen. Andererseits bedingt das Gießen ein Vorliegen des Materials in flüssiger Form. Dies erfordert zu Beginn der Herstellung eines Gussbauteils einen energetisch aufwändigen Aufschmelzprozess.

Im Vergleich dazu sind für eine aus Blechschalenbauweise hergestellte Konstruktion mehrere Blechbauteile notwendig, welche einzeln durch Tiefziehen hergestellt werden müssen. Diese Bauweise erfordert anschließend den bereits beschriebenen Rohbauprozess, bei dem die Einzelteile mittels der vorgestellten Fügetechnologien miteinander gefügt werden müssen. Dennoch zeigt sich, aus Sicht des Energieverbrauchs, ein deutlich geringerer Aufwand im Vergleich zum Strukturgussbauteil. Es ist jedoch zu betonen, dass diese Gegenüberstellung von zahlreichen Faktoren abhängt und signifikant von dem vorliegenden Konstruktionskonzept beeinflusst wird.

Bessere Materialausnutzung sollte Ziel sein

Wie bereits beschrieben, lässt sich die Herstellung einer lackierten Karosserie grundsätzlich in vier Hauptphasen gliedern: Materialerzeugung, Fertigung der Einzelbauteile, Rohbau und Lackiererei. Mithilfe der durchgeführten energetischen Untersuchungen entlang dieser Produktionskette lässt sich der gesamte Energieverbrauch einer Karosserie abschätzen.

In Abbildung 3 ist eine beispielhafte Hochrechnung auf Basis der zugrundeliegenden Analysen für die Karosserieherstellung eines Premiumfahrzeugs dargestellt, wobei hier die Materialherstellung und alle nachfolgenden Herstellungsprozesse separat ausgewiesen werden. Insgesamt wurden zwei unterschiedliche Szenarien kalkuliert: Im ersten Szenario (linke Seite der Abbildung) werden ausschließlich Primärmaterialien verwendet, während das zweite Szenario (rechte Seite der Abbildung) einen hundertprozentigen Einsatz von Werkstoffen aus der Sekundärproduktion annimmt. 

Abbildung 3: Vergleich von unterschiedlichen Materialerzeugungsrouten mit der eigentlichen Karosserieherstellung

Der Energiebedarf dieser Phasen variiert erheblich. Die Materialerzeugung von Stahl und Aluminium, insbesondere die Gewinnung von Primärmaterialien (Rohstoffgewinnung), macht mit etwa 60 Prozent den größten Anteil am Gesamtenergiebedarf der Karosserieherstellung eines Premiumfahrzeugs aus. Die nachfolgenden Produktionsschritte tragen mit etwa 40 Prozent einen geringeren Teil zum Gesamtenergiebedarf bei.

Diese Dominanz der Materialerzeugung im Energieverbrauch erfordert ein Umdenken in der Materialausnutzung und eine Optimierung des Werkstoffbedarfs in jedem einzelnen Bauteil. In diesem Kontext spielt der Leichtbau eine entscheidende Rolle, da jedes eingesparte Kilogramm eine Reduktion des Produktionsaufwands zur Folge hat. Allerdings setzt die Herstellbarkeit vieler Bauteile in der aktuellen Fertigungspraxis einen hohen Materialeinsatz voraus, wobei eine signifikante Menge des Inputs oftmals als Verschnittmaterial endet. Dieses kann nicht im Fahrzeug verbaut werden, es ist jedoch unerlässlich, um gewisse Produktionsschritte überhaupt zu ermöglichen.

Das Verschnittmaterial hat dennoch bereits energieintensive Prozesse, wie beispielsweise die Halbzeugherstellung im Walzwerk durchlaufen und damit gegebenenfalls unnötig Energie beansprucht. Für seinen weiteren Einsatz in der Pkw-Produktion muss der Schrott erneut grundlegend aufbereitet (d.h. eingeschmolzen und gewalzt) werden und wird daher auch als Kreislaufmaterial bezeichnet. Angesichts der angespannten Ressourcenlage ist es unerlässlich zu hinterfragen, ob diese Ineffizienzen zukunftsfähig sind.

Um in diesem komplexen Prozess nachhaltige Verbesserungen zu erzielen, ist eine enge Kooperation aller Beteiligten entscheidend. Vom Design der Fahrzeuggeometrie über die Konstruktion der Bauteile bis hin zur simulativen Auslegung der Geometrie der Rohplatine muss eine gemeinsame Optimierung der Materialausnutzung im Vordergrund stehen. Intelligente Bauweisen und innovative Fertigungsverfahren werden dabei künftig zunehmend in den Fokus rücken.

Was bietet der Einsatz von Sekundärmaterialien?

Im Gegensatz zur Verwendung von Primärmaterialien bietet der Einsatz von Sekundärmaterialien (optimaler Materialkreislauf) erhebliches Energieeinsparpotenzial. Während die nachfolgenden Herstellungsschritte den nahezu gleichen Energieverbrauch aufweisen wie bei Primärmaterialien, kann der Energiebedarf für die Bereitstellung des Werkstoffs durch den Einsatz von reinen Sekundärmaterialien, in einer Karosserie eines Premiumfahrzeugs, um etwa 90 Prozent gesenkt werden. Anstelle aufwändiger Verfahren zur Materialerzeugung muss das Material in Form von Abfällen und Schrotten eingeschmolzen, die passende Legierung wiederhergestellt und zum Coil weiterverarbeitet werden.

Automobilhersteller sind bestrebt, den Anteil an Sekundärwerkstoffen kontinuierlich zu erhöhen. Die Kreislaufwirtschaft bietet Potenziale, indem sie darauf abzielt, Ressourcen zu schonen, Abfälle zu vermeiden und Produkte so zu gestalten, dass sie langlebig, reparaturfähig und recyclebar sind. Durch die Wiederverwendung von Materialien und die Vermeidung der aufwändigen Rohstofferzeugung können Unternehmen ihren ökologischen Fußabdruck verringern.

Perfekte Materialkreisläufe sind derzeit noch selten und müssen daher in Zukunft verstärkt geschlossen werden, um einen hohen Einspareffekt zu erzielen. Dies bedeutet, dass Schrotte, die beispielsweise während der Produktion in einem Presswerk anfallen, oder Materialien, die aus dem Post-Consumer-Bereich stammen, leicht voneinander getrennt und möglichst sortenrein wieder dem Materiallieferanten zur Verfügung gestellt werden müssen.

Sollte künftig eine umfassende Verfügbarkeit von Sekundärmaterialien erreicht werden, die eine vollständige Deckung der Nachfrage ermöglicht, könnte der Energieeinsatz für die Karosserieherstellung insgesamt um etwa 60 Prozent gesenkt werden. Diese signifikante Reduktion des Energiebedarfs in der Materialbereitstellung führt zu einer Verlagerung des energieintensivsten Produktionsabschnitts: Anstelle der Materialerzeugung würden die nachfolgenden Produktionsabläufe der Karosserieherstellung den Hauptteil des Energieverbrauchs verursachen und damit aus Energieeffizienzsicht in den Fokus rücken. Daher ist es unerlässlich bereits heute ein Umdenken in den betroffenen Produktionsprozessen zu initiieren, um auch hier Effizienzsteigerungen zu erzielen und den Gesamtenergieverbrauch der Karosserieherstellung weiter zu senken.

Energetische Gesamtbilanz der Karosserieherstellung

Insgesamt zeigt diese Untersuchung, dass die Karosserieherstellung, von der Rohstoffgewinnung bis zur finalen Lackierung, etwa ein Drittel der gesamten Energie beansprucht, die für die Herstellung eines kompletten Premiumfahrzeugs benötigt wird und somit einen erheblichen Einfluss auf den Gesamtenergieverbrauch hat. Es ist daher unerlässlich, den gesamten Produktionsprozess – inklusive der Leistungen externer Lieferanten – zu betrachten und den Fokus nicht ausschließlich auf die unmittelbare Wertschöpfung des Automobilherstellers am eigenen Standort zu richten.

Jede Entscheidung im Rahmen der Karosserieentwicklung – von der spezifischen Bauteilgeometrie über die Werkstoff- und Halbzeugwahl bis hin zu den Fertigungs- und Fügeverfahren – determiniert maßgeblich den späteren Energieverbrauch in der Serienproduktion. Insbesondere der Rohbauprozess eines Premiumfahrzeugs, bei welchem Einzelteile und Teilzusammenbauten zur fertigen Karosserie gefügt werden, weist aufgrund des hohen Flächenbedarfs und des damit verbundenen Energieaufwands der Gebäude einen erheblichen energetischen Einfluss auf.

Der im Premiumsegment übliche Materialmix erfordert zudem Fügetechniken, die für Verbindungen unterschiedlicher Werkstoffe ausgelegt sind, was den Flächenbedarf zusätzlich erhöht. Die Analyse des Energieverbrauchs im Rohbau zeigt, dass etwa die Hälfte auf den Flächenverbrauch zurückzuführen ist, während die andere Hälfte auf die Prozessenergie entfällt. Konventionelle Fügeverfahren, wie beispielsweise das Widerstandspunktschweißen, erweisen sich dabei als vergleichsweise stromintensiv.

Dies zeigt deutlich, dass die Berücksichtigung des Energieverbrauchs bereits in der frühen Phase der Karosserieentwicklung einen entscheidenden Einfluss hat. Neben etablierten Kennzahlen, wie Gewicht, Kosten und Crashperformance, fördert die gezielte Integration der Energieeffizienz die Entwicklung innovativer Konzepte. Dadurch kann sich die Automobilindustrie in gewissem Maße von schwankenden Energiekosten entkoppeln und ihre Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Umfeld stärken, insbesondere gegenüber kostengünstigeren Standorten.

TL;DR – Kernaussagen des Beitrags

  • Energieeffizienz als Schlüssel: Muss bereits in der Produktentwicklung berücksichtigt werden, um spätere Einsparpotenziale zu nutzen
  • Lebenszyklus-Verschiebung: Bei E-Autos verlagert sich der Energiebedarf von der Nutzungs- zur Produktionsphase (Batterieherstellung verdoppelt Produktionsenergie)
  • Karosseriefertigung im Fokus: Rohbau ist besonders stromintensiv; Fügetechnologien unterscheiden sich stark im Energieverbrauch
  • Mechanisch vs. thermisch: Mechanische Fügeverfahren sind deutlich energieärmer als Widerstandspunktschweißen
  • Materialerzeugung dominiert: Primärmaterialien verursachen bis zu 60 Prozent des Energiebedarfs der Karosserieherstellung
  • Sekundärmaterialien bieten Potenzial: Einsatz kann Energiebedarf um bis zu 90 Prozent senken; Kreislaufwirtschaft entscheidend
  • Konstruktive Ansätze: Weniger Fügepunkte, optimierte Zugänglichkeit und Prozessverkürzung sparen Energie
  • Gesamtbilanz: Karosserieherstellung beansprucht rund ein Drittel der Energie für ein Premiumfahrzeug – frühzeitige Integration von Energieeffizienz ist essenziell