Thomas Dose BMW Chennai Indien

Von 2010 bis 2013 war Thomas Dose als General Manager Assembly & Logistics am Standort in Chennai eingesetzt. Im Juni 2019 kehrte er zurück nach Indien und leitet seitdem das gesamte Werk. (Bild: BMW)

Herr Dose, vor Ihrer Rolle als Werkleiter in Chennai haben Sie bei BMW bereits mehrere Stationen durchlaufen. Wie sind Sie hier in Indien gelandet?

Bevor ich das zweite Mal nach Indien kam – ich war ja schon einmal hier – war ich im Consulting tätig. Ich kam dann zu BMW und war in der internen Beratung, in der ich jahrelang Menschen half, Dinge besser zu machen. Irgendwann will man dann auch mal selbst anpacken und Führungsverantwortung übernehmen. Dafür ging ich bewusst ins BMW Werk Leipzig und übernahm dort anderthalb Jahre die Rolle als Gruppenleiter in der Montage, was mir großen Spaß machte. Nachdem ich signalisierte, dass ich auch gern ins Ausland gehen würde, bekam ich die Montageleitung in Indien angeboten. Dort habe ich viel über Menschen, Kultur, Autobau und Logistik gelernt. Im Anschluss durfte ich den Referenzpackbetrieb in Wackersdorf übernehmen. Was ich über Führung in Indien gelernt hatte, konnte ich auch in der Oberpfalz anwenden. Denn unterm Strich sind wir alle Menschen und wollen wertgeschätzt werden. Außerdem teilen sich Süd-Inder und Oberpfälzer ihre Bodenständigkeit. Danach ging ich nach Berlin, um in der Logistik zu arbeiten, aber nach zwei Jahren wurde die Stelle hier in Indien wieder frei, und ich kam als Werkleiter zurück. Seit fünf Jahren bin ich nun hier und sehr glücklich, gemeinsam mit dem Team viel zu erreichen und den Turnaround erfolgreich zu gestalten.

Was ist die wichtigste Lektion, die Sie in all diesen Positionen für Ihre jetzige Aufgabe gelernt haben?

Die Wichtigkeit von Diversität. Jeder Mensch hat unterschiedliche Stärken und kulturelle Hintergründe, die sich optimalerweise in einem Melting Pot vereinen. Der Gedanke, dass man irgendwem beibringen muss, wie man es richtig macht, führt in eine Sackgasse. Stattdessen geht es darum, zu erkennen, dass wir alle voneinander lernen können. Unterschiedliche Sichtweisen und Herangehensweisen bringen großen Mehrwert. Wenn jemand, der hier im indischen Kulturkreis aufgewachsen ist, seine ehrliche Meinung über ein Problem äußert, bringt das oft neue Perspektiven, die das Endergebnis verbessern.

Zitat

Ein Rundgang ersetzt 1.000 Meetings.

Thomas Dose

Sie haben die Bodenständigkeit angesprochen, die Süd-Inder und Oberpfälzer gemeinsam haben. Wo liegen hingegen die Unterschiede zwischen Ihrem jetzigen und vorherigen Team?

In einem Großkonzern hat man oft die Möglichkeit, durch Stellenwechsel seine Karriere voranzutreiben. Hier in Indien sind die Karrieremöglichkeiten regional oft begrenzter. Viele Mitarbeiter am Standort Chennai machen daher bereits jahrelang denselben Job, sind aber weiterhin hoch motiviert und haben Freude an ihrer Arbeit. Außerdem ist Indien stark familienorientiert. In Deutschland trennt man oft die Rolle des Arbeitnehmers von der in der Familie. Mein Montageleiter kennt die Familien der Mitarbeiter und besucht sie regelmäßig. Der Familientag, den wir einmal im Jahr veranstalten, ist ein großes Ereignis. Wenn man die Mitarbeiter als Teil der BMW-Familie sieht, entsteht eine ganz andere Energie und Freude an der Arbeit. In Deutschland hört sich das Konzept einer „großen Familie“ nett an, aber hier wird es tatsächlich gelebt.

Für die BMW-Familie steht brandaktuell die neue Kooperation mit Tata in Form des Joint Ventures BMW Techworks India ins Haus, die globale Softwarelösungen sowohl für die Business- als auch Fahrzeug-IT entwickeln soll. Hier in Ihren Montagehallen sollen die Entwickler aus Indien mit den Endprodukten in Berührung kommen. Was bedeutet das für Sie und Ihr Team?

Für uns bedeutet das, den neuen Kollegen im IT-Bereich die Freude an unseren Produkten vermitteln zu dürfen. Es macht definitiv etwas mit einem Menschen, wenn man unsere Produkte sieht, mit ihnen in Berührung kommt und an ihnen arbeitet. Wenn wir diese Begeisterung in den IT-Bereich transportieren können, schaffen wir eine starke Verbindung zu unseren Fahrzeugen. Deshalb wollen wir Einführungstrainings im Werk durchführen, um diesen Bezug zu stärken.  

Und welchen konkreten Mehrwert erhoffen Sie sich auf der anderen Seite durch die Zusammenarbeit für Ihre Prozesse hier im Werk?

Das Joint Venture wird stark darauf fokussiert sein, unsere IT-Landschaft zu bebauen, zu gestalten und zu pflegen. Es ist immer besser, wenn man nah am Produkt und Prozess ist, um die IT-Lösungen passgenau zu entwickeln. Es ist eine gegenseitige Befruchtung: Verbesserungen aus der Produktion fließen in die IT ein, und umgekehrt können wir von neuen IT-Technologien profitieren. Und diese Zusammenarbeit funktioniert viel besser, wenn man sich physisch begegnet. Ein Rundgang ersetzt 1.000 Meetings.

Seit Ihrer Ankunft 2019 haben Sie die Nachhaltigkeit des Standortes stark in den Fokus gerückt. Welche Maßnahmen konnten Sie bisher umsetzen?

In unserem Werk verfolgen wir eine Vielzahl von Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die uns helfen, unsere Umweltbelastung deutlich zu reduzieren. Unser zentrales Ziel ist es, die drei wesentlichen Ressourcenleitungen – Wasser, Gas und Strom – schrittweise auf Alternativen mit geringerem Footprint umzustellen. Als ich 2019 hierher kam, gab es eine große Dürreperiode und wir hatten wirklich starken Wassermangel. Als wir dann glücklicherweise wieder Regen bekamen, haben wir uns sofort an die Arbeit gemacht, Regenrückhaltesysteme zu schaffen. Durch die Sammlung und Aufbereitung von Regenwasser, einschließlich der Nutzung von Brunnen und Teichsystemen, konnten wir den Bedarf an zugekauftem Wasser eliminieren und sind heute unabhängig, was diese Ressource angeht. Wir verwenden dieses Wasser nicht nur für alltägliche Dinge wie Toilettenspülungen, sondern auch für technische Prozesse wie den Wassertest an den Fahrzeugen. Danach haben wir ebenfalls den Gasverbrauch reduziert. Früher haben wir Erdgas in der Lackiererei, der Küche und anderen Bereichen genutzt. Heute sind diese Systeme so umgestellt, dass sie mit dem Strom aus den Solarpaneelen auf unserem Dach laufen. Aktuell arbeiten wir daran, unseren gesamten Stromverbrauch zu optimieren. Bereits heute decken wir 50 Prozent unseres Energiebedarfs durch Solarenergie, und wir planen, diesen Anteil weiter zu steigern. Außerdem arbeiten wir an Speichermöglichkeiten für unsere Solarenergie und an alternativen Klimaanlagen, um Kompressoren einzusparen.

Zum Abschluss: Wie sieht Ihre Vision für das Werk Chennai für die nächsten fünf Jahren aus?

Das Werk Chennai und die gesamte Organisation in Indien haben in der BMW-Welt einen hohen Stellenwert erlangt: Von einem eher unbekannten, weit entfernten Produktionsstandort zu einem Juwel im Netzwerk. Daran haben wir in der Vergangenheit hart gearbeitet und mittlerweile schaut man auf Indien als einen gleichberechtigten Partner. Ich wünsche mir für die Zukunft des Werkes, dass diese Entwicklung noch intensiviert wird. Unter anderem sollten wir uns fragen, wie wir unsere gut ausgebildeten Mitarbeiter noch besser im Netzwerk einsetzen können. Gleichzeitig wollen wir andere Produktionsstätten einladen, nach Indien zu kommen und von uns zu lernen. Ich glaube, diese gegenseitige Befruchtung ist extrem wichtig. Besonders angesichts der schwieriger werdenden geopolitischen Verhältnisse,. Was auf der globalen Arbeitsebene bei BMW passiert, ist fantastisch. Daran wird deutlich, wie stark uns das BMW-Logo vereint. Das ist auch meine Vision für die Zukunft: die weitere Zusammenarbeit und den Austausch zu fördern.

Zur Person:

Thomas Dose BMW
(Bild: BMW)

Thomas Dose ist seit Juni 2019 Werkleiter des BMW Werks in Chennai, Indien. Zuvor leitete er von 2017 bis 2019 die Logistik bei BMW in Berlin und war von 2013 bis 2017 als Werkleiter des BMW Standorts Wackersdorf tätig, wo er einen Betrieb mit etwa 3.000 Mitarbeitenden verantwortete. Seine internationale Karriere begann 2010 als General Manager für Montage und Logistik bei BMW India in Chennai, bevor er von 2008 bis 2010 eine Führungsrolle in der Fahrzeugmontage im Werk Leipzig übernahm. Davor war Dose als interner Berater für die Integration von Produktionssystemen in BMW-Werken weltweit tätig. Seine berufliche Laufbahn startete er als KVP-Manager bei ZF Friedrichshafen, gefolgt von seiner Tätigkeit als Geschäftsführer bei ACON Management Consulting, wo er Lean-Production-Konzepte implementierte.

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